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Vermählung von Liebe und Gewalt: »Der Schädelbohrer von Fichtenwald« von Louis Ferron

Cover: Der Schädelbohrer von Fichtenwald

Gibt es eine Vermählung von Liebe und Gewalt? Sind beide so unterschiedlich, wie es den Anschein hat, oder kann Liebe in Gewalt münden oder sogar in ihr zu erkennen sein? Das Buch »Der Schädelbohrer von Fichtenwald oder Die Metamorphosen eines Buckligen« von Louis Ferron setzt sich mit dieser Frage auseinander.

Der niederländische Schriftsteller erschuf ein Werk, das Motive aus dem Drama »Penthesilea« von Heinrich von Kleist in ein fiktives Konzentrationslager im Nationalsozialismus überträgt. Das Buch ist dabei aufgeteilt in drei Aufzüge mit unterschiedlichen Akten und zwei Zwischenspiele. Die Anlehnung an die Form des Theaters ist gut gelungen, da die Handlungen der einzelnen Akte – wie bei unterschiedlichen Szenen – in sich abgeschlossen sind.

Louis Ferron (1942 – 2005) war ein Autor, der sich in seiner literarischen Tätigkeit viel mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzte. Ferron erhielt zahlreiche Auszeichnungen u. a. den Constantijn-Huygens-Preis für sein Gesamtwerk (2001). »Der Schädelbohrer von Fichtenwald« erschien 1976 in den Niederlanden. Die deutsche Übersetzung von Ulrich Faure wurde 2023 von Verlag Das Kulturelle Gedächtnis aufgelegt.

Im Mittelpunkt des Buches steht Friedolien, ein ehemaliger Barpianist, der im Sanatorium Fichtenwald die Anerkennung der Nationalsozialisten sucht, aber aufgrund seiner körperlichen Beeinträchtigung immer wieder Schmähungen und Häme ausgesetzt ist.

Louis Ferron erzählt aus der subjektiven Sicht des Erzählers eine erschreckende Geschichte. Das wechselnde Schicksal des Protagonisten beleuchtet die Figuren des Romans aus verschiedenen Perspektiven und diese werden dadurch vielschichtig und interessant.

So wie eine eindeutige Einordnung in Schwarz und Weiß, in Gut und Böse nicht immer einfach ist, verschwimmen auch die Grenzen von Liebe und Gewalt innerhalb dieser Charaktere und bekräftigen so das Motiv aus dem Drama Heinrich von Kleists. Zugleich bricht Ferron den Ernst des Themas mit gekonntem Wortwitz auf.

Das Buch hat etwas gewagt, was es bisher nicht oft gab: Eine Geschichte aus der Zeit des Nationalsozialismus aus der Perspektive eines Täters zu schreiben. Dadurch hat man beim Lesen oft ein mulmiges Gefühl, obwohl – oder vielleicht gerade weil – man die zum Teil grotesken Situationen und den Wortwitz des Autors genießen kann. Dennoch gelingt es dem Buch, die Geschehnisse in der Geschichte und die Ansichten der Figuren einzuordnen. Das Buch überzeugt sowohl inhaltlich wie sprachlich.

In einer Zeit, in der es immer weniger Augenzeugen des Geschehenen gibt, ist es umso wichtiger, sich mit dieser furchtbaren Thematik zu beschäftigen, damit sie niemals in Vergessenheit gerät. Louis Ferron hat hierfür einen außergewöhnlichen Weg gewählt, den er mit seinen schriftstellerischen Fähigkeiten meistert und mit einer Mischung aus starken Aussagen und humoristischen Formulierungen schmückt. Eine gute und sinnvolle Übersetzung, die eine klare Leseempfehlung verdient.

Matthias Reimers

Louis Ferron; Ulrich Faure (Übersetzung): Der Schädelbohrer von Fichtenwald – oder – Die Metamorphosen eines Buckligen: Roman. Gebundene Ausgabe. 2023. Verlag Das Kulturelle Gedächtnis. ISBN/EAN: 9783946990741. 28,00 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel

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1 Kommentar

  1. Ich habe mich zum ersten Mal an »Der Schädelbohrer von Fichtenwald« gewagt. Ehrlich gesagt, war ich erst skeptisch wegen des komplizierten Themas, aber das Buch hat mich total gefesselt! Die Geschichte war anders als alles, was ich bisher gelesen habe, und obwohl manche Teile echt schwer zu verdauen waren, fand ich den Wortwitz und die Charaktere super interessant.

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