StartseiteLiterarisches LebenIhr Krimitölpel! Lasset ab von eurem schlichten Tun!

Ihr Krimitölpel! Lasset ab von eurem schlichten Tun!

Krimis

Ein Satz der Zeit-Feuilletonleiterin hat Krimiautor David Gray aufgeschreckt. Der Satz bezog sich auf Sybille Lewitscharoffs neues Buch »Killmousky«.

Letzeres ist egal. Aber dieser Satz von Frau Radisch blieb im Gedächtnis. Ein Aufruf an alle Krimiautorinnen und -autoren von David Gray.

In einer Besprechung von Sybille Lewitscharoffs neuem Buch »Killmousky« für den TV Sender 3sat merkte Iris Radisch, die Feuilleton-Chefin der »Zeit«, an: »Man muss da einfach die Latte ein bisschen tiefer hängen. Mein Gott, es ist ein Krimi.«

Und »Killmousky« ist ja wirklich als Kriminalroman gelistet. Der Roman wartet auf mit einer Katze auf dem Cover, einem pensionierten Münchner Kriminalkommissar und einem mysteriösen Todesfall in New York, wohin sich denn der Herr Kommissar auch flugs aufmacht.

Offen gestanden habe ich »Killmousky« nicht gelesen und mir das Buch noch nicht einmal bestellt. Das hat etwas damit zu tun, dass ich schon »Blumenberg« nicht mochte – Frau Lewitscharoffs hoch gelobten Roman ĂĽber einen Philosophen in seiner Kammer. Aber das ist Ausdruck meines persönlichen Lesegeschmacks und daher immer ein Thema, ĂĽber dass sich grundsätzlich subjektiv trefflich streiten lieĂźe.

Nein, den Anstoß zu Frau Radischs Kritik im TV gegeben zu haben ist die einzige Rolle, die »Killmousky« in diesem Text zukommt.

Welche wiederum mit der Aussage begann: »Man muss einfach die Latte ein bisschen tiefer hängen. Mein Gott, es ist ein Krimi.«

Es ist ein Krimi. Wir müssen die Latte etwas tiefer hängen.

Noch einmal: Es ist ein Krimi. Wir müssen die Latte etwas tiefer hängen.

Dies stürzte mich in tiefe Zweifel über meine Berufswahl, exakter noch: die Wahl des Genres, in dem ich mich beruflich austobe, den Krimi nämlich. Nach einigen Gläsern Guiness wurde mir dann endlich bewusst, dass ich all die Jahre tatsächlich meine Talente verschwendete.

Daher hier nun mein Aufruf an alle Krimi- und Thrillerkollegen: Kehret um! Lasset ab von eurem schlichten Tun! Greift nach Höherem!

Wir Krimitölpel, die wir uns literarisch kaum auf den Beinen halten können, mussten ja endlich mal gesagt kriegen, welch schlichten Gemüts wir wirklich sind. Und diese Rede hatte auch so ex cathedra vom TV Schirm herab zu kommen, denn das ist ja der Altar, an dem wir alle beten.

So, liebe Freunde und Kollegen, all ihr im Düsteren wandelnden Verlorenen des Literaturbetriebs, die ihr euch, wie ich, längst insgeheim nach dem Lichte der Hochliteratur sehnt, übergebt Sherlock Holmes, Kommissar Greifenthal oder Gangsterboss Ruby »the butcher« Red dem reinigenden Feuer der Großen Literarischen Inquisition. Folgt den wahren Beispielen schreiberischer Herrlichkeit, wendet euch den wirklich großen Themen der Literatur- und Zeitgeschichte zu, so wie Dostojewsky das einst mit »Schuld und Sühne« tat, Graham Greene mit »Brighton Rock« oder ein Herr Friedrich Schiller mit dem »Geisterseher« und dem »Verbrecher aus verlorener Ehre«!

