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Büchermachen XIII: Wer bezahlt noch für multimediale Inhalte?

Unregelmäßig und immer am Samstag berichtet der Lektor, Verleger und Literaturagent Vito von Eichborn über das Büchermachen. Es geht ihm nicht um Theorien, sondern um das Handwerk auf dem Weg zur »Ware Buch«. Er redet Klartext, räumt mit Vorurteilen auf – und will zum Widerspruch anregen. Und er bittet um Fragen über den Buchmarkt, um an dieser Stelle darauf einzugehen.

Eine Kolumne von Vito von Eichborn

Womit verdienen die Medienkonzerne eigentlich ihr Geld?

Bei Alexa habe ich als Normalkunde angeblich zwei Millionen Musikstücke kostenlos – die reichen mir. Wenn ich mit monatlich nur acht Euro aufstocken würde, wären das vierzig Millionen. Was davon zahlt Amazon an die Musikmacher? Kann nicht viel sein. Und Siri ist vermutlich auch zugeknöpft.

Bücher gibt’s in Bergen billig und gebraucht. Oder auch kostenlos in öffentlichen Schränken oder Zellen. Ich kaufe wenige Novitäten – es gibt so verdammt viele verdammt gute Bücher, die ich noch nicht gelesen habe. Im Café zum Frühstücken, bevor ich auf dem Markt viel Geld für richtig guten Käse ausgebe, zahle ich einen Euro für jedes Buch aus den beiden prallvollen Bücherschränken; das geht an einen guten Zweck. Oder ich kaufe bei Booklooker billigst. Der Hype des Neuen geht weitgehend an mir vorbei; was die Feuilletons aktuell besprechen, hört sich sehr selten danach an, dass ich das haben muss. Lese gerade mal wieder »Stories« von Kafka. Schwer modern. Übrigens sind die Preise für richtig gut erhaltene Gebrauchtbücher jämmerlich niedrig, sogar für meine geliebte Andere Bibliothek. Davon geht nix an die Autoren.

Bertelsmann macht einen Jahresumsatz von über 17 Milliarden. RTL rund drei davon, die Buchverlage anderthalb, G+J auch noch was undsoweiter. Der Chef Markus Dohle erzählt, weit über ein Viertel davon würden für Urheberrechte bezahlt – das seien auch Investitionen in die Zukunft. Das muss man sich vorstellen: 4,5 Milliarden! Mehr als jemals. Wer bekommt das alles?

Okay, die Vorschüsse für Michelle Obama im einen, ihren Gemahl im anderen Random-House-Verlag – davon gibt’s 250 –, das ist nicht ganz billig. Auch wenn sie nicht von mir kommen, verkaufen und verdienen die Millionen; es gibt offensichtlich weltweit genügend Leser, die bessere Kunden sind als ich. Irgendwer bezahlt ja die 600 Millionen Random-Bücher im Jahr (da sind E-Books und Hörbücher dabei). Und jemand zahlt für die zweieinhalb Millionen Musikstücke, deren Rechte bei Bertelsmanns Verwertungsfirma BMG sind, statt wie ich nur noch kostenlos zu hören.

Obwohl diese nackten Zahlen zwar beeindrucken, sagen sie nichts über unser kleines Menschenleben. Immerhin aber erzählen sie, dass dieser Mega-Multi-Weltkonzern in fünfzig Ländern an die Zukunft von Inhalten glaubt. Und dies nicht nur digital, auch in Buchform. Dabei haben auch dessen Macher entdeckt, dass die Menschen in verschiedenen Regionen unterschiedliches sehen, hören und lesen wollen. Dohle nennt das konsequent nicht »global«, aber auch nicht provinziell wie hierzulande »regional« – bei ihm heißt das pfiffig »multilokal«.

Das sollte jemand aufgreifen! Wie wär’s mit »vielen Lokalen«, sagen wir »lokalen Lesecafés«, mit Bücherschränken und Musik auf Zuruf für die »multikulturellen« Multi-Medien-Nutzer?

Vito von Eichborn

Fragen? Meinungen? Kommentare? Vito von Eichborn freut sich über Rückmeldungen! Am besten unten in den Kommentaren oder per Mail an buechermachen(at)literaturcafe.de.

Vito von Eichborn, 1943 geboren, Studium, Journalist und Aussteiger, begann 1973 im Lektorat bei Fischer in Frankfurt. 1980 Gründung des Eichborn Verlags, den er 1995 freiwillig verließ: »Das war der Fehler meines Lebens.« Geschäftsführer bei Verlagen in Hamburg. Lebt seit 2007 in Bad Malente. Gründete zwischenzeitlich auf Mallorca den Verlag Vitolibro, den er mit norddeutschen Regionalia, literarischen Ausgrabungen und Kuriosa fortsetzt. Ist manchmal Agent für Autoren (»nur, wenn das Projekt marktfähig ist«), schreibt, lektoriert, entwickelt Projekte.

2 Kommentare

  1. Die Idee der kleinen Büchercafés und Lesezirkel, die sich mal hier oder dort zusammensetzen, ist schön, leider ist der “Zeitgeist” ein anderer und genau deswegen verkaufen die anonymen Ketten so viel. Der Leser ist nicht mehr sensibel genug, um das Lesen oder überhaupt die Beschäftigung mit Büchern als soziales Erlebnis zu erfahren. Alles wird plattgewalzt von Tsunamis aus Büchern, schriller Werbung, Bestsellerlisten, Rankings und billigen Remittenden. Der Durchschnittsleser, ohnehin nicht mit viel Zeit gesegnet, lässt sich gerne beeinflussen, weil er sich über seine Bedürfnisse nicht im Klaren ist. Der schnelle Genuß ist verlockender als die kulturelle Begegnung mit den Büchern. Ich erlebe das oft bei meinen Lesungen, wenn mir die Menschen ihre Alltagskontakte mit Literatur beschreiben. Das Überangebot erschlägt sie, die Kontakte zum Kulturgut Buch erschließen sich ihnen nicht, weil sie die Zeit nicht haben und auch nicht wissen, wo und wie sie was suchen sollen. Wie also die Sensibilisierung wieder aktivieren? Echt, keine Ahnung, nur versuchen, als aktiver “Macher”, Autor oder Kolumnist ein paar Tipps zu geben. Doch das große Phlegma in Sachen Literatur bei der Mehrheit in diesem Land kriegt man wohl nicht mehr raus. Im Vorfeld von Lesungen höre ich oft den Satz: “Bitte, 5 Euro Eintritt für eine Lesung von einem unbekannten Autor? Mach’ ich nicht!” Man sieht die Menschen dann häufig nach Feierabend in einer Kneipe sitzen, wo sie für den Gegenwert einer literarischen Möglichkeit den als zu hoch empfundenen Obolus dafür in 5 Minuten die Kehle passieren lassen. Auch das ist eine Realität, in die das Ex und Hopp der großen Konzerne hervorragend hineinpasst. Weiter an das Gute glauben.

  2. Christoph Rohn
    Mich überzeugen sehr frische Inhalte. Immer noch frischer sein in einer Größe, mit der Reize und Fusion eines Gedankens gelingen, Mensch, Entität und Abgrund zu lesen, überzeugen uns existenziell. Konzerne und da drin Sauberräte und neutral verdrucktes Thema sind nicht groß.

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