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Amazon Publishing: Buchhandel diskreditiert sich durch Unwissenheit

Muss sich für die Zusammenrabeit mit Amazon rechtfertigen: KNV-Geschäftsführer Oliver Voerster (Foto: KNV)
Muss sich für die Zusammenarbeit mit Amazon rechtfertigen: KNV-Geschäftsführer Oliver Voerster (Foto: KNV)

Es gibt gute Gründe, warum man den Aktivitäten des Amazon-Konzerns kritisch gegenüberstehen kann und stehen sollte. Peinlich und zahnlos wird dies jedoch, wenn die Kritiker keine Ahnung von Amazons Aktivitäten haben.

So geschieht es aktuell nach der Ankündigung des Buchgroßhändlers KNV, künftig die deutschsprachigen Titel von Amazon Publishing ins Lager aufzunehmen. So der Buchhändler will, können diese Amazon-Titel dann in jeder Buchhandlung bestellt werden, die an den Großhändler angeschlossen sind.

Angst vor Amazon

Erwartungsgemäß wird diese Kooperation von vielen Buchhändlern kritisch gesehen – dumm nur, dass offenbar selbst die Chefs der großen Buchhandelsketten gar nicht wissen, was sie da kritisieren. Wer sein Geschäft so naiv betreibt, sollte wahrlich Angst vor Amazon haben.

Der Konzern Amazon ist auf vielen Feldern aktiv. Er liefert unter anderem Bücher, betreibt Webserver und bietet Dienstleistungen für Self-Publisher an.

Hinter dem Namen Amazon Publishing steckt der Verlagsbereich des US-Konzerns. Wie andere Verlage auch nimmt Amazon hier Autoren unter Vertrag, lektoriert die Texte und verkauft die Bücher wie ein Verlag. Wie bei Verlagen üblich, hat Amazon sogenannte Imprints erstellt, die bestimmte Themen abdecken. So gibt es beispielsweise die »Edition M« für Krimis und Thriller oder »Montlake Romance« für Liebesromane. In diesen Sub-Verlagen erscheinen hierzulande sowohl Titel deutschsprachiger Autorinnen und Autoren als auch Übersetzungen vorwiegend von US-Titeln ins Deutsche.

Keine Amazon-Verlagstitel im Buchhandel

Das Problem von Amazon ist jedoch, dass die Titel der eigenen Verlage bislang nur via Amazon selbst zu bestellen sind. Ein Problem ist dies aber auch für Leserinnen und Leser, wenn diese die Bücher beispielsweise bei einer Bekannten gesehen haben und nun in die Buchhandlung um die Ecke gehen, um das Buch zu kaufen. Dort sind die Titel nicht zu finden oder zu bestellen, da die Buchhändler keine Titel der Amazon-Verlage führen.

Mit der Ankündigung des Großhändlers KNV könnte sich dies nun ändern. Ab sofort sind die deutschsprachigen Titel von Amazon Publishing von jeder Buchhandlung zu bestellen, die an diesen Großhändler angeschlossen ist. Der Kunde muss seinem Buchhändler also nicht untreu werden und bei Amazon bestellen, und der Buchhändler verdient ebenfalls am Verkauf. Ein perfekter Kundenservice?

Offenbar nicht ganz, denn wenn der Name Amazon fällt, sehen viele Buchhändler rot, und man ruft zum Boykott auf oder attackiert im aktuellen Fall den Großhändler. So echauffieren sich in einem Artikel des Branchenmagazins Börsenblatt unter anderem Thalia-Chef Michael Busch und die Geschäftsführer der Ketten Osiander und Mayersche, Christian Riethmüller und Hartmut Falter, über den Amazon-KNV-Deal.

Doch die Herren wissen offenbar gar nicht, was Amazon Publishing ist. Denn im Artikel fällt oftmals der Begriff Self-Publishing. Doch mit Self-Publishing hat Amazon Publishing nichts zu tun. Self-Publishing findet bei Amazon im Unternehmenszweig KDP (Kindle Direct Publishing) oder beim Tochterunternehmen CreateSpace statt. Natürlich schaut sich Amazon für seine Verlagssparte auch im Teich der Self-Publisher um, um diese für Amazon Publishing zu gewinnen, doch das machen andere Verlage wie Droemer oder die Random-House-Verlage seit geraumer Zeit ebenfalls.

Falsches zu Falschem

Wird durch Fettung nicht richtiger: Self-Publisher binden sich nicht automatisch exklusiv an Amazon (Ausriss: boersenblatt.net)
Wird durch Fettung nicht richtiger: Self-Publisher binden sich nicht automatisch exklusiv an Amazon (Ausriss: boersenblatt.net)

Wenn Kritiker etwas kritisieren und deutlich wird, dass sie von der Materie keine Ahnung haben, dann wird es gefährlich. Und wie so oft, gesellen sich zu falschen Parallelen gerne weitere Fehler. So behauptet das Börsenblatt mit Wortfettung und rhetorisch verstärkt :

In der Tat: Selfpublisher, die bei Amazon veröffentlichen, binden sich exklusiv an den Konzern.

