Oktober 2004 - Die monatliche Kolumne von Wilhelm Weller
Eröffnet der Literaturnobelpreis für Elfriede Jelinek Wege zur Heilung? Ein Interview mit dem bekannten Therapeuten Bert Hellinger | |
An Tagen wie diesen hüpft das literarische Herz höher: 38 Jahre nach der Verleihung des Literaturnobelpreises an Nelly Sachs wird wieder einer deutschsprachigen Schriftstellerin diese im Geistesleben weltweit bedeutendste Auszeichnung verliehen. Und wer von uns hätte dabei an die streitbare Elfriede Jelinek gedacht? In Stockholm sollte mit Doppelauszeichnungen schon häufiger ein Versöhnungsprozess belohnt und befördert werden: Man denke an die Friedensnobelpreise für Kissinger und Le Duc Tho (1973), Sadat und Begin (1978), Mandela und de Klerk (1993), Rabin und Arafat (1994), Hume und Trimble (1998). WW: Herr Hellinger, Ihre Methode der Familienaufstellung zielt doch zunächst auf das leidende Individuum in seiner Familie. Glauben Sie wirklich, das sei generalisierbar? Wie wollen Sie denn ein ganzes Volk aufstellen? BH: Sie vergessen, dass auch in der Familienaufstellung normalerweise nur Stellvertreter (!) aufgestellt werden. Das gilt natürlich auch für das, was Sie eine »Volksaufstellung« nennen. WW: Warum bietet sich dafür in Ihren Augen Österreich an? BH: Ich habe Österreich nur als Beispiel genannt. Ich könnte Ihnen ebenso gut Amerika, Ruanda oder Israel nennen. Außerdem war ich auf Frau Jelinek angesprochen worden. WW: Welche Auswirkungen hat aus Ihrer Sicht die Verleihung des Literaturnobelpreises an Jelinek. BH: Das ist eine große Chance. Sie kann jetzt wieder eingeschlossen werden, wo sie vorher ausgeschlossen war. Aber Sie muss auch selbst einschließen wollen, was sie ausschließt. Da ist eine Täterenergie und eine Opferenergie. WW: Angenommen, Österreich wäre Ihr Patient… BH: Klient! WW: Also angenommen, Österreich wäre Ihr Klient. Wen würden Sie aufstellen? BH: Das ist natürlich anders als bei einer klassischen Aufstellung, aber irgendwo doch wieder das selbe. Also Hitler ist natürlich der Schatten, der liegt über allen. Und Deutschland ist der große Bruder, der den kleinen verlassen hat. WW: Wo steht dann Elfriede Jelinek und wo steht Jörg Haider? BH: Der Haider steht ja zu seinem Vater, das ist natürlich gesünder und die Jelinek hasst ihn deswegen. Doch Hass ist Missachtung und macht krank. Das rächt sich. WW: Sie würden die beiden deswegen näher zusammen stellen? WW: Wohin würden Sie Arnold Schwarzenegger stellen? Der steht heute als kalifornischer Gouverneur weltweit für einen Erfolg »made in Austria«. BH: Aber er hat seinem Land den Rücken gekehrt, das ist ein gefährlicher Weg. Auch Kennedy wurde erschossen und er ist mit seiner Nichte verheiratet. Da liegt ein Fluch, der ihn einholen kann. WW: Als Therapeut beziehen Sie Ihre Informationen und Intuitionen während der Familienstellung aus einem »wissenden Feld«. Funktioniert das Familienstellen auch dann, wenn Sie sich die Personen nur im Geiste vorstellen, oder anders gefragt: Können Sie sich schon jetzt eine Konstellation vorstellen, die für Österreich heilsam wäre? BH: Da muss ich mich erst versenken… Stille. Ich sehe Schwarzenegger und Jelinek nah beisammen, sie geben sich die Ehre. WW: Darf ich hier einhalten? Sehen Sie das symbolisch? BH: Nein, da zeigen sich reale Verstrickungen. WW: Ich danke Ihnen für das Interview. Wir hätten gerne auch die diesjährige Literaturnobelpreisträgerin persönlich interviewt, leider sah sie sich durch eine Vielzahl gleichartiger Anfragen überfordert. Unsere besten Glückwünsche (auch von Bert Hellinger) gehen jedenfalls nach Wien. |