Ja, wir verlorenen Kinder der Subkulturen und Niederwild des literarischen Lebens sollten nach diesem Weckruf aus solch berufenem »Zeit«-Munde nun wirklich endlich erwachen und uns unserer Verantwortung und den Möglichkeiten unserer – per se – nie bis zur vollen BlĂĽte ausgeschöpften Talente stellen, um nun endlich, endlich, endlich so richtig die neuen Buddenbrooks, die dritte Dreigroschenoper oder den zeitgenössisch relevanten neuen Hamlet in die Tastatur zu stanzen.

Auf, auf also – ihr Elenden des Literaturmarkts! Gebt es Frau Iris R.! Ăśberschwemmt sie mit neuen Werken, bringt ihren vierten Redaktionsassistenten zum Wackeln und Wanken unter der Last eurer neuen, der berufen erlauchten Stimme wĂĽrdigen BĂĽcher!

Doch zuvor geht – bitte! – in die dunkelste, stinkendste, schmutzigste Ecke eurer Städte, stellt euch dort mit dem Gesicht zur Wand und schämt euch jedes niederen Krimis, den ihr je unter die Leserschaft jubeln konntet. Und betet fĂĽr all jene verlorenen Seelen, welche durch eure fehlgeleiteten Spannungswerke dazu verleitet worden sind, mehr und immer mehr von jener sĂĽchtig machenden, ethisch und moralisch höchst toxischen Droge zu verlangen!

Ach ja … irgendwer unter euch sollte dann auch bitte noch eine Selbsthilfegruppe der Krimigeschädigten ins Leben rufen, samt Webseite mit Forum, damit wir dort all jenen traurigen Fallgeschichten der sich auf dem Weg der Besserung befindlichen Ex-Krimisüchtigen lauschen können.

Ăśber den Autor dieses Artikels

David  Gray (Foto: (c) 2013 Licht und Linse Fotografie, Le)
David Gray (Foto: Licht und Linse Fotografie, Le)

David Gray ist das Pseudonym eines deutschen Journalisten und Filmkritikers.

Geboren 1970 in Leipzig, weist sein Lebenslauf längere Aufenthalte in Südostasien, Irland und Großbritannien auf.

Er hat einen historischen Roman, einen Polizeithriller und eine Shortstorysammlung auf amazon.de veröffentlicht.

Autorenseite von David Gray bei amazon.de

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15 Kommentare

  1. Da hat das Literaturcafe wieder einmal in das Schwarze des Literaturbetriebs bzw in die geschriebenen oder auch ungeschriebenen Regeln, was als literarisch gilt, getroffen und das was die dBP-Juroren dann als das beste deutschsprachige Buch bezeichnen, ist oft nicht das, was am meisten gelesen wird, wie man am Beispiel von Reinhard Jirgl auch sehr deutlich sieht.
    Die Leser oder Leserinnen, denn meistens sinds ja Frauen lieben Krimi, ChickLits, Fantasy etc, kaufen diese BĂĽcher auch und nehmen sie in den Urlaub mit und die hehren Kritiker schĂĽtteln den Kopf und wenn dann eine “BĂĽchner-Preis-Trägerin” einen solchen schreibt wird es besonders schwer. Ich habe das Buch auch nicht glesen, von Frau Lewitscharoff bisher nur einige Geschichten, Preisreden und “Mongomery” wĂĽrde mir aber vorstellen, daĂź dieser Krimi kein ganz besonders ĂĽblicher ist, denn Frau Lewitscharoff ist ja auch eine ganz besondere Autorin mit einer ganz besonders starken Sprache, mit der auch ich meine Schwierigkeiten habe. Ich finde es aber ehrlich gesagt ganz lustig, daĂź sich Frau Radisch, die ja offenbar einen gehobenen Literaturgeschmack haben muĂź, da sträubt und windet und ich bin eine, die sich schon immer quer durch den literarischen Krautgarten liest, das heiĂźt Courths Mahler genauso wie Arno Schmidt und war an diesem Wochenende auch auf einem Krimifestival in Wien und das Ganze in einen Topf zu werfen und sich mit dem HĂĽben und DrĂĽben zu beschäftigen, finde ich besonders schön, also danke Literaturcafe fĂĽr den Hinweis, daĂź man alles lesen kann und soll und wenn die ĂĽblichen Krimileser jetzt von den Roman enttäuscht sind, wĂĽrde mich das auch nicht wundern.

