Foto von Ulrich Struve Bitter-süße Geschichte
Notizen am Rande - Buchbesprechungen von Ulrich Struve

Vor geraumer Zeit wurde in der Wirtschaftspresse über den prekären Zustand der globalen Kakaoproduktion berichtet, den die Bewirtschaftung in Plantagen und Monokulturen heraufbeschworen hat.  In fünf bis zehn Jahren stünde, wenn es nicht zu einem deutlichen Umdenken käme, ein dramatischer Kakaomangel bevor.
     Als bekennendem Schokoholiker sank mir bei dieser Nachricht das Herz um ein paar Grade tiefer.  Die gute Nachricht ist, dass kleinere Farmen, die in biologischem Einklang mit den Ökosystemen der Regenwälder stehen, dem vorbeugen können.  Ein geeigneter Anlass zudem, sich mit der Geschichte der Schokolade zu befassen, bevor sie - hoffentlich nicht! - der Vergangenheit anheim fällt.
     Die wahre Geschichte der Schokolade der Lebensmittelhistoriker Sophie und Michael Coe bietet einen ausführlichen Abriss der Geschichte der Schokolade. Dabei widmen sie sich vor allem der Trinkschokolade von der Gewinnung und Fermentierung, dem Trocknen und Mahlen der Bohnen bis zur Zubereitung des Getränks.  Die Autoren nehmen ihren Ausgang von der Kultivierung der Pflanze bei den Azteken, wo Kakao als Zahlungsmittel dient, als »glückliches Geld«, das an den Bäumen wächst, und, weil es wertvoll ist, die Gewitztheit der Fälscher herausfordert. Der Genuss des Kakaos bleibt der Elite vorbehalten und wird von Luxusgesetzen reglementiert.
     Im Kontrast dazu steht das Befremden der Europäer angesichts des herben, unansehnlich bräunlichen Getränks: Schokolade sei »eher ein Getränk für Schweine« meint Girolami Benzoni. Anschließend schlagen Coes den Bogen zum Barock, als der Kakao, nun erstmals heiß und süß getrunken, in Mexiko, Spanien und schließlich am führenden Hof Ludwigs XIV. Furore macht.
     Die Trinkschokolade erobert, wie übrigens auch Coca-Cola, zuerst als Heilmittel die europäischen Gaumen, bevor sie zum Allerweltsgetränk wird. Am Ende der Studie berichten Sophie und Michael Coe, wie die vordem exklusive Schokolade durch den Erfindergeist der van Houten, Nestle und Hershey im 19. Jahrhundert zu einer Speise für die Massen wird. Ihnen haben wir es zu verdanken, dass wir Schokolade in harten, kleinen Tafeln bequem mit uns herumtragen und ohne große Vorbereitungen nach Belieben verzehren können.
     Gelegentlicher Längen und der mitunter holprigen Übersetzung ungeachtet ist Die wahre Geschichte der Schokolade ein ausgezeichnetes Kompendium der wechselvollen Historie eines heute für uns alltäglichen Luxusgutes.

Ulrich Struve

Sophie D. und Michael D. Coe. Die wahre Geschichte der Schokolade. Frankfurt a. M.: Fischer, 1997. Ln. geb. 352 Seiten. Abb. DM 48,00. ISBN 3-10-072706-1;  auch erhältlich als Fischer Taschenbuch, 19,90 DM/10,17 EUR (Preisangabe ohne Gewähr), ISBN 3-596-14447-7.


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