Der Friedrich-Glauser-Preis gilt als renomiertester Literaturpreis im deutschsprachigen Krimi-Genre und wird ehrfurchtsvoll als »Oscar des Krimis« bezeichnet. Wir wollten von den beiden Autoren und Gewinnern Nessa Altura und Hartmut Mechtel wissen, ob dieser Preis ihr Leben verändert hat.
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Nessa Altura: Ich habe den allerersten Kurzkrimipreis bekommen, letztes Jahr für »Der Burschl aus Tirol«, eine tragikomische Kurzgeschichte.
Hartmut Mechtel: Ich war 1997 Romanpreisträger - für »Der unsichtbare Zweite«, den ersten Band der Parr-Trilogie.
Das Literatur-Café: Trilogie? Worum geht es darin?
Hartmut Mechtel: Der zweite Band heißt »Das Netz der Schatten« und der dritte »Die Spitze des Kreises«. Es geht darin um einen Mann Mitte 40, der glaubt, seine Identität verloren zu haben - bis er feststellt, dass er keine hatte (außer dem erbärmlich langweiligen Bissel, das sich in einem normalen Leben oder Hirn so abspielt). Er wähnt sich als Opfer einer Weltverschwörung, da Geheimdienste hinter ihm her sind und links und rechts am Wegesrand die Leichen purzeln. Das Buch überprüft (soweit dies in einem ziemlich aktionsreichen Thriller möglich ist) auch deutsch-deutsche Befindlichkeiten.
Das Literatur-Café: Warum nennt man gerade den Glauser den »Oscar« der deutschen Literaturpreise?
Nessa Altura: Es ist ja ein Preis von Autoren für Autoren, also von Kollegen zu Kollegen, wie dies auch beim Oscar der Fall ist. Kritischer und zugleich sachkundiger geht's wirklich nicht.
Hartmut Mechtel: Den Friedrich-Glauser-Preis macht nicht nur die Dotierung von immerhin 5.000 Euro so wertvoll, sondern vor allem die Tatsache, dass die Jury - im Unterschied zu den Verleihern aller anderen Krimipreise - tatsächlich jedes Buch mindestens anliest. Bei den anderen Jurys ist es möglich, dass ein Werk, das in einem Kleinverlag erschienen ist, übersehen wird.
Das Literatur-Café: Hat der Preis für Ihre Karriere irgendetwas bewirkt?
Hartmut Mechtel: Eher nein. Zumindest nicht viel Positives.
Nessa Altura: Das sehe ich anders. Da ich ja hauptsächlich Kurzgeschichten veröffentliche, kann ich mich bei den Verlagen natürlich - mit einem solchen Preis am Revers - ganz anders vorstellen.
Hartmut Mechtel: Ich muss da weiter ausholen: Nach Verleihung des Preises ereilte mich eine Schreibblockade. Ich dachte, nun wartet die Welt auf ein großartiges Werk von mir. Als mir klar wurde, dass die Welt nicht wartete, weil sie von meiner Existenz immer noch nichts wusste, motivierte mich das auch nicht gerade. Als die Blockade überwunden war, hatte ich dann aber nie Mühe, Verlage für meine Texte zu interessieren; das mag auch am Glauser liegen.
Nessa Altura: Mich hat's kräftig motiviert, besonders auch im Anschluss an den Preis die Mitwirkung in der nächsten Jury - da habe ich über achtzig Kurzgeschichten von Kollegen und Kolleginnen gelesen und herausgefunden, dass meine eigenen gut mithalten können. Jetzt, in diesem Augenblick, kommen neue heraus: Nacht über Oberstdorf heißt das Taschenbuch, in dem kriminelle, ungeheuerliche, komische und erotische Kurzgeschichten versammelt sind, die allesamt in den Allgäuer Bergen und im Kleinwalsertal spielen. Ein Buch, das viel Spaß gemacht hat und sich bestens zur Ferienlektüre eignet.
Hartmut Mechtel: Ich wünsche dir viele Leser.
Das Literatur-Café: Den Wünschen schließen wir uns natürlich an. Was gibt es Neues bei Ihnen, Herr Mechtel?
