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Interview und Romanvorstellung: »Donnerstags im Fetten Hecht« von Stefan Nink

Stefan Nink (Foto:privat)
Stefan Nink (Foto:privat)

Stefan Nink ist Reisejournalist. Und Stefan Nink hat seinen ersten Roman geschrieben. Darin geht es um eine Erbschaft unter erschwerten Bedingungen – und ums Reisen. Der Titel: »Donnerstags im Fetten Hecht«, erschienen im Limes Verlag (Random House).

Birgit-Cathrin Duval ist ebenfalls Reisejournalistin. Sie war ab und zu mit dem Kollegen unterwegs, hat dessen Buchdebüt gelesen und fürs literaturcafe.de mit dem Autor über die Entstehung des Romans gesprochen – und welche Rolle dabei das Schreibprogramm Scrivener spielte.

Und: An welchen coolen Orten schreibt ein Reisender seinen Roman?

Kollege Nink scheint unbeeindruckt – Ein Porträt

Von Birgit-Cathrin Duval – Ich kann mich noch gut an den Tag erinnern, an dem ich Stefan Nink das erste Mal begegnet bin. Es war an einem Freitag und wir waren Teil einer kleinen Pressegruppe, die in den eisigen Norden Kanadas flog. Die Boeing 747 der Air Canada war erschreckend leer für einen Transatlantikflug. Das lag am Freitag. Es war ein Freitag im Oktober, und der fiel auf einen Dreizehnten. Kollege Nink hatte es sich bequem gemacht und hörte auf seinem Mini-Disk-Player (damals das Nonplusultra der tragbaren Musikgeräte) die Dixie Chicks, als es plötzlich einen Rumms gab.

Mein Wasserglas mutierte zu einer Wasserbombe, stieg einen halben Meter in die Höhe, entleerte den Inhalt zwei Reihen vor mir und knallte zu Boden. Kollege Nink schien unbeeindruckt. Die Boeing bockte wie ein wilder Hengst bei der Calgary Stampede. Nink öffnete nur kurz die Augen und döste weiter.

Ungefähr zehn Jahre später. Ich treffe erneut auf Stefan Nink. Wieder in einer Air Canada Maschine, wieder geht es in den Norden. Kollege Nink hat inzwischen ein iPhone, welche Musik er damit hört, bleibt mir verborgen. Aber auf seinem Schoß befindet sich ein Stapel Papier. Ein Manuskript, an dem er schrieb: »Donnerstags im Fetten Hecht«.

Viel darüber verraten hat er mir nicht. Nur soviel, dass er mich sehr neugierig gemacht hat. Nink schreibt gut. Seine Reisereportagen erscheinen regelmäßig in den ganz großen Magazinen. Und ständig staubt er irgendwo irgendwelche Preise dafür ab. Er erlebt aber auch immer so abgefahrene Geschichten! Er zieht die skurrilsten Leute und die abenteuerlichsten Geschichten an Land. Wie macht er das bloß?

Ein Beispiel: Ich bin eine Woche in Kanada. Und was sehe ich? Einen Braunbär. Für vielleicht 2 Sekunden. Von hinten. Das reichte noch nicht einmal, um die Kamera auszupacken. Und ehrlich, wer will schon das Hinterteil eines Bären sehen?

Kollege Nink ist einen Tag später auf dem Chilkoot Trail unterwegs. Und was war? Da tappt ihm ein Grizzly über den Weg. Später twittert er, dass er abends erst einmal ein paar Beruhigungsbierchen gebraucht hat. Auf meine Nachfrage, warum, schreibt er: »Der Bär war formatfüllend«. Wohlgemerkt mit einer kleinen Digiknipse, nix 300er-Tele! Das muss sehr nah gewesen sein.

Buch: Donnerstag im Fetten HechtDrei Monate nach unserer Begegnung liegt das Buch in meinem Briefkasten.

Es hat mit Reisen zu tun. Klar, mit was denn sonst?

