Auf der Frankfurter Buchmesse wurde er offiziell vorgestellt, und ab sofort ist er in den Buchhandlungen zu haben: »Seitenblicke – Der verführerische Kalender des Buchhandels«. Ein erotischer Fotokalender, bei dem als Models ausschließlich Buchhändlerinnen zu sehen sind.
Projektleiterin Simone Pfeifer ist sichtlich stolz und erfreut und genießt den Presserummel am Stand des Heye Verlags. Mehr oder weniger im Alleingang hatte sie das Projekt realisiert. Eigentlich hätten sich die Schulen des Deutschen Buchhandels … pardon: der Mediencampus Frankfurt mit diesem Projekt schmücken können und hätte so einen häufig vergessenen und leider nicht sonderlich angesehenes Beruf einmal über ein erotisch-trojanisches Pferd ins wohlwollende Interesse der Öffentlichkeit schieben können.
Doch die Leitung der Bildungseinrichtung zeigte sich prüde und pflegte lieber das Image eines feministisch geprägten Berufsstandes, von alten Jungfern mit Brillen, die hinter dem Verkaufstresen gegen die Degradierung der Frau zum Sexobjekt wettern.
Die Erotik des nicht Gezeigten
Da der Buchhandel seine Produkte immer möglichst eindeutig im Laden platzieren muss, findet sich der »Seitenblicke«-Kalender meist in der hinteren Ecke, wo sich ansonsten in Schwarzweiß-Optik Silikonbrüste und Waschbrettbäuche präsentieren.
Doch mit dieser Brachialerotik hat der Buchhandelskalender nichts am Hut. Er definiert Erotik im nicht Gezeigten.
J. Konrad Schmidt hat als Fotograf wunderbare Schwarz-Weiß-Gemälde kreiert, einen Kunstkalender mit Lichtzeichnungen.
Die Qualität und Komposition der Bilder erstaunt umso mehr, wenn man weiß, dass die Fotos nicht im Studio mit einem gewaltigen Mitarbeiterstab, sondern an gewöhnlichen und unpräparierten Orten wie Hotelzimmer, Strand oder Stadtgarten entstanden sind.
Es war diese vertrauliche Atmosphäre am »Set«, die letztendlich auch den Models gefallen hat, die alle keine Profis sind. Die meisten davon hatten sich über das literaturcafe.de beworfen. Vier der Buchhändlerinnen waren bei der Präsentation in Frankfurt anwesend.
Nachdem sich jede und jeder nun überzeugen kann, dass an diesen Bildern nichts Schlimmes, Verruchtes, Unmoralisches oder gar Frauenfeindliches zu finden ist, sind dem Projekt mehr Unterstützerinnen und Unterstützer aus den Verlagen zu wünschen, die passende Texte zuliefern. Für die erste Ausgabe musste man auf allgemeinfreie Zitate zurückgreifen, die glücklicherweise optisch kaum auffallen. Denn hier hat man sich mit der Auswahl keinen großen Gefallen getan und Sprüche von Casanova wie »Eine Frau ist wie ein Buch, das immer, mag es gut oder schlecht sein, zunächst durch das Titelbild gefallen muss.« oder Heines »Bei Weibern weiß man niemals, wo der Engel aufhört und der Teufel anfängt.« degradieren die Motive und liegen eher auf dem Niveau der synthetischen Polymer-Unterstützung oder den Befürchtungen der Kritikerinnen.
Natürlich wird es sich an den Verkaufszahlen entscheiden, ob es im nächsten Jahr ein Nachfolgeprojekt geben wird. Bewerbungen von jungen Buchhändlerinnen liegen bereits vor und zeigen, dass viele Spaß daran haben, mit den Klischees zu brechen.
Vielleicht sollte man dann das Medium Buch, das Lesen und das literarische optisch deutlicher im Kalender wiederfinden, denn jetzt ist es allein der berufliche Hintergrund der Models, der diesen »unsichtbaren« Bezug herstellt.
Im Podcast-Interview mit den Models, der Projektleiterin und dem Fotografen gibt Simone Pfeifer mit einem Augenzwinkern zu, dass »dieses Buchhändlerinnenthema jetzt ganz in den Hintergrund gerückt ist und es offensichtlich um die schönen, tollen Fotografien geht.«
Derzeit keine Titelinformationen vorhanden.
Aha, da hockt also die eine Buchhändlerin am Strand und – whoops – das kleine Kleidchen ist ihr hochgerutscht, die andere kriegt ihre (viel zu große) Bluse nicht mehr zu und die dritte plinkert so versonnen-schläfrig aus dem Fenster, wie sie offenbar auch im richtigen Leben dreinschaut, wobei soviel Fahrgestell wie nur irgend möglich zu sehen ist. Na hoffentlich beschweren sich die Damen nicht, wenn die Kunden ihnen künftig noch ungenierter auf den Hintern glotzen, wenn sie mal das Buch vom ganz oberen Regal holen sollen. Was kommt eigentlich als nächstes? “Brust oder Keule – der verführerische Kalender der Fleischerei-Berufsgenossenschaft”, “Bis auf die Gräten – der verführerische Kalender des Verbandes der Hochseefischer”, “Nackte Zahlen – der verführerische Kalender des Bundesverbandes für selbständige Buchhalter und Bilanzbuchhalter?”
Liebe Frau Englhart, beim Lesen Ihres Kommentars habe ich so herzlich gelacht wie schon lage nicht mehr. Vor allem, als ich mir Ihre “Zukunftsideen” leibhaftig vorgestellt habe. Ich habe das gleich meiner Frau vorgelesen, so gut ich das vor Lachen konnte. Erotische Bilder können so schön sein. Und das Prokjekt “Calender Girls” sowie ein ähnliches in Deutschland zugunsten krebskranker Kinder waren wirklich gekonnt gemacht, auch vom Zweck her. Doch inzwischen gibt es immer mehr Wiederholungen und das Ganze flacht wie alles ab. Aber was soll’s, es gibt Schlimmeres.