Der Große Böse Wolf, Mephistopheles, Dracula und die Panzerknacker – wer liebt sie nicht? Schurken sind ein zentraler Erfolgsfaktor in Geschichten, gleich ob es Märchen sind, Thriller oder Romanzen. In gewisser Weise brauchen sogar Sachbücher Antagonisten oder zumindest antagonistische Kräfte, denn wir Menschen sind von Konflikten, Siegen und Niederlagen fasziniert.
In dieser Kolumne zum Samiel-Award ergreife ich Partei für das Böse. Im fünften Teil geht es um die Frage, warum die Monster von gestern plötzlich die Helden von morgen sind.
Der Samiel Award
ist ein Literaturpreis für Autoren, die herausragende Antagonisten erschaffen haben: Monster, Schurken, Fieslinge und Gegenspieler. Bis zum 1.12.2013 können Verlage und Autoren Ihre Charaktere für den Preis vorschlagen, der vor Weihnachten verliehen wird. Das literaturcafe.de unterstützt als Partner den Wettbewerb.
Albrecht Behmel ist der Initiator des Samiel Awards. In dieser Kolumne begibt er sich auf die Spur des Bösen.
Es gibt ein bemerkenswertes Phänomen, nämlich die allmähliche Verwandlung der klassischen Antagonisten in moderne Protagonisten, die in ihrer Kurzform lautet, dass die Monster von gestern die Helden von morgen sind.
Zum Beispiel die Vampire: In frühen Büchern und Filmen wurden Vampire als fremdartige Lebensformen dargestellt, gegen die sich die Menschen zur Wehr setzen mussten. Je ausgefeilter die Vampire dargestellt wurden und je mehr über sie bekannt wurde, desto attraktiver wurden sie für die Rolle von Protagonisten, wie etwa die Vampire der Twilight-Serie von Stephenie Meyer. Das gleiche Phänomen ist für Mutanten, Auftragsmörder, Dämonen und andere klassische Monster und Feinde zu beobachten, die zunehmend Protagonisten werden; aber auch Zombies, die inzwischen im Begriff sind, die Grenze von Monster zu Protagonist überschreiten, weil mehr über ihr Innenleben bekannt ist, was sie zu attraktiveren Vehikeln der Erzählperspektive macht, und da die industriell organisierte Buch- und Filmwirtschaft ständig nach Neuem sucht, das dennoch an Altes erinnert, geraten die Antagonisten von gestern geradezu zwangsläufig in die Rolle der Protagonisten von morgen.
Der Clou aller gelungenen Geschichten ist, dass Schurken, Monster und Feinde seit jeher eine große Faszination auf die Generationen ausgeübt haben. Schon immer waren Antagonisten dafür geeignet, als Titelhelden aufzutreten, wie etwa Dracula, doch blieb ihnen die Erzählperspektive häufig lange versagt. Mochten sie auch noch so dominant für den Verlauf der Ereignisse sein, so blieben sie dennoch Antagonisten, da die Ereignisse aus der Sicht von moralisch weniger risikofreudigen Charakteren geschildert wurden. Dies trifft auch auf die Abenteuer des Sherlock Holmes zu, der wesentlich weniger moralischen Zwängen unterlag als sein bürgerlicher Freund und Partner Doktor Watson.
Im englischen Sprachgebrauch gibt es einen schönen Begriff dafür, nämlich »rogue«, was Einzelgänger oder Abtrünniger bedeuten kann, Regelbrecher oder Querkopf. Dies sind Figuren wie Han Solo oder Zorro oder der Joker, aber auch viele Ermittler wie Kojak, Schimanski, Wanninger und Columbo, die zu ihren Ergebnissen vor allem deshalb kommen, weil sie sich nicht darum kümmern, was ihre Vorgesetzten verlangen. Und genau das macht sie zu derartig effektiven Sympathieträgern.
Albrecht Behmel
Interessantester Teil bisher.
Aber, ich weiß ja nicht, ob es wichtig ist, vielleicht ist es ja auch nur eine Kleinigkeit: Es müsste Columbo heißen.
Danke, ist korrigiert!