Jeden Donnerstag trifft sich Siebeneisen mit seinen beiden Kumpels im »Fetten Hecht« zum Tipp-Kick. Höhepunkt der Woche im Leben des Lokalredakteurs, der sich sonst durch seine National-Geographic-Sammlung liest. Eines Abends hat sein Kumpan Neuigkeiten: Er hat geerbt. 50 Millionen! Aber nur, wenn es ihm gelingt, seine sieben Miterben aufzutreiben, wird das Erbe ausbezahlt. Die sind allerdings in alle Welt verstreut. Siebeneisen wird beauftragt, nach ihnen zu suchen. Er kennt sich schließlich in der Welt aus – zumindest theoretisch. Der Lokalreporter macht sich auf die Suche, die im Outback Australiens beginnt und ihn an die merkwürdigsten Orte dieser Welt führt.

All das ist wirklich passiert.
Fast.
Es hätte zumindest so passieren können.
Vielleicht.

So steht es im Klappentext. Typisch Nink. Ich vermute, nein, ich weiß, dass das alles so passiert ist. Glaube ich zumindest. Weil solche Sachen eben nur ihm so passieren.

Die Geschichte beginnt mittendrin. Irgendwo in China, wo die Luft »frühmorgens pappt wie ein Prittstift«. Protagonist Siebeneich auf einem Oktoberfest unter sturzbesoffenen Chinesen. Nink beschreibt die schrillsten Szenen, die sich – man ahnt es – aller Wahrscheinlichkeit nach genau so abgespielt haben. Und schwupps ist man mittendrin, als hätte man eben eine Boeing geboardet. Tür zu und Take-off. Für die nächsten 8 Stunden einer dünnen Aluminiumröhre ausgeliefert, die sich in 10.000 Metern Höhe mit über 800 Kilometern fortbewegt. Turbulenzen nicht ausgeschlossen. So ähnlich fühlt es sich beim Lesen des Romans an. Man klebt an den Seiten wie beim Transatlantikflug auf dem Sitz.

Stefan Nink entfacht mit Wortwitz und Tempo eine abgedrehte Weltreise, in der sein Protagonist auf ein Panoptikum skurriler Charaktere trifft und die aberwitzigsten Abenteuer besteht. Überraschende Plots, intelligente Anekdoten und sein lässiger Schreibstil machen das Buch zu einer gelungenen Lektüre, die Lust aufs Reisen macht. Garantiert.

Birgit-Cathrin Duval

Stefan Nink im Interview: »Schreiben ist kräftezehrend«

literaturcafe.de: Deine Reisereportagen werden in zahlreichen renommierten Zeitschriften veröffentlicht, du hast etliche Preise bekommen. Da war das Schreiben eines Romans doch sicherlich keine große Anstrengung für dich, nehme ich an?

Stefan Nink: Oh doch, das war ein ganz schöner Kraftakt! Ich bin ein entsetzlich langsamer Schreiber, schon für eine ganz normale Reportage mit 9000 Anschlägen brauche ich bestimmt drei Tage, bevor ich halbwegs zufrieden bin – da kann man sich ja vorstellen, was 400 Romanseiten bedeutet haben. Ich empfinde das Schreiben immer als kräftezehrend. Wenn ich einen Tag lang an »Donnerstags im Fetten Hecht« gearbeitet hatte, kam ich mir vor, als sei ich zwölf Stunden im Bergwerk gewesen.

literaturcafe.de: Was war die größte Herausforderung beim Schreiben?

Stefan Nink: Inhaltlich? Die einzelnen Figuren nicht komplett aus den Augen zu verlieren. Die Handlung ist ja mehr oder weniger linear aufgebaut, da drohte die Gefahr, dass Figuren 20 oder 30 Seiten im Fokus stehen und dann das Buch quasi verlassen, weil der Hauptdarsteller zum nächsten Erdteil aufbricht.

Ich habe das dann zu lösen versucht, indem ich der Hauptfigur Siebeneisen

irgendwann nach einem Drittel des Buches eine Facebookseite verschafft habe, auf der sich dann die anderen Figuren melden. Dadurch konnte ich auch Randfiguren immer mal wieder erscheinen lassen.

literaturcafe.de: Hattest du die fertige Idee im Kopf oder hat sich die Geschichte nach und nach entwickelt?

