
Irgendetwas stimmt nicht im schmalen Roman von Anne de Marcken. Es liegt nicht daran, dass die Erzählerin ein Zombie ist. Nein, es ist der Text selbst, an dem einiges nicht stimmt. Liest man das englische Original, stellt man fest, wie schlampig, ungenau und schlecht die deutsche Übersetzung ist, obwohl sie von einem Büchnerpreisträger stammt.
Holpriger Start
Es beginnt beim vierten Satz. Im ersten ist der Erzählerin der Arm abgefallen, und nun befürchtet sie drei Sätze später, ihr Gleichgewichtssinn könnte dadurch beeinträchtigt sein. Aber warum? Der wird, wie wir aus dem Biologieunterricht wissen, doch im Ohr gesteuert und nicht im Arm. Ist nicht eher das Gleichgewicht im Allgemeinen gemeint? Haarspaltereien, aber einem guten Autor sollte so etwas nicht passieren.
Irgendwann später wird ein Hemd in den Gürtel gesteckt. Wie soll das gehen? Man kann es in die Hose stecken oder meinetwegen unter den Gürtel. Aber in den Gürtel? Der Text von Anne de Marcken ist scheinbar voll von solchen Ungenauigkeiten.
Fremd und fehl am Platz
Einige Wörter wirken wie Fremdkörper. Die Protagonistin spricht von »Neuheit und Reduktion«. Das Fremdwort irritiert. Würde man bei einem fehlenden Arm nicht eher von Verlust sprechen?
Die letzte Szene einer Fernsehserie hat die Protagonistin »aufgewühlt«. Ein etwas antiquierte Wort, das man eher in einem Jane-Austen-Roman erwarten würde als in einem Zombie-Roman des Jahres 2025.
Von einer Baseball-Uniform ist die Rede. Doch spricht man beim Sport eher weniger von Uniformen. Warum nicht einfach nur Baseball-Kleidung?
Man ist geneigt, der Autorin sprachliches Unvermögen zu attestieren. Überall holpert und rumpelt es. Es fehlt die stringente Erzählstimme. Immer wieder lassen einen Wörter und Worte aus dem Text fallen. Dabei würde man sich so gern auf die Geschichte einlassen.
Zombies und ihre Möglichkeiten
Denn Zombies, das wissen wir spätestens seit den Filmen von George A. Romero, sind nicht nur untote seelenlose Monster, sondern eine Metapher für so vieles. Man denke an die Zombies im Kaufhaus. Der Zombie als philosophische Metapher.
»Zombies, das waren früher Drogensüchtige, oder Leute vorm Fernseher, vor Spielkonsolen. Jetzt sind Zombies Zombies. Und Konsumenten Konsumenten.«, heißt es in Anne de Marckens Roman, der in der Welt der »echten« Zombies spielt. Anders als bei Romero, sind es hier jedoch keine vom Fleischgeruch angelockte torkelnde Seelenlose. Bei de Marcken können die Zombies miteinander sprechen. Sie erinnern sich an ihr früheres Leben. Mitchem will ihr Anführer sein. Er predigt auf einem Beistelltisch stehend und entwickelt seine eigene Zombie-Philosophie: »Er findet, dass wir die Apotheose des Menschlichen sind. Und dass wir weder die Toten noch die Lebenden beneiden sollten.«
Irgendwann macht sich die untote Ich-Erzählerin auf den Weg nach Westen, ans Meer.
Blick ins Original
Und natürlich hat man sich längst das englische Original aus dem Jahr 2024 heruntergeladen, weil man wissen möchte, ob der Text auch hier so rumpelt. [Nachtrag: Kurz nach dieser Besprechung war das Original als E-Book im deutschen Amazon-Shop nicht mehr erhältlich.]
Natürlich nicht!
Tatsächlich ist dort nur von Gleichgewicht (balance) die Rede. Das Hemd wurde in die mit einem Gürtel zugezerrte Hose gesteckt. Das Ende der Serie ist »moving«, also eher bewegend oder berührend.
Das »Gefühl von Neuheit und Reduktion« ist im Original »a sense of newness and lessness«, was eleganter klingt, aber natürlich eine herausfordernde Wortneuschöpfung ist. »Ein Gefühl von neu sein und weg sein« könnte den Binnenreim besser treffen. Es ist immer eine Entscheidung des Übersetzers, welche deutsche Sprachmelodie er finden möchte, die in sich stimmig ist. Doch hier ist sie es nicht. In diesem Fall stammt die Übersetzung von keinem Geringerem als Clemens J. Setz – Büchnerpreisträger, gefeierter Romancier (zu Recht!) und Lyriker. Umso erstaunlicher, dass seine deutsche Version streckenweise wie eine Rohfassung wirkt.
Wie eine Rohfassung
Und dann beginnt man, Satz für Satz zu vergleichen und muss erst recht feststellen, dass die deutsche Übersetzung wie ein Entwurf erscheint. Wenn die Zombie-Erzählerin im Original lakonisch-ironisch feststellt, dass sie keine einzige lebende Janice kannte und dafür jetzt gleich drei (»Isn’t it strange that I never knew a single living Janice and now I know three?«), wird daraus ein unpräzises und nominales »Ist es nicht sonderbar, dass ich im Leben nie eine Janice kannte, aber jetzt auf einmal drei?«
»Revival« wird zunächst nicht mit »Wiederbelebung« übersetzt, als sei es die Wiedervereinigung einer Band. Oder wenn es heißt »Ich muss an einen Schönheitswettbewerb denken, das Überreichen der Gewinnerschleife. Miss Congeniality. Miss America.«, dann fragt man sich, ob der Übersetzer bewusst nicht den deutschen Filmtitel »Miss Undercover« verwendet, oder geht er davon aus, dass wir alle wissen, dass der Film mit Sandra Bullock im Original »Miss Congeniality« heißt? So könnte man endlos weitermachen …
Derzeit wird viel darüber diskutiert, ob KI bald Übersetzerinnen und Übersetzer überflüssig macht. Mit dieser Übersetzung hat der Suhrkamp Verlag der Zunft einen Bärendienst erwiesen. Übrigens. Das Covermotiv der deutschen Ausgabe stammt von der KI Midjourney.
Fazit
Wer kann, sollte »It lasts Forever and Then It’s Over« auf jeden Fall im Original lesen. Dann liest man – so man sich auf die Zombie-Welt einlassen möchte – einen herrlich ironischen und in seinen Beobachtungen sprachlich fein gearbeiteten, tagebuchartigen Text aus der Zwischenwelt der Untoten, in der Version von Anne de Marcken. Ein Buch, dass am Ende nochmal richtig alle Register zieht und überaus aufwühlend ist.
Wolfgang Tischer
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Das englische Original ist leider als E-Book in Deutschland kurz nach dieser Buchbesprechung nicht mehr downloadbar.


Auch die Beteiligung eines Nobelpreisträgers für Literatur garantiert keine ordentliche Übersetzung … Siehe die Übersetzung von „The tree of Man“ (Patrick White) von Annemarie und Heinrich Böll unter dem Titel „Zur Ruhe kam der Baum des Menschen nie“. Schon die ersten beiden Absätze sind voller Ungenauigkeiten.