Das ist falsch. Amazon verlangt von Self-Publishern keinerlei Exklusivität. Im Gegenteil: Es ist gerade das Schöne, dass ein Self-Publisher gleichzeitig sowohl bei Amazon als auch bei Tolino veröffentlichen kann, weil keiner der Anbieter eine Exklusivität verlangt. Zwar kann man sich als Self-Publisher über das sogenannte KDP-Select-Programm minimal 90 Tage ausschließlich an Amazon binden, um von gewissen weiteren Vorteilen zu profitieren, zwingend ist dies jedoch nicht.

Wenn Kritiker falsche Dinge behaupten, stehen sie auf tönernen Füßen. Das wiederum hilft Amazon, weil die Kritik leicht als falsch und ideologisch begründet abgetan werden kann. Seine Gegner und Konkurrenten zu kennen, ist eine wichtige Sache im Wirtschaftsleben. Der Buchhandel hat Amazon offenbar bis heute nicht verstanden. Amazon Publishing hat mit Self-Publishing nichts zu tun. Selbst KNV-Geschäftsführer Oliver Voerster muss die Kollegen in einer Stellungnahme korrigieren: »Wer uns im Zusammenhang mit Selfpublishing kritisiert, scheint übersehen zu haben, dass wir mit Amazon Publishing zusammenarbeiten, einem Verlag mit einem Lektorat und festen Autoren, die derzeit mit ca. 800 Titeln in diesem Verlag vertreten sind«

Dabei gibt es durchaus gute Gründe, warum man kritisch auf diese Kooperation schauen sollte. Denn dahinter steckt die Angst des Buchhandels, dass womöglich die Leser die Amazon-Titel gegenüber den anderen Verlagstiteln bevorzugen könnten. Mit steigendem Marktanteil könnte Amazon in gewohnter Art irgendwann den Konditionen-Sack zuziehen und die Rabattspannen diktieren.

Kommen doch irgendwann die Self-Publisher?

Selbstverständlich muss man vorsichtig sein: Was wäre, wenn Amazon demnächst dem Großhandel tatsächlich auch die gedruckten CreateSpace-Titel der Self-Publisher zur Lagerung anbietet? Schließlich haben die Großhändler auch die erfolgreichen Titel anderer Print-on-Demand-Dienstleister auf Lager. Natürlich würde Amazon mit einem großzügigen Rabatt liefern, wie es der Konzern zu Beginn immer macht. Viele Leserinnen und Leser würde es freuen, wenn sie die Bücher der Self-Publisher auch gedruckt im Handel erhalten und nicht nur via Amazon. Aufgrund der Preisbindung würden diese dort sogar das gleiche kosten. Auch die Autorinnen und Autoren würde es freuen, wenn ihre via Amazon selbstverlegten Bücher im Buchhandel erhältlich wären. Dann bestünden weniger Gründe, warum Self-Publisher zu Verlagen wechseln sollten, die bislang immer anführen, dass nur sie die Titel in die Buchhandlungen bringen. Und hätten dann die hochpreisigen gebundenen Titel der Verlage noch eine Chance gegen die Paperback-Ausgaben der Self-Publisher?

Dies sind viele offene Fragen, denen der Buchhandel tatsächlich nachgehen muss, denn es zeigt sich durchaus, dass man eine Linie KNV, Amazon Publishing, Amazon Self-Publishing ziehen könnte.

Doch es ist nicht hilfreich, die Diskussion erhitzt und mit falschen Behauptungen zu führen, weil man sich den Blick auf die eigentliche Gefahr verstellt.

Wolfgang Tischer

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2 Kommentare

  1. …es ist aber auch ein Gerücht, das ich in jeder Buchhandlung jedes x-beliebige Verlags-Buch bestellen könnte. Ich kenne genug Buchhandlungen die ihren Kunden nichts bestellen, die verweisen auf das was sie da haben und fertig. Die einzige Buchhandlung, die es versucht hätte mir ein x-beliebiges Buch zu organisieren, hat schon vor Jahren Pleite gemacht.

  2. Amazone ist so unendlich reich, hat so viel Geld übrig zurückgesandte Ware einfach mal so in den Müll zu werfen und jetzt geht man her und, so sehe ich das, macht man die Buchläden Deutschlands kaputt, weil jemand wie ich viele Bücher nur über Amazone kaufen muss weil der Buchladen sie nicht bekommt.

    Gier ist das einzige Wort das mir einfällt zu so einem Verhalten.

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