Auf der Pressekonferenz vom 28. Mai 2015 gaben die Veranstalter des Bachmannpreis-Wettbewerbs letzte Neuigkeiten zu den »39. Tagen der deutschsprachigen Literatur« bekannt: Die Farbe der Bachmannpreis-Tasche, eine Veränderung beim Wahlmodus, den Namen des Redners der »16. Klagenfurter Rede zur Literatur« und – ta-da! – die KandidatInnenliste für die Lesungen vom 2.-4. Juli 2015.
Beim ersten Blick auf die KandidatInnenliste fällt auf, dass diesmal viele im Literaturbetrieb schon erfahrene und bekannte SchriftstelÂlerInnen eingeladen worden sind (u.a. Teresa Präauer, Saskia HenÂnig von Lange, Nora Gomringer, Tim Krohn).
Doris Brockmann
ist (bzw. war) passionierte Fernsehstudentin der »Tage der deutschsprachigen Literatur«. Bis 2013 bloggte und twitterte sie über den Bachmannpreis immer im angenehm kühlen Arbeitszimmer, 2014 war sie erstmals live im aufgeheizten Klagenfurt dabei, um sich mal alles vor Ort anzuschauen. 2017 wird sie zum vierten Mal nach Kärnten reisen. Ansonsten widmet sie sich der angewandten Schriftstellerei im Dienste der Alltagsbeobachtung auf
walk-the-lines.de
Wir schauen uns hier und heute erstmal in gewohnter Manier die Liste der Eingeladenen an und verschaffen uns mithilfe kleiner ReÂchenaufgaben einen ersten Ãœberblick
Geschlecht
Geschlechtsspezifisch steht es 10:4 für die Frauen. Die nahezu kontinuierliche Aufwärtsentwicklung des Frauenanteils setzt sich weiter fort – mit geradezu beängstigender Geschwindigkeit. Wir erÂinnern uns: 2010 nahmen 5 Schriftstellerinnen teil, 2011 erhöhte sich die Zahl auf 6, im Jahre 2012 war Gleichstand erreicht und 2013 gingen die Frauen mit 8:6 erstmals in Führung. Diesen schöÂnen Erfolg konnten sie im letzten Jahr mit einem erneuten 8:6 siÂchern. Und nun nach der kleinen Steigerungsverschnaufpause ein solcher Vorsprung: 10:4 – welch ein »Geschlechterverhältnis«! (Wann werden die Männer nach der Quote rufen?)
Land
Länderspezifisch sind 19 Nationalitätszugehörigkeitsnennungen (inklusive zwei nichtdeutschsprachiger Länder) zu verzeichnen – bei insgesamt nur 14 KandidatInnen. Nein, das ist nicht unverÂständlich oder irgendwie gemogelt, sondern hat damit zu tun, dass einige mit »Doppelpass« antreten. Wie will man da noelle-naumänÂnisch vorgehen? Ist der Geburtsort entscheidend? Oder der WohnÂort? Hm. Ich würd’ mal sagen, wir nehmen einfach die an erster Stelle genannte Staatszugehörigkeit. Und heraus kommt folgende Verteilung:
D A CH
7 5 2
Die EidgenossInnen sind auch in diesem Jahr wieder an Bord (zähÂlen wir die Doppelnennungen hinzu, sogar mehr als 2). Wir erinÂnern uns: Im Jahr 2013 fehlten sie erstmals seit Bestehen des WettÂbewerbs. Der Rest sieht einigermaßen ausgewogen aus: Keine beÂfremdliche Monopolstellung der AutorInnen aus Deutschland wie ebenfalls im Jahr 2013, als 11 TeilnehmerInnen für »D« an den Start gingen.
Alter
Altersspezifisch ist zu vermelden, dass in diesem Jahr das GeÂsamtalter der eingeladenen FinalistInnen 536 Jahre beträgt. Daraus ergibt sich ein Pro-Kopf-Durchschnittsalter von 38,28 Jahren. Bei der Errechnung habe ich die Geburtsmonate der KandidatInnen nicht berücksichtig. D.h., alle, die erst noch Geburtstag haben, mussten hier der Einfachheit halber ein wenig älter gemacht werÂden. Da ich bei den vorherigen Bachmannpreis-Jahrgängen in derÂselben Weise verfahÂren bin, bleibt sich das im Verhältnis gleich.
