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StartseiteLiterarisches LebenVerhaftung in New York: Rätselhafte Manuskript-Diebstähle offenbar aufgeklärt

Verhaftung in New York: Rätselhafte Manuskript-Diebstähle offenbar aufgeklärt

Auch die kanadische Autorin Margaret Atwood bekam nach eigener Aussage E-Mails mit gefälschten Absenderadressen, mit denen man an ihre Manuskripte kommen wollte. (Foto: Tischer)
Auch die kanadische Autorin Margaret Atwood bekam nach eigener Aussage E-Mails mit gefälschten Absenderadressen, mit denen man an ihre Manuskripte kommen wollte. (Foto: Tischer)

Es klingt wie der Plot eines Romans: Mit falschen Identitäten und Websites soll ein Mann jahrelang Autorinnen und Autoren dazu gebracht haben, ihm unveröffentlichte Manuskripte zuzusenden. Bei der Einreise in die USA wurde der italienische Staatsbürger nun vom FBI festgenommen.

Margaret Atwood war misstrauisch. Als im Jahre 2019 ihr lang erwartetes Buch »Die Zeuginnen« erschien, berichtete sie von E-Mails mit gefälschten Absenderadressen, mit denen man versuchte, an das noch unveröffentlichte Manuskript zu gelangen. Laut Atwood schienen es konzertierte Aktionen zu sein, um ihr Manuskript zu stehlen.

Seit Jahren waren Autorinnen und Autoren verunsichert, denn hin und wieder meldeten sich Verlagsmitarbeiter oder Mitarbeiter der Literaturagentur und baten um Zusendung von noch nicht veröffentlichten Manuskripten. Einige Autoren verschickten die Dokumente und mussten später feststellen, dass die Absenderadresse gefälscht war. Ein beliebter Trick bestand darin, dass statt des m die Buchstabenkombination rn (r und n) in der Absenderdomain verwendet wurde. Bei einem flüchtigen Blick erkannte man nicht, dass da @penguinrandornhouse.com stand und nicht @penguinrandomhouse.com.

Am 5. Januar 2022 verhaftete das FBI einen italienischen Staatsbürger bei der Einreise in die USA, der mehr als 160 solcher gefälschter Domain-Namen von Verlagen und Literaturagenten registriert hatte. Laut einer Mitteilung des US-Justizministeriums soll der 29-Jährige für die Manuskriptdiebstähle verantwortlich sein. Seit 2016 wende er diese Masche an. Zusätzlich habe er auch die Website einer Literaturagentur mit einer Manuskriptdatenbank nachgebaut, um an Login-Daten und Passwörter zu gelangen. Solche Phishing-Methoden werden oft verwendet, um z. B. mit gefälschten Online-Banking-Portalen an Logins zu kommen.

Der festgenommene mutmaßliche Betrüger kannte sich in der Literaturszene und ihrer Begriffswelt offenbar gut aus. Brisanterweise arbeitete der Italiener als Rechte-Koordinator der Londoner Niederlassung des Verlagskonzerns Simon & Schuster. Dort jedoch zeigte man sich laut einem Bericht der BBC »schockiert und entsetzt« über den Vorfall. Die Ermittlungen des FBI richten sich nicht gegen den Verlag. Der Festgenommene habe zudem zahlreiche namhafte Werke ins Italienische übersetzt.

Ob der Mann die Hunderte von E-Mails selbst geschrieben hat oder ob er Helfer hatte, ist derzeit nicht bekannt. Ebenfalls unbekannt sind die Motive für die Diebstähle. Offenbar landete keines der Manuskripte auf illegalen Tauschbörsen oder wurde sonst irgendein Kapital aus dem Wissen über die Inhalte geschlagen. Er habe eine »Leidenschaft fürs geschriebene Wort und Sprachen«, ist in seinem LinkedIn-Profil zu lesen.

Aufgrund der hohen Fluchtgefahr darf der Mann die USA nicht verlassen, gegen eine Kaution von 300,000 Dollar wurde die Haft ausgesetzt. Laut den US-Behörden drohen ihm bis zu 20 Jahre Haft.

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