Stefan Nink: Es gab ein Exposé mit der Handlung sowie ein Probekapitel – die ersten 40 oder 50 Seiten des späteren Romans. Mit denen ist mein Agent Michael Gaeb dann auf Verlagssuche. Als klar war, dass ich das Buch mit dem Limes Verlag mache, habe ich an der Grundstruktur der Handlung nichts Wesentliches mehr geändert. Wohl aber Kleinigkeiten und Details – die habe ich bin zum allerletzten Tag bearbeitet.

literaturcafe.de: Du hast Mind Mapping zum Skizzieren deines Romans und Scrivener zum Schreiben verwendet. Kannst du uns einen kleinen Einblick geben, wie deine Arbeitsweise mit den Programmen ausgesehen hat und wie du sie bewertest?

Stefan Nink: Eine Mindmap lege ich bei allen größeren Projekten an, da kritzele ich dann immer mal wieder drin rum, bevor es losgeht. Allerdings weiß ich nicht wirklich, ob mich diese Art des Strukturierens am Ende weiter bringt; möglicherweise mache ich mir da was vor. Immerhin: Die »Donnerstags im Fetten Hecht«-Mindmap hab ich zwischendrin immer mal wieder angeschaut. Ich denke, sie hat mir zumindest geholfen, den Überblick nicht zu verlieren.

Scrivener war da viel wichtiger. Ich habe den Roman naiverweise in einem normalen und einzigen Word-Dokument begonnen, das wurde dann sehr schnell sehr unübersichtlich und nervte irgendwann kolossal. Scrivener für Windows ging damals gerade in die Beta-Phase und lief von Anfang an wunderbar stabil. Das Programm hat mir sehr geholfen, weil ich immer sofort gefunden habe, was ich suchte – einzelne Kapitel, einzelne Szenen, einzelne Dialoge.

Auch wenn ich bestimmt nicht mehr als 20 oder 30 Prozent seiner Möglichkeiten genutzt habe, war die Arbeit mit Scrivener eine immense Unterstützung. Etliche Passagen des Romans sind auf einem Neo entstanden, das ist eine stabile Tastatur mit einem Winzdisplay für drei oder vier Zeilen Text. Die ist – glaube ich – eigentlich für amerikanische Grundschüler konzipiert worden. Selbst damit hatte Scrivener kein Problem: Ich konnte den Text vom Neo einfach in Scrivener einlaufen lassen.

literaturcafe.de: Wo schreibt ein Reisejournalist seinen Roman? Im Flugzeug? An der Hotelbar? Am Pool?

Stefan Nink: Ach, das ist viel unromantischer, als man sich das vorstellt. Das allermeiste habe ich zuhause geschrieben oder im Zug oder im Kaffeehaus. Wenn ich auf Reisen bin, recherchiere ich ja Geschichten, da hatte ich für das Buch nie Zeit.

literaturcafe.de: Musik spielt in deinem Roman eine große Rolle. Welche hast du beim Schreiben gehört?

Stefan Nink: Ich beneide Leute, die das können: Lieblingsband einschalten und losschreiben. Stephen King macht das ja so, mit Heavy Metal. Ich kann beim Schreiben nur Musik vertragen, die problemlos im Hintergrund laufen kann, ohne sich zu sehr ins Bewusstsein zu schieben. Klassische White Noise-Sachen wie Brian Eno funktionieren gut. Oder die Boards of Canada. ECM-Alben von Hassell, Karaindrou und Brahem, Chopins Nocturnes, Max Richter, Jóhann Jóhannsson, so was. Auf keinen Fall darf gesungen werden, da höre ich irgendwann auf den Text. Es sei denn, es ist Isländisch wie bei Sigur Ros.

literaturcafe.de: Lieber Stefan, vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Birgit-Cathrin Duval

Stefan Nink: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman. Taschenbuch. 2014. Blanvalet Taschenbuch Verlag. ISBN/EAN: 9783442378654
Stefan Nink: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman. Broschiert. 2012. Limes Verlag. ISBN/EAN: 9783809026228

Die Website zum Buch: www.donnerstagsimfettenhecht.de

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