Im Jahrgang 2015 sind lediglich zwei Twentysomethings vertreten. Die jüngste Kandidatin ist 23 Jahre alt, der älteste Kandidat wurde 1965 geboren. Dass Jahr für Jahr im Durchschnitt immer mehr älteÂre SchriftstellerInnen zur Wettbewerbsteilnahme eingeladen werÂden, ist mir persönlich sehr sympathisch – je älter ich werde.
In den nächsten »Bachmann-und-Brockmann-Folgen« werden wir uns genauer mit den eingeladenen Kandidaten und Kandidatinnen beschäftigen – aber keine Angst: Es wird nicht privatdetektivisch observiert oder gar gestalkt.
Taschenfarbe und Eröffnungsredner
Von der heutigen Pressekonferenz bleibt noch nachzutragen, dass die für manche zu einem begehrten Sammelobjekt gewordene Bachmannpreis-Tasche auch in diesem Jahr wieder schneeweißÂgrundig ist – das wird nun wohl auch so bleiben. Der alljährliche Farbwechsel bezieht sich fortan also nur noch auf die Beschriftung. Das Rot (2014) ist heuer einem Türkis gewichen. Ist es eher blau- oder grünstichig? Hätte ich eine Rot-Grün-Schwäche wüsste ich wahrscheinlich mehr. So muss ich einfach abwarten, bis ich sie am 1. Juli in den Händen und nah vors Gesicht halten kann.
Auf der am selben Tag stattfindenden TDDL-EröffnungsveranstalÂtung wird Peter Wawerzinek die »16. Klagenfurter Rede zur LiteraÂtur« halten. Der Bachmannpreisträger von 2010 hat seinem Vortrag den Titel: »Tinte kleckst nun einmal« gegeben. Das gefällt mir und erscheint reizvoll angesichts der mehrheitlich nur mit elektronischem Schreibgerät bewaffneten Gäste. Sicherheitshalber werde ich ein paar Blätter Löschpapier in meine Reisetasche packen.
Bleibt noch eine Neuerung zu vermelden, die das Procedere der Preisvergabe betrifft: Wurden bisher für jeden der vier zu vergebenÂden Jury-Preise die Kandidaten jeweils neu nominiert, wird fortan der Verlierer einer Stichwahl für den nächsten zu vergebenden Preis gesetzt. Damit soll das Risiko eingeschränkt werden, dass jemand, der oder die bei der Vergabe des Hauptpreises mit einer Stimme Rückstand unterlegen war, chancenlos bleibt und am Ende gar nichts bekommt. – Das gefällt mir auch.
Doris Brockmann
Nun ja, da es nun ja glücklicherweise kein Problem mehr darstellt, als Frau zu schreiben und zu veröffentlichen – nicht so wie zu Zeiten, da man Frauen und Schwarze ( http://de.memory-alpha.wikia.com/wiki/Jenseits_der_Sterne ) nicht als Autoren haben wollte und daher Identitäten verschleiert werden mussten – ist es wohl nun einfach so, dass insgesamt wohl mehr Frauen als Männer schreiben (und lesen) und auch, dass Frauen wohl eher Zeit zum Schreiben finden, auch weil es mehr Frauen als Männer in Teilzeit gibt. Als Mann würde ich gerne Teilzeit arbeiten und nebenbei schreiben, aber da muss sich die Gesellschaft wohl noch ein wenig entwickeln, dass dies auf einfachem Wege möglich ist.
Liebe Doris Brockmann,
Ihr Beitrag über die heurigen TDDL gefällt mir sehr gut: bestens recherchiert und ausgewertet und insbesondere sehr schwungvoll beschrieben und ansprechend präsentiert. Herzlichen Dank!
LG, B.