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Videospiel »Horizon – Forbidden West«: Hier erzählt die Üppigkeit

Horizon – Forbidden West: Hauptcharakter Aloy muss die Welt retten (Bild: Screenshot/PS4)
Horizon – Forbidden West: Hauptcharakter Aloy muss die Welt retten (Bild: Screenshot/PS4)

Das Videospiel »Horizon – Zero Dawn« setzte 2017 Maßstäbe und erzählte eine postapokalyptische Geschichte aus dem 31. Jahrhundert. Kann der zweite Teil »Forbidden West« daran anknüpfen? Charaktere und Nebengeschichten sind komplex gezeichnet. Wäre da nicht die einfallslose Haupthandlung.

Egal, ob Film, Serie oder Buch: Fortsetzungen sollen den Fans gefallen und im Idealfall auch die begeistern, die den vorherigen Teil nicht kennen. Man muss den Neuen erklären, was bisher geschah, ohne die Fans zu langweilen.

Im Fall des zweiten Teils des Videospiels »Horizon« kommt eine weitere Gruppe von Menschen hinzu: Diejenigen, die vor fünf Jahren den ersten Teil gespielt haben und den Großteil der Handlung und der Charaktere wieder vergessen haben.

Wartet darauf, erkundet zu werden: die üppige Welt von Horizon (Bild: Screenshot/PS4)
Wartet darauf, erkundet zu werden: die üppige Welt von Horizon (Bild: Screenshot/PS4)

Bei »Horizon – Forbidden West« kommt man sich oftmals vor, als begrüßen einen auf der Straße freudestrahlend alte Bekannte, an die man sich nur verschwommen erinnert. Irgendwo hat man das Gesicht schon mal gesehen und man erinnert sich dunkel.

Natürlich kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass es in 95 Prozent aller Videospiele darum geht, im Alleingang die Welt zu retten. Die Handlung ist egal.

Auch »Horizon« zählt zu diesen 95 Prozent, doch setzte »Zero Dawn« im Jahre 2017 Maßstäbe. Was Hauptfigur und Spielewelt angeht, zählt es zu den Meilensteinen der Videospielgeschichte, an die man sich lange erinnert. Nur eben nicht an die vielen Details und Nebenfiguren

Bildergalerie: Spiel mit Büchlein

Die weibliche Hauptfigur Aloy wurde oftmals mit Lara Croft verglichen. Auch Aloy kämpft, schießt, klettert, spricht und springt gegen das Böse an. Allerdings mit weniger Oberweite und weniger engen Kleidern. Aloy ist nicht die tief dekolletierte Frauenfigur in Lack und Leder, die oft in Videospielen zu sehen ist. Aloy hat keine markigen Sprüche drauf und agiert bescheiden normal. Als Spielerin oder Spieler ist man Aloy und steuert diese Spielfigur in der Außenperspektive.

Elisabet Sobeck (links) ist irgendwie Mutter, Schwester und Klon von Aloy, doch trennen sie 1.000 Jahre (Bild: Screenshot/PS4)
Elisabet Sobeck (links) ist irgendwie Mutter, Schwester, Doppelgängerin und Klon von Aloy, doch trennen sie 1.000 Jahre (Bild: Screenshot/PS4)

Die Handlung von »Horizont – Forbidden West« spielt rund ein halbes Jahr nach dem ersten Teil. Die Welt, wie wir sie kennen, ist untergegangen. Die Natur hat sich Gebäude, Rolltreppen, Autos und Autobahnen zurückerobert. Alles hat den Charme von Lost Places. Immer wieder tauchen im Gestrüpp Figuren aus der Vergangenheit als holografische Projektionen auf. Dass solche Projektionen in allen Videospielen verzerrende Artefakte aufweisen, scheint zu den Klischees des Genres zu gehören. Ein Unternehmer, der als Projektion im T-Shirt auf einer überwuchernden Bühne steht und von der Evakuierung der Menschheit in den Weltraum spricht, ist eine kleine Anspielung auf Musk und Bezos.

