Näumanns NörgeleiEine Tasse Kaffee
Monatliches vom Café-Tisch - April 1998


Hofnarren

Näumann am Café-TischZurzeit greife ich morgens immer besonders gierig nach der Zeitung. Was mag er wohl diesmal wieder angestellt haben, unser Bonner Hofnarr? Mit welcher kecken Narretei wird er uns heute beglücken, schwarze Socke, Tankwart der Nation und ewiger Konfirmand Peter Hintze? Eifrig stößt er ins Horn, emsig rettet er unser Land vor dem Kommunismus und den Ökopaxen (in Kombination heißt das »Rotgrün«), bemüht sich redlich seinen dicken Chef würdig zu vertreten und das Herz aller Omis im Sturm zu erobern. Das schöne dabei ist, dass ihn weder Freund noch Feind ernst nimmt, sein Bugs-Bunny-Gesicht politisch völlig umsonst über die Mattscheibe flimmert und ihn das nicht einmal stört. Hintze ist eigentlich der Politiker der Neunzigerjahre, reduziert er doch die Politik auf den letzten Sinn, der ihr noch geblieben ist: ihren puren Unterhaltungswert. Vielleicht wird er ja mal neben »Mr. Bean« in Leo Kirchs gigantischem Filmarchiv schlummern.
     Wären doch nur alle wie Peter…
     Leider gibt’s da noch die anderen. Die, bei denen mir unweigerlich das Bild von furnierten rustikalen altdeutschen Schrankwänden, von Hirschgeweihen, Häckeldeckchen, Filzpantoffeln und Blümchentapeten vor Augen kommt, und dazu dieser spezifische Geruch von Kohl und Ungelüftet in die Nase steigt. Neulich trat ein bekannter Berliner Lokalpolitiker, von dem der Rest der Republik zum Glück bislang verschont blieb, in einer der unzähligen Fernseh-Talkrunden auf. Von ihm konnten wir einen schönen neuen Begriff lernen: Wissen Sie was ein »Empfänger staatlicher Transferleistungen« ist? Früher nannte man sie schlicht »Bezieher von Arbeitslosengeld« oder »Sozialhilfeempfänger«. Heute, in der Dienstleistungsgesellschaft, ist Armut zwar ein wachsendes Problem, dafür aber völlig out. Deshalb werden die Armen hygienisch in ein neues sauberes Tütchen verpackt, damit man sich an ihnen auch in einem Seminar für Nachwuchsmanager nicht mehr die Finger schmutzig zu machen braucht. So einfach ist das. Und sind die Abgeornetendiäten nicht auch so etwas wie »staatliche Transferleistungen«?

Johannes Näumann


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