Eltern, die ihr Kind verhungern lassen, sind ein boulevard-medialer GlĂĽcksfall. Betroffen kann man die Frage nach dem »Warum?« stellen und sich ĂĽber das auflagenfördernde Interesse der Ă–ffentlichkeit freuen. Die Frage lässt sich nicht beantworten. Doch gerade das macht sie so faszinierend-interessant, und darĂĽber hinaus darf man sich an der eigenen Abscheu erfreuen. »Hast du das gelesen? Unglaublich, dass sowas in Deutschland… da mĂĽssen doch die Behörden…«
Wie sowas passieren könnte, ist Michael Kumpfmüller in seinem 2003 erschienen Roman »Durst« nachgegangen. Mit einer nüchternen sachlichen Sprache schildert er in seinem Buch, wie es dazu kommt, dass eine Mutter ihre beiden Söhne in der Wohnung verdursten lässt. Wir weisen daher aus aktuellem Anlass auf unsere Buchbesprechung von damals hin.
Die Frage lässt sich nicht beantworten, aber die Lektüre von Kumpfmüllers Buch ist erhellender und intelligenter als die B***-Zeitung.
Michael Kumpfmüller: Durst: Roman. Gebundene Ausgabe. 2003. Kiepenheuer&Witsch. ISBN/EAN: 9783462033168. 12,95 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Michael Kumpfmüller: Durst: Roman. Taschenbuch. 2006. FISCHER Taschenbuch. ISBN/EAN: 9783596158010. 8,95 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Michael Kumpfmüller: Durst: Roman. Kindle Ausgabe. 2012. Kiepenheuer & Witsch eBook. 8,49 € » Herunterladen bei amazon.de Anzeige
„Eltern, die ihr Kind verhungern lassen, sind ein boulevard-medialer GlĂĽcksfall“. Diesen Satz wĂĽrde ich ganz, ganz schnell reformulieren. Er ist nur bei einer sehr, sehr wohlwollenden Lesart noch akzeptabel und er wird ein „GlĂĽcksfall“ fĂĽr alle werden, die dem Literaturcafe boulevard-medial schaden möchten…
Ich finde auch, dass dieser Satz durchaus seine Berechtigung hat. Mir geht das Betroffenheitsgetue auch auf den Wecker. Das hat mit der abscheulichen Tat selbst ĂĽberhaupt nichts zu tun.
Zwei Alltagsfacts:
1.: Es werden in Deutschland mehr Kinder getötet als im gesamten Nahen Osten insgesamt, in jedem Vergleichsjahr.
2.: Der Nahe Osten allerdings ist ein Kriegsgebiet, ĂĽber das man in Deutschland gerne herablassend den Kopf schĂĽttelt.
Shalom.