  2. Ja, es wurde zeit, dass uns das alles endlich jemand sagt. Und ich? Was soll ihc sagen – ich muss mich doppelt schämen., denn ich schreibe nicht nur Krimis, ich setze sie auch noch in eine Phantastikkulisse. Dabei weiĂź doch jeder, dass Fantasy grundsätzlich Schund ist. Schande ĂĽber mich. Gäbe es Scheiterhaufen noch, wĂĽrde ich sicher verbrannt. Oder wenigstens an den Pranger gestellt.

  3. Bin hier nur wegen Facebook gelandet. Interessanter Artikel, aber ich kenne die Frau nicht und 3sat gucke ich auch nicht. Liegt wohl daran, dass ich als Hausmeisterin zu der niederen Bildungsschicht gehöre und froh bin, wenn mich ein Buch nach Feierabend unterhält. Gibt für mich nichts Schlimmeres, als einen Satz dreimal lesen zu müssen, weil ich ihn nicht verstehe. Also bitte, bevor mein Wohnzimmer und der eBook reader zu einem Grab für ungelesene Bücher werden, lasst die Latte so tief wie möglich. Habe schon im Schulsport nie die 1,20 m geschafft. Danke 🙂
    Allerdings frage ich mich gerade, was besser ist. Verblöden, weil ich lese, oder Verblöden, weil ich nicht mehr lese. *grübelt* Ich glaube ich widme mich erst einmal dem Vorabendprogramm der privaten Sender. Ja ich weiß schon, weiche von uns hohlköpfiger Medienjunkie. Machte se jetzt auch, trotzdem einen schönen Abend. Oh, Rechtschreibfehler und so, dürfen behalten werden Realschulabschluss.

    Übrigens, das Bild bei „Über den Autor des Artikels“ gefällt mir. Tolle Aufnahme.

  4. Unsere Hausmeisterin und auch der Hausmeister lesen Franz Kafka, das ist tausendfach besser fĂĽr alle, als irgendwelcher “Unterhaltungsschrott”.
    “Da kann ich mir auch die Ziehung der Lottozahlen angucken” ist ihr Lieblingsspruch und dann greift sie wieder nach Kafka. Recht hat sie.
    Es gibt keine niedere Bildungsschichten, die BĂĽcher sind da, sie mĂĽssen nur aufgeschlagen werden

  5. Ach ja, aus der Frau Radisch fallen immer mal wieder Wörter raus, bei denen man denkt: war das jetzt wieder nötig? Seit ihrem Unfug ĂĽber Hegemann (“… Augen eines kleinen Mädchens verätzt, das ist KOKETT…”) ist sie fĂĽr mich nicht mehr ernst zu nehmen. Sie muss halt von irgend etwas leben und sich im Gespräch halten. Jeder so, wie er kann.

