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Zuschussverlage: Schwarzwälder Bote weckt falsche Hoffnung

Halbseitiger Beitrag im Schwarzwälder Boten vom 9./10. Mai 2020

Es ist wichtig, Schreibanfängern zu vermitteln, dass Unternehmen, die vom Autor Geld wollen, keine echten Verlage sind. Umso verheerender ist ein Artikel im Kulturteil des Schwarzwälder Boten, der naiv und unreflektiert einem Zuschussverlag eine Bühne gibt – ohne journalistische Einordnung und Distanz.

Bereits die Herkunft des Wortes ist eindeutig: Verlag kommt von vorlegen. Ein Verlag ist ein Wirtschaftsunternehmen, das daran glaubt, den Text einer Autorin oder eines Autors verkaufen zu können, dass es dafür einen Markt, also zahlende Leser gibt. Dafür wiederum zahlt der Verlag dem Autor ein Honorar. Der Verlag geht in Vorleistung und trägt das Risiko, wenn das Buch floppt.

Nur so arbeiten echte, faire Verlage. Die Autorenverbände und auch das literaturcafe.de versuchen, dies insbesondere Schreibanfängern immer wieder klar zu machen, damit sie nicht über den Tisch gezogen werden, damit sie nicht von billigen Versprechen getäuscht werden. Getäuscht von Unternehmen, die sich zwar Verlag nennen, die aber keinerlei Risiko eingehen und mehr oder weniger alles verlegen, solange der Autor zahlt.

Diese Verlage mögen es oft nicht, wenn man sie als Pseudoverlage, Bezahlverlage oder Zuschussverlage bezeichnet, dabei ist bereite der letzte Begriff schon ein Euphemismus, denn der Autor zahlt oftmals alles und bei weitem keinen »Zuschuss«. Diese Unternehmen bezeichnen sich lieber als »Dienstleisterverlage« oder »Privatverlage«. Letzteres klingt seriös und elitär, heißt aber übersetzt lediglich: Wir drucken fast alles, solange es der Autor bezahlt. Null Risiko für den Verleger. Die Abzocker der Branche Verlagen von naiven Autoren bis zu fünfstellige Beträge – gerne in Raten zu bezahlen.

Auf der anderen Seite muss betont werden, dass es an sich nicht automatisch unseriös ist, wenn Autoren Geld für ihre Veröffentlichung zahlen. Seitdem »Self-Publishing« boomt, sind die Grenzen fließend geworden. Self-Publisher kaufen sich Dienstleistungen wie Lektorat oder Covergestaltung hinzu. Dienstleister wie BOD oder epubli sorgen gegen Provision oder Bezahlung für Druck und Vertrieb.

Das Problem beginnt immer dann, wenn der Eindruck erweckt wird, dass das Bezahlen bei Verlagen normal sei. Mit Milchmädchenrechnungen wird den Autoren vorgegaukelt, dass der »Zuschuss« bei soundsoviel verkauften Exemplaren rasch wieder drin sei. Und problematisch wird es, wenn die Bezahlverlage den Autoren Hoffnung auf den großen Erfolg machen, große Namen und Autoren nennen. Der Autor hofft, träumt – und zahlt bereitwillig. Die Abzocker unter den Zuschussverlagen lassen sich die Träume mit hohen Summen bezahlen oder kaschieren die Zuzahlung als überteuerte Mindestmengen, die der Autor abkaufen muss. Wenn der Autor später böse erwacht, nichts verkauft, Altpapier im Keller hat, ist es nie die Schuld und das Risiko des »Verlages«. Erfolg ist im Buchhandel schlecht planbar. Pech gehabt. Es war dann eben doch nicht der nächste Harry Potter.

Und damit kommen wir zum »Schwarzwälder Boten«, der großen Regionalzeitung im Südwesten Deutschlands, die zur Südwestdeutschen Medienholding SWMH gehört (wie auch Stuttgarter Zeitung oder Süddeutsche Zeitung).

