Barbara Fellgiebels Messimpressionen aus Frankfurt – respektlos, subjektiv, frech, erfrischend und noch so einiges.
Teil 1: Verleihung des Deutschen Buchpreises an Bodo Kirchhoff.
Montag, 17. Oktober 2016 – Deutscher Buchpreis
Meine Buchmesse fängt am Montag vor der Buchmesse wie immer mit dem Verleih des dbp, des Deutschen Buchpreises an.
Seit 12 Jahren alle Jahre wieder. Interessanterweise hat nun auch der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels eingesehen, dass es sich dabei nicht um den besten Roman des Jahres handelt sondern:
»Der Deutsche Buchpreis ist ein literarischer Debattenanreger, ein Zünder für Diskussionen und die Auseinandersetzung mit der aktuellen deutschsprachigen Romanliteratur. Er will Bücher ins Gespräch bringen, bekannte und unbekannte, Geschichten verbreiten von Autorinnen und Autoren, die man kennt und solchen, die es noch zu entdecken gilt.«
Damit kann ich leben. Aus 180 Einreichungen haben es 20 auf die Longlist und 6 auf die Shortlist geschafft. 1 Frau und 5 Männer. Diese Imparität der Geschlechter wäre in Schweden undenkbar.
Ich freue mich auf die angekündigte Veränderung: Moderator ist in diesem Jahr erstmalig Cécile Schortmann, bekannt aus der Kulturzeit bei 3sat. Von wegen:
Auch in Edition 12 zeichnet Gerd Scrobel für die Moderation. In schlafanzugartigem Hemd springt er heldenhaft in letzter Minute ein und vertritt die erkrankte Cécile. Unvorbereitet ist er besser, weniger selbstverliebt und so auf shortgelistete Bücher und deren Verfasser reduziert, wie man das erwartet und möchte.
Bodo Kirchhoff ist Favorit und – gewinnt. Mit »Widerfahrnis«. Welch schönes (nicht im Duden vorkommendes) Wort. Seine erste und wichtigste Leserin bezeichnet es als »Gratwanderung zwischen dem was gut und dem was weh tut.« Wie er in seiner wohl vorbereiteten Dankesrede sagt.
Er ist sich seiner Unfähigkeit, Freude auszudrücken wohl bewusst, denn er sagt: »… und ich bin sehr viel glücklicher als man mir das vielleicht ansieht.« Erst als er beim anschließenden Empfang von einigen Herren beglückwünscht und von den Damen abgebusselt wird, huscht ein freudiges Strahlen über sein Gesicht. Auch er trägt übrigens ein Schlafanzugshemd. Scheint der Renner zu sein.
Die Verlierer machen gute Miene, d.h. sie tragen es mit Fassung »nur« 2.500 statt 25.000 Euro Preisgeld zu bekommen. Schade, es ist irgendwie immer spektakulärer und denkwürdiger, wenn sich nicht alle so comme il faut verhalten.
Das Essen ist köstlich – besser als im vorigen Jahr wird festgestellt. Mein Tischgegenüber outet sich als Jurymitglied des Vorjahres und plaudert nur zu gern aus dem Nähkästchen, je detaillierter desto mehr Interesse vom Umfeld gezeigt wird. Er hält Bodo Kirchhoff für unangenehm ichbezogen und geht dann zu einem 20minütigen Monolog über, in dem er genau darlegt, warum die gesamte Buchbranche glücklich war, dass gerade er in der Jury saß, welch profundes Belletristikwissen er habe und er und er und er …
Ich verabschiede mich mitten im Satz und freue mich auf die morgige Pressekonferenz mit David Hockney. Ob der mir auch erzählen wird, dass er der beste Künstler aller Zeiten ist?
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Barbara Fellgiebel
Barbara Fellgiebel ist passionierte Buchmessen- und Literaturfestivalbesucherin und verweigert sich nach wie vor erfolgreich dem Schneller-kürzer-visueller-Wahn sowie Twitter, Facebook und Instagram. Bei ihr darf noch gelesen werde, mit Ruhe und Genuss.
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