  6. WAS FĂśR EIN ALBERNER ARTIKEL!
    Die weitaus meisten Krimis sind liteararisch eher anspruchslos. Die Erzeugnisse der Hochliteratur sind dafĂĽr oftmals unendlich langweilig. So what? Getroffene Hunde bellen. So auch hier.
    Irene Radisch hat innerhalb ihres Bezugsrahmens unbestreitbar recht. Gleichwohl ist ihr Argument töricht. Will sie uns sagen, dass “Killmousky” fĂĽr einen Krimi ziemlich gut geschrieben ist? Oder darf Sybille Lewitscharoff auch mal einen Krimi schreiben, wenn sie das will – und dann auch schlechter schreiben, weil es ja “nur” ein Krimi ist? Was auch immer sie gemeint haben mag – die Reaktion der Krimileser (zu denen ich mich zähle) ist vorhersehbar:
    – Ja, gebt es uns nur, denn wir sind wirklich die Ratten in der KĂĽche (demonstrativ selbstironisch, damit nur ja niemand denkt, wir glaubten das wirklich)
    – Vergesst nicht, dass Dostojewski und Schiller eigentlich die Erfinder des Kriminalromans sind und Leute wie Poe Erfinder des Detektivromans (will sagen: Irene Radisch weiĂź nicht, wovon sie redet)
    – Pfffft!
    Regt euch ab. Wir lesen gerne Krimis. DafĂĽr gibt es mehr als genug GrĂĽnde. Manche sind erbärmlich schlecht. Die lesen wir auch. Aber vielleicht nicht zu Ende. Und mache sind so unglaublich gut, dass es Zeitverschwendung gewesen wäre, wenn wir stattdessen William Faulkner gelesen hätten. Aber nein – er hat mit “Der Springer greift an” und “Griff in den Staub” zwei geschrieben, fĂĽr die ich DĂĽrrenmatt jederzeit in die Tonne werfe.
    P.S. Besonders sĂĽĂź in diesen Kommentaren der Verweis en passant auf die eigene Fantasy-Schriftstellerei. Was da alles ans Tageslicht kommt!

  7. Genre Literatur ist per se schwach. Wer noch keinen Roman geschrieben hat, der kann es nicht wissen. Ein Kriminalroman übernimmt aufgrund seiner Struktur dem Autor sehr viel Arbeit. Die Handlung ist vorgegeben, Grenzverstöße auch. Dadurch zieht sich die Sprache von selbst. Was die aufgezählten Werke angeht, so bedienen sie sich lediglich der Kriminalhandlung, erfüllen dies aber nicht. Berlin Alexanderplatz ist eben auch kein Kriminalroman, obwohl Mieze stirbt und Verbrechen und Strafe ist die Geschichte eines Ideologen und Intellektuellen, der die Tat (siehe Anarchisten, Symbolisten) erfüllt. Natürlich würde selbst Chandler gegen Joyce alt aussehen und Simenon gegen Céline ebenfalls. Iris R. hat dennoch ein Fehler gemacht. Man darf Genre-Literatur nicht mit der Hochliteratur vergleichen, Moby Dick und Richter Holden sind auch faszinierender als Sauron und Co., aber innerhalb der Fantasy Literatur ist Tolkien eine Macht. Folglich hätte man S. L. Krimi mit Chandler, Dürrenmatt, Highsmith etc. vergleichen müssen und dagegen ist S. L. Krimi einfach schwächer. Folglich hätte keine Kaufempfehlung rausgehen dürfen.

    Was die Aufregung hier im Kommentarbereich angeht, sie ist doch etwas kleinlich, nicht?

  8. Lieber Alfred,

    ich möchte in Abrede stellen, dass Genreliteratur “per se schwach” wäre. Manches, gar vieles davon mag es sein, ja — aber das gilt m.E. fĂĽr jede Kategorie Literatur. Gerade am GerĂĽst der Konventionen entlang jedoch noch Anderes, Neues zu verfassen, das finde ich persönlich sehr viel reizvoller und spannender als den x-ten “Autoren-Roman” Ă  la Leipziger Literaturinstitut, wenn Sie gestatten (und sowas meinten).

    Und nichts gegen Chandler. Der war einer der Allergrößten.

    “Ich halte es fĂĽr möglich, dass der Ruhm des Autors Raymond Chandler den des Autors Ernest Hemingway ĂĽberdauert.” (Helmut HeiĂźenbĂĽttel)

    Und nichts gegen Hemingway: Der war ebenfalls einer der Allergrößten.

    Die Aufregung im Kommentarbereich ist allerdings tatsächlich ein wenig an den Haaren herbeigezogen, da gebe ich Ihnen Recht.

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