Seit Jahren fallen in den Regionalteilen von Zeitungen wie dem Schwarzwälder Boten Berichte über vermeintliche Bucherfolge von jüngeren und älteren Debütautoren unangenehm auf. Die halten dann ihren Fantasyroman oder die Lebenserinnerungen stolz lächelnd in die Kamera. Endlich, endlich, nach vielen Absagen, haben sie einen Verlag gefunden, und demnächst werde ihr Werk sogar auf der Buchmesse ausgestellt. Was in den Berichten leider nie steht: Der Verlag ist oft kein »echter« Verlag, der unglaubliche Bucherfolg beruht nicht auf Talent oder Können, sondern auf Bezahlung. Meist kann man froh sein, wenn der Name des »Verlags« im Beitrag nicht erst erwähnt wird, damit ihm nicht noch mehr Naive in die Arme laufen.

Doch dies stellt alles in den Schatten gegenüber dem, was sich der Schwarzwälder Bote im überregionalen Kulturteil in seiner Ausgabe vom Samstag, 9. Mai 2020 leistet. Es beginnt bei der problematischen Überschrift »Es muss nicht gleich ein Harry Potter sein«.

Auf über einer halben Seite darf im redaktionellen Teil ein Zuschussverleger seinen Verlag anpreisen. Er »ermögliche vielen Jungautoren den Einstieg in die Verlagswelt«, heißt es da über den »Verleger«. Es ist von »verlegerischem Handeln« die Rede, von Autoren, die zuvor 26 Verlage kontaktiert hätten, bevor just jener Verleger »persönlich angerufen« habe. Er sei der »Kümmerer unter den Verleger«. Dass es in diesem Verlag nicht um hochwertige Texte geht, wird »zart angedeutet«. Und am Schluss darf der Verleger sein Bedauern ausdrücken, wenn »Autoren nach unserer Unterstützung später zu einem größeren Verlag abwandern.«

Hach, so viel Selbstaufgabe, so viel Einsatz für die Autorinnen und Autoren, denen mitunter die »Rechtschreibkompetenz« fehle. Über die Höhe der Auflagen möchte der Verleger nicht gerne reden. Dass Autorinnen und Autoren für die Veröffentlichung zahlen müssen, wird im Beitrag sogar erwähnt. Hier wird es als »Einstandsbetrag« umschrieben und bereits im Zeitungsartikel in Anführungszeichen gesetzt.

Der beschriebene Stuttgarter Verlag ist als Zuschussverlag bekannt und taucht auf den Listen der Portale auf, die vor solchen »Verlagen« warnen. Er dürfte jedoch eher nicht zu den schwarzen Schafen und Abzockern der Branche gehören, die Tausende von Euros als »Einstandsbetrag« verlangen.

Ein journalistisch gut geschriebener Beitrag über ein Unternehmen, das sich »Verlag« nennt und sich die Veröffentlichung dennoch von Autorinnen und Autoren bezahlen lässt, hätte durchaus interessant sein können. Denn es mag Autoren geben, die sich bei einem solchen »Verlag« durchaus wohlfühlen. Selbstwertgefühl gegen Bezahlung.

Doch dem Bericht des Schwarzwälder Boten fehlt jegliche journalistische Distanz und Einordnung. An keiner Stelle wird erwähnt oder problematisiert, dass es sich hier nicht um einen »echten« Verlag handelt. Wie es die Zuschussverlage selbst gerne machen, suggeriert der Beitrag des Schwarzwälder Boten, dass vom Autor bezahlte Verlagsarbeit völlig normal und selbstverständlich sei. Er treibt naive und marktunkundige und Autoren in die Arme dieser Verlage – oder der schlimmen Abzocker der Branche, weil ein »Zuschuss« oder »Einstandsbetrag« schließlich normal sei, denn es stand ja in der Zeitung.

Vom ausbleibenden Erfolg, enttäuschten Hoffnungen, dem Kopfschütteln der Experten, dem zu viel gezahlten Geld und darüber, wie der Buchmarkt und verlegerische Arbeit wirklich funktionieren, stand da nichts.

Wolfgang Tischer

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6 Kommentare

  1. Solche Artikel sind so ärgerlich. Alle seriösen Berater warnen vor Druckkostenzuschussverlagen, klären auf und zeigen Alternativen. Und dann kommt ein Blättchen daher und macht mit einem Artikel die Bemühungen zunichte. Man kann es nicht oft und laut genug sagen: Liebe Autorinnen und Autoren, mach euch schlau! Wenn ein Verlag Geld von euch haben will, ist in der Regel etwas faul an der Sache. Lasst euch beraten von jemandem, der sich auskennt. Sonst landet man schnell in teuren Verträgen, und das ohne irgendeine sinnvolle Gegenleistung zu bekommen.
    Danke an Wolfgang Tischer für die beharrliche Aufklärungsarbeit!