In den Ruinen der untergegangenen Welt tauchen immer wieder Figuren der Vergangenheit als Hologramme auf (Bild: Screenshot/PS4)
In den Ruinen der untergegangenen Welt tauchen immer wieder Figuren der Vergangenheit als Hologramme auf (Bild: Screenshot/PS4)

Um in die Handlung des zweiten Teils reinzukommen, kann man in einem digitalen Notizbuch umfangreiche Biografien der Charaktere abrufen. Hin und wieder hören wir im Spiel die Floskel schlechter Romane, wenn Figuren hinlänglich Bekanntes erzählen: »Wie du weißt, …«

Man kann das auch alles ignorieren, da die Haupthandlung schlichtweg egal ist. Irgendwas mit Welt retten. Irgendwie ein Backup einer künstlichen Intelligenz im Verbotenen Westen suchen, womit der Westen der ehemaligen USA gemeint ist. Nichts ist originell am Hauptplot. Das Setting der Welt und die Geschichte Aloys jedoch schon. Denn Aloy ist die geklonte Kopie einer Wissenschaftlerin, die vor 1.000 Jahren das Gute wollte und doch am Untergang nicht unschuldig war. Immer wieder taucht auch sie 1.000 Jahre später als Hologramm oder in den Träumen von Aloy auf. Sie ist eine Mutter-Figur, obwohl sie Aloy wesentlich näher ist als eine Mutter oder Schwester. Eine interessante Konstellation.

Bereits die vielen Rüstungen und Kostüme der Charaktere sind unglaublich Detailreich gestaltet (Bild: Screenshot/PS4)
Bereits die vielen Rüstungen und Kostüme der Charaktere sind unglaublich detailreich gestaltet (Bild: Screenshot/PS4)

Die »Horizon«-Spiele – nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Rennspielserie – gehören zum Open-World-Genre, wie z. B. GTA oder Red Dead Redemption. Man darf sich als Neuling nicht von der Einführung und dem Spiele-Tutorial irritieren lassen. Für knapp eine Stunde läuft man zunächst durch schlauchförmige Level und erwirbt die wesentlichen Kenntnisse zur Steuerung der Spielfigur und der Spielmechanik. Erst nach einem filmischen Vorspann öffnet sich die Welt und Aloy kann frei agieren. Was man in dieser Welt mittlerweile tun und lassen kann, ist beeindruckend. Die Üppigkeit der Spielwelt lässt einem oftmals den Mund offenstehen. Die Natur ist atemberaubend gestaltet. Details wie umherfliegende Insekten und vom Wind bewegte Objekte lassen alles noch natürlicher wirken. Man kann sich bereits darin verlieren, die unglaublich fantasievollen Kostüme, Uniformen, Kriegsbemalungen der Personen zu bestaunen. Selbst Nebenfiguren beeindrucken durch ihr eigenes Wesen. Auch die vielen, vielen Nebenhandlungen sind in »Horizon – Forbidden West« ideenreich und fantasievoll aufgebaut und nie plump wie in anderen Spielen, in denen man Ort x aufsuchen muss, um dort etwas zu holen, um dann wieder zurückzukehren. In »Horizon« erzählen Nebenhandlungen oftmals die interessanteren Geschichten.

Open-World-Fans können sich am Aufbau der Fähigkeiten von Aloy erfreuen, und die Kämpfe gegen die Maschinentiere sind ebenfalls üppiger und spektakulärer als im ersten Teil. Wer das nicht will, kann sich auf die Handlung konzentrieren und jederzeit im Spiel die Schwierigkeitsstufe runter- und hochsetzen.

Allerdings haben die Macher im zweiten Teil der Geschichte ein Manko der Erzählmechanik nicht geändert: Es wird unglaublich viel gelabert. Figuren erzählen wichtige und unwichtige Dinge in ewig langen Dialogen, die mit einer uninspirierten Kameraperspektive langweilig inszeniert sind. In »Red Dead Redemption« beispielsweise ist dies besser gelöst, indem man Dinge nebenbei erzählt bekommt, während man ohnehin von A nach B reiten muss.

Schnell lernt man, dass das einfallslose Gelaber nicht wirklich interessant ist und – zum Glück – nahezu verlustfrei übersprungen werden kann. Was auf Basis des Gesprächs zu tun ist, wird ohnehin als Aufgabe angezeigt.

Fazit: Was erzählt »Horizon – Forbidden West« Neues?

Aloy auf dem Weg in den Verbotenen Westen (der ehemaligen USA) (Bild: Screenshot/PS4)
Aloy auf dem Weg in den Verbotenen Westen (der ehemaligen USA) (Bild: Screenshot/PS4)

Es gibt wenig Neues in zweiten Teil von »Horizon« – und das ist gut so. Alles ist üppiger, detailreicher, beeindruckender als im ersten Teil. Erzählerisch und in Sachen Erzähltechnik führt »Forbidden West« ebenfalls nichts Neues ein. Dass man emotional in diese Welt eintaucht, dafür sorgen in erster Linie die gut gezeichneten Charaktere und Nebenhandlungen.

Wolfgang Tischer

Horizon Forbidden West - (kostenloses Upgrade auf PS5) - [PlayStation 4]. Videospiel. Sony Interactive Entertainment. ISBN/EAN: 0711719718291. 29,99 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige

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