Anzeige
StartseiteBuchkritiken und TippsThomas Pynchon: »Die Enden der Parabel« als akustischer Rausch

Thomas Pynchon: »Die Enden der Parabel« als akustischer Rausch

Sprecherin Bibiana Beglau (Bild: SWR/Nirto Karsten Fischer)
Sprecherin Bibiana Beglau (Bild: SWR/Nirto Karsten Fischer)

14 Stunden Dauer, 400 Figuren und 99 Sprechrollen: Es ist ein akustisches Monumental- und Meisterwerk, das Regisseur Klaus Buhlert für den SWR realisiert hat. In zwei Nächten wird es am 17. und 18. März 2020 im Radio und per Stream gesendet, ab dem 24. April 2020 ist es im Handel erhältlich. Das Werk beeindruckt auch akustisch. Kopfhörer auf!

Thomas Pynchon gilt als genialer Schriftsteller, obwohl den mittlerweile 82-Jährigen so gut wie niemand kennt. Es gibt keine Lesungen, keine öffentlichen Auftritte und selbst Literaturpreise lehnte er ab. Es gibt nur Jugendfotos über über ihn, selbst die Simpsons machten sich darüber lustig.

Künstlerische Adaptionen seiner Bücher und der darin enthaltenden Songtexte untersagte Pynchon ebenfalls. Bis jetzt. Denn nach 10 Jahren Vorbereitung und langen Verhandlungen und großen Überredungskünsten des SWR-Dramaturgen Manfred Hess, gab Pynchon sein Okay für eine Hörspieladaption seines Opus Magnum »Die Enden der Parabel« – ohne Songs.

Thomas Pynchon schrieb das 1.200-Seiten-Werk »Gravity’s Rainbow« im Jahre 1973. Nachdem der Roman im Jahr darauf in den USA mit dem National Book Award ausgezeichnet wurde, sollte er eigentlich auch den Pulitzer-Preis bekommen. Doch damals befand man den Roman als zu obszön. Tatsächlich klingt einer der Hauptplots eher nach Penälerhumor: Tyrone Slothrop bekommt als lebendes Frühwarnsystem stets eine Erektion, wenn sich eine deutsche V2-Rakete der britischen Hauptstadt nähert. Die Haupthandlung des Romans spielt in den Kriegsjahren 1944/45.

Ansonsten fällt es schwer, die Handlung des Romans wiederzugeben. Es gibt zu viele plötzlich auftretende und wieder in der Handlung verschwindende Figuren, zu viele Vor- und Rückblenden. Daher stellt sich die Frage, ob man das Werk überhaupt jemals ganz verstehen kann.

Hörspiel-Regisseur Klaus Buhlert (Bild: SWR/Antje Berghäuser)
Hörspiel-Regisseur Klaus Buhlert (Bild: SWR/Antje Berghäuser)

Und dennoch hat sich Regisseur Klaus Buhlert an die Umsetzung gewagt. Buhlert hat sich geradezu auf solche Monumentalwerke spezialisiert und auch schon den »Ulysses« und »Moby Dick« akustisch adaptiert. Drei Jahre dauerten die Aufnahmen und die Produktion.

Entstanden ist ein unglaublich dichtes Klang- und Stimmennetz, es sprechen u. a. Franz Pätzold, Bibiana Beglau, Golo Euler, Felix Goeser, Corinna Harfouch, Jens Harzer und Thomas Thieme.

Hauptsprecher Franz Pätzold (Bild: SWR/Nirto Karsten Fischer)
Hauptsprecher Franz Pätzold (Bild: SWR/Nirto Karsten Fischer)

Beeindruckend an dieser Produktion ist aber auch die akustisch-technische Realisierung. Man sollte sich das Hörspiel unbedingt mit Kopfhörern anhören, um in den vollen Genuss zu kommen. Hier öffnet sich im wahrsten Sinne eine unglaubliche Klangtiefe, und Stimmen und Geräusche lassen einen beeindruckenden Raum entstehen. Zwar erfolgten die Aufnahmen selbst nicht mittels eines Kunstkopfes, doch die Möglichkeiten der Postproduktion erlaubten es dennoch, dass Klänge digital in den Raum gelegt werden konnten. Teile der Aufnahmen wurden zudem mit bis zu fünf Mikrofonen realisiert, sodass mehrere »Tonperspektiven« kombiniert werden konnten. Nicht nur im Umgang mit den vielen Schauspielern, sondern auch als Klangtüftler erweist sich Klaus Buhlert als Meister seines Faches.

Sprecherin Corinna Harfouch (Bild: SWR/Alexander Kluge)
Sprecherin Corinna Harfouch (Bild: SWR/Alexander Kluge)

Wer sich einen Eindruck von den akustischen Möglichkeiten machen möchte, der sollte sich einmal das gut halbstündige Hörstück »Pirate Prentice‘ Paranoia« mit Kopfhörern anhören, das von Thomas Pynchons Roman inspiriert wurde. Da die rechtliche Situation hier weniger heikel ist, steht es auf der Website von SWR2 zum Download bereit.

Beim Hörspiel »Die Enden der Parabel« muss man mehr Zeit mitbringen, denn es wird an einem Wochenende und in zwei Nächten im Radio auf SWR2 gesendet. Als Web-Stream ist es bis zum 26. April 2020 via swr2.de abrufbar. Literaturkritiker Denis Scheck führt ein und leitet über und unterhält sich mit Experten über Pynchons Werk.

Am 24. April 2020 erscheint das Hörspiel dann bei HörbuchHamburg und ist auf 13 CD oder digital erhältlich.

  • »Die Enden der Parabel« online und im Radio
    In SWR2: 17. April, 20:03–6:00 Uhr, 18. April 2020, 20:03–4:00 Uhr
    Im Deutschlandfunk: 18. April bis 5. Mai 2020
    In der SWR2 App: verfügbar als Stream ab 18. April bis 26. April 2020 (kein Download)
    Hintergrundinformationen, Online-Stream und Sendetermine: www.SWR2.de/pynchon
  • Die Enden der Parabel: Gravity’s Rainbow: 13 CDs. Audio CD. 2020. Hörbuch Hamburg. ISBN/EAN: 9783957131317. 30,99 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel

Weitere Beiträge zum Thema

Schreiben Sie einen Kommentar

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein.
Bitte geben Sie Ihren Namen ein