Wellers Wahre Worte am Café Tisch
September 2004 - Die monatliche Kolumne von Wilhelm Weller


Wahre Identität von Deutschlands dümmstem Kolumnisten durch Indizienbeweis geklärt!

Hinter F. J. Wagner (BILD) verbirgt sich Alfred E. Neumann (MAD)!

Wilhelm Weller


Wer wie der Kolumnist in den Jahren 1968 bis 1970 an der Schwelle vom kindlichen Unsinn zum erwachsenen Irrsinn stand, also mitten in der Pubertät, kam an der satirischen Monatszeitschrift MAD nicht vorbei.
     MAD war die Einstiegsdroge zur kritischen Theorie der Frankfurter Schule: Nimm nichts ernst und achte niemand.
     Die einzige Person, bei der womöglich eine Ausnahme gemacht wurde, war Alfred E. Neumann. Er war die Ikone, das Gesicht des Magazins, eine Gestalt, die über allen Dingen zu schweben schien, nicht leidend wie Christus, sondern stets lächelnd, eher wie Buddha, nur ungleich witziger.
     In einem voreiligen Nachruf zur zeitweiligen Einstellung des Satire-Magazins schrieb Springers seriöse Tageszeitung WELT am 5. 8. 1995 über Alfred E. Neumann:
     »Ein lieber Freund hat uns verlassen. Er war uns ans Herz gewachsen. Denn er sah gewiss nicht schöner aus als wir, sein IQ trat mit dem unseren nicht in Konkurrenz und den Mut zur Tücke, den er stets bewies, hätten auch wir gern gehabt.«
     Weiter hieß es dort über den »Burschen mit der obstinaten Zahnlücke und den Segelohren«, dass seine Gestalt »wie Jupiter in jeden Körper zu schlüpfen und ihn zu verunstalten vermochte.«

Was mich nun – ein viertel Jahrhundert später – an MAD und Alfred E. Neumann zurückdenken lässt, ist mein BILD-Kollege F.J. Wagner.
     Zunächst die obligate Distanzierung: Ich nehme dieses Blatt – fast nie – in die Hände.
     Ich beschmutze sie ungern, zumal nicht überall fließendes Wasser in Reichweite ist.
     Vor kurzem überwand ich jedoch meinen sich ganz natürlich einstellenden Ekel für wenige Minuten und blätterte in dem Blatt, es lag herrenlos auf einer Sitzbank in der U-Bahn.
     Große, fette Lettern, schwarz und rot, eine Beleidigung für das Auge, langweilig und belanglos. Das Einzige, was ich dann wirklich las, war die Kolumne »Post von Wagner«. Zunächst aus einem – irgendwie – kollegialen Interesse, schließlich mehr und mehr fassungslos. Nicht, dass ich gerade in Wagners Zeilen Niveau erwartet hätte, wenn dieses unmittelbar nebenan in Abgründen versank.
     Es war eher eine Art von devianter Individualpsychologie, die mich wachsam machte und in Erstaunen setzte. Wie konnte ein erwachsener Mensch, der immerhin des Lesens und Schreibens mächtig ist, sich namentlich (!) mit einem derart unsäglichen Stuss wissentlich Millionen Lesern präsentieren? Auch wenn es sich dabei überwiegend um den intellektuell und charakterlich defizienten Teil der deutschen Bevölkerung handelt.

»Gestern standen Sie, Gerhard Schröder, am Grab Ihres Vaters ohne Erinnerung. Ihr Vater hat Sie nie im Arm gehalten, Sie haben keine Ahnung, wie sich Ihr Vater das Hemd hochgekrempelt hat, Sie wissen nicht, wie Ihr Vater riecht.
     Ihr Vater wurde 1944 von einer russischen Rakete getötet – da waren Sie sechs Monate alt. Sie, Kanzler, sind nun 60 Jahre und Ihr Vater wurde nur halb so alt, wie Sie jetzt sind. Ihr Vater war Hilfsarbeiter auf der Kirmes. Kirmes ist Volksfest, Volksbelustigung, Lachen. Dann zog ihn die Wehrmacht ein. Ich denke, dass es dem Kanzler vielleicht hilft, dass sein Vater ein fröhlicher Mensch war.

Herzlichst
Ihr F. J. Wagner«

Henryk M. Broder (HMB), auch er ein selbstverliebter Gockel, der mit einem zweiten Initial seine Bedeutung unterstreicht, verlieh Wagner ob solcher Zeilen seinen »Schmock der Woche«.
     Seine ungnädige Laudatio auf den sich häufig auch über junge Sportlerinnen ergehenden BILD-Kolumnisten schließt mit einem Hinweis auf dessen schnell an natürliche Grenzen stoßenden Können:

»Nicht einmal Wagner kann zugleich schreiben und wichsen, denn wenn das Händchen schlapp macht, geht den Worten die Luft aus. Aber für den Schmock der Woche reicht es noch allemal, wenigstens für ein Schmöckchen.«

Broder setzt voraus, dass es Wagner mit seinem Stuss ernst ist. Ich bin mir dessen nicht sicher. Mehr noch: Ich zweifle an seiner Identität.
     Es war Wagners Foto, vor allem seine gut sichtbare Zahnlücke, die mich auf eine Idee brachte.
     Ein fehlender Schneidezahn in der oberen Zahnreihe, an gleicher Stelle wie bei Alfred E. Neumann. Kann das Zufall sein?
     Bei genauerem Hinsehen zeigen sich bei Wagner, halbverdeckt unter einem seitlich gescheitelten vollen Haarschopf, auch die Neumannschen Segelohren.
     Ist das MAD-Ominosum also »wie Jupiter« diesmal und dauerhaft in die Gestalt des BILD-Kolumnisten geschlüpft?
     Wurde gar am Ende die größte europäische Boulevardzeitung von dem kleinen Satire-Magazin MAD gekapert?
     Man lache nicht: Vor einigen Monaten erst machte das Crossover von BILD und taz Schlagzeilen. Für einen Tag übernahm jeweils die Redaktion des einen Blattes das andere.
     Sollte BILD also tatsächlich von MAD unterwandert sein – immerhin versprühen die BILD-Kinowerbespots einen madigen Witz – müsste ich meine Aversion überdenken.
     Mit spitzen Fingern zwar und mit Gummihandschuhen vor direktem Kontakt geschützt sollte ich das Blatt dann vielleicht doch gelegentlich in die Hand nehmen.

Herzlichst
Ihr Wilhelm Weller

PS: Zu F.J. Wagners MAD-Universum erhalten sie unter dieser Adresse Zugang:
www.bild.t-online.de/BTO/news/jjjj/mm/dd/wagner/wagner.html
Im Datumsfeld müssen jeweils Jahr, Monat und Tag angegeben werden.


Wahre Worte - Oktober 2004SeitenanfangWahre Worte - August 2004