Hartmut Mechtel: Gerade habe ich einen historischen Kriminalroman beendet, den der Verlag Der Tod lauert in Danzig genannt hat; er wird in den nächsten Wochen erscheinen und spielt 1626 - in einer Zeit, da die Deutschen ein Wort aus dem Italienischen übernahmen, um einen hierzulande neuen Sachverhalt bezeichnen zu können: Spion.
Das Literatur-Café: Was werden Sie als Nächstes machen?
Hartmut Mechtel: Durch Südamerika reisen, Kraft schöpfen und Eindrücke sammeln. Mir gehen ein paar Ideen für historische Stoffe durch den Kopf, aber vielleicht mache ich's auch wie Altmeister -ky und schreibe meine Memoiren.
Nessa Altura: Ich arbeite an einer Strandnovelle - ein kleiner Roman über eine leichtsinnige junge Italienerin, die sich Freizügigkeiten herausnimmt, die sie später um Kopf und Kragen bringen werden.
Das Literatur-Café: Frau Altura, Herr Mechtel, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg.
Der Glauser und seine Gewinner - Ein Überblick | |||
Jahr | Criminale in | Friedrich-Glauser-Preisträger | Ehrenpreis |
1987 | Hamburg | Sam Jaun, Die Brandnacht | Richard K. Flesch |
1988 | Gladbeck | Jürgen Alberts, Landru | Jörg Fauser (postum) |
1989 | Berlin | Bernhard Schlink, Die gordische Schleife | Hansjörg Martin |
1990 | Moers | Heinz Werner Höber, Nun komm ich als Richter | Heinz Werner Höber |
1991 | Bremen | Jürgen Breest, Schade, dass du ein Miststück bist | Jürgen Roland |
1992 | Dobris/Prag | Edith Kneifl, Zwischen zwei Nächten | Horst Bosetzky (-ky) |
1993 | Köln | Martin Grzimek, Feuerfalter | Friedhelm Werremeier |
1994 | Gelsenkirchen | Ingrid Noll, Die Apothekerin | Tom Wittgen |
1995 | Potsdam | Peter Paul Zahl, Der schöne Mann | Herbert Reinecker |
1996 | Gießen | H.P. Karr/Walter Wehner, Rattensommer | Peter Zeindler |
1997 | Jever | Hartmut Mechtel, Der unsichtbare Zweite | Richard Hey |
1998 | Berlin | Robert Hültner, Die Godin | Michael Molsner |
1999 | Daun | Alfred Komarek, Polt muss weinen | Felix Huby |
2000 | Essen | Uta-Maria Heim, Engelchens Ende | Doris Gercke |
2001 | Horst Eckert, Die Zwillingsfalle | Fred Breinersdorfer | |
2002 | München | Thomas Glavinic, Der Kameramörder (Roman), Christoph Spielberg, Die russische Spende (Debüt), Nessa Altura (Kurzgeschichte) | Gerhard Neumann |
2003 | Bernhard Jaumann, Saltimbocca (Roman), Richard Birkefeld/Göran Hachmeister, Wer übrig bleibt, hat recht (Debüt), Gunter Gerlach (Kurzgeschichte) | Jacques Berndorf | |
2004 | Gabriele Wolff, Das dritte Zimmer (Roman), Norbert Horst, Leichensache (Debüt), Carmen Korn, Unter Partisanen (Kurzgeschichte) | Alfred Miersch | |
2005 | Hochsauerlandkreis | Hansjörg Schneider, Hunkeler macht Sachen(Roman). Stefan Slupetzky, Der Fall des Lemming (Debut). Gunter Gerlach, Die Hochzeit in Vörde (Story). Sabine Ludwig: Die Nacht, in der Mr. Singh verschwand (Jugendkrimi/Hansjörg-Martin-Preis) | Ingrid Noll |
2006 | Astrid Paprotta, Die Höhle der Löwin (Roman). Leonie Swann, Glennkill (Debut), Jürgen Ehlers, Weltspartag in Hamminkeln (Story). Jürgen Banscherus, Die Reihe Ein Fall für Kwiatkowski (Jugendkrimi/Hansjörg-Martin-Preis) | Prof. Dr. Edgar Marsch | |
2007 | Deutschen Weinstraße | ||
2008 | Wien | ||
2009 | Singen |
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