    • Sehr geehrte Frau Roth,
      unser Artikel dient dazu, auf den Umstand hinzuweisen, dass es gerade in kleineren Zeitungen solche Beiträge mit steter Regelmäßigkeit immer wieder ins Blatt schaffen. In diesem Fall wiegt das doppelt schwer, weil es nicht in einem Regionalteil, sondern im überregionalen Kulturteil der Zeitung passiert ist. Der Artikel ist zudem der Anlass, wieder einmal auf den Unterschied zwischen »echten« Verlagen und Zuschussverlagen hinzuweisen. Nicht selten werden solche Beiträge von den Zuschussverlagen verwendet, um das Logo des Mediums auf der eigenen Website zu platzieren, um die vermeintliche Seriosität zu unterstreichen. Bekannt aus Funk und Fernsehen – und der Zeitung. Ich habe nicht weiter recherchiert, wie es zu diesem Artikel kommen konnte, weil es hier nicht relevant ist. Es ist ein überaus peinlicher Artikel, der letztendlich auf die gesamte Zeitung zurückfällt. Ich gehe davon aus, dass die Info die Redaktion erreichen wird bzw. erreicht hat. Ich weiß, dass einige seriöse Verlage sich beschweren wollen. Das ist gut. Wenn Sie sich dazu auch auf diesen Beitrag im literaturcafe.de beziehen, dann natürlich gerne.
      Herzliche Grüße
      Wolfgang Tischer

  2. Lieber Wolfgang Tischer,

    gut, dass Sie diesen obskuren Artikel publik machen. Aber leider nennen Sie weder Ross noch Reiter! Wie heißt dieser DKZV? Wie heißt der “Verleger”? Und kommen Sie mir ja nicht mit rechtlichen Bedenken. Entweder, der besagte DKZV ist einer oder eben nicht. Also können Sie alle unbedarften Neulinge ganz konkret – zumindest vor diesem DKZV – warnen.
    Oder ist das Feigheit vor dem Feind?

    Werner Karl – freier Autor

    • Sehr geehrter Herr Karl,
      natürlich bestand die Überlegung, »Verlag« und »Verleger« im Beitrag zu nennen. Ich habe mich dann aber in diesem Fall bewusst dagegen entschieden. Denn tatsächlich ist es hier die Verfehlung des Schwarzwälder Boten, auf die hingewiesen werden muss. Eine Verfehlung, die leider für viele Regionalzeitungen üblich ist. Der porträtierte »Verlag« ist eher ein kleiner Fisch. Dass er Geld nimmt, dass die Qualität der Publikationen nicht sehr hoch und die Auflagen eher gering sind, wird sogar erwähnt. Eine bewusste Täuschung in diesem Sinne ist weder dem »Privatverlag« noch dem Beitrag vorzuwerfen. Es geht um die fehlende journalistische Einordnung dieser Art von Unternehmen und dass einem Zuschussverlage eine große Werbebühne geboten wurde, die ein falsches Bild der Verlagsarbeit zeichnet. Daher spielt der Name keine Rolle.
      Herzliche Grüße
      Wolfgang Tischer

  3. Guten Morgen,
    das Problem mit den Zuschussverlagen ist immer wieder aktuell. Dennoch frage ich, warum es dazu kommt, dass Manuskripte von den “guten” Verlage erstmal abgelehnt werden, um dann später doch ein Bestseller zu werden. Beispiele gibt es genug. Viele Literaturagenten lehnen die Zusendung von Kurzgeschichten, Erzählungen und Lyrik ab, weil ” es sich nicht rechnet”. Namhafte Autoren haben eben diese Art von Texten geschrieben bevor sie bekannt wurden. Hier scheint sich tatsächlich eine Publikationslücke aufzutun, die aber durch selfpubishing geschlossen werden kann. Wobei die Qualitätsfrage der Texte hier sicher nicht zufriedenstellend gelöst wird. Geld verdienen mit Texten ist nichts ehrenrühriges. Lektoren, Agenturen, coaches, Kritiker tun es, alle tun es. Neuerdings auch Drogeriemarktbesitzer- aber seit jeher auch Tisch(l)er, die die Schubladen bauen, in denen die Texte verschwinden.

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