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Elke Heidenreich im Internet: Nur 5.000 Zuschauer pro Folge?

Heidenreich im Web (mit Richard David Precht)Hat Elke Heidenreich mit ihrer Internet-Version von »lesen!« nicht einmal 5.000 Zuschauer pro Folge? Das ist zu befürchten, wenn man sich die aktuellen Klick-Zahlen ihrer letzen Sendung vom 17. Dezember 2008 anschaut.

Nachdem Heidenreich es sich mit ihrem bisherigen Arbeitgeber ZDF verscherzt hatte, wird ihre Literaturempfehlungssendung nun über das neue Internet-Angebot litcolony.de der LitCologne zum Download bereitgestellt. Für das Hosting der Videos werden die Dienstleister sevenload.de und für eine HD-Version vimeo.com genutzt. Anhand der dortigen Klickzähler können die Abrufzahlen sehr transparent mitverfolgt werden.

Doch angeklickt bedeutet nicht angeschaut: Wie viele Menschen nach 10, 30 oder 60 Sekunden wegklicken, ist nicht dokumentiert. Wer schaut sich gar die vollen knapp 30 Minuten einer Sendung an? Auch das weiß niemand, doch jeder Besucher treibt den Videozähler nach oben.

Nachdem Elke Heidenreich Ende November 2008 verkündete, »lesen!« im Web statt im Fernsehen fortzusetzen, war die Medienresonanz enorm. Alle großen Online-Medien wie SPIEGEL Online oder heise online verlinkten das Video und natürlich unzählige Blogger, die sich über den prominenten Web-Zulauf freuten.

So verwundert es nicht, dass die erste Folge mit Gast Campino von den Toten Hosen auf sevenload.de derzeit exakt 83.742 Klicks aufweist (Stand: 5. Januar 2009), denn einen Eindruck davon gewinnen, wie sich Heidenreich im Netz präsentiert, das wollte jeder mal. Aber wie viele davon haben sich die Sendung wirklich angesehen?

Umso erstaunlicher, dass Heidenreich in ihrer zweiten Web-Sendung von 2 Millionen spricht, die »uns auf dem litcolony-Portal angeklickt haben«. Was meint sie damit? Hat man ihr diese Zahl seitens der Betreiber genannt, damit sie nicht über die tatsächlichen Zahlen schockiert ist und merkt, dass ihre einstige TV-Reichweite dahin ist?

Doch um zu erkennen, dass Heidenreichs-Sendung im Web keine Rolle mehr bei der literarischen Meinungsbildung im Lande spielt, genügt ein Blick auf die Bestsellerliste. War dort nach der TV-Austrahlung ein von ihr gelobtes Buch sofort weit oben zu finden, so taucht der über fast fünf Minuten präsentiert Titel »Legenden« von Hugo Hamilton dort nicht auf. Amazon Verkaufsrang am 5. Januar 2009: 79.931.

Im aktuellen SPIEGEL berichtet litcolony-Geschäftsführer Rainer Osnowski, dass die zweite Folge von Heidenreichs Web-Sendung 63.000 Abrufe habe. Osnowski ist damit nicht zufrieden. Er weist zudem korrekt darauf hin, dass nicht gesagt werden kann, wie viele Menschen die Sendung auch wirklich angesehen haben.

Selbst die 63.000 Abrufe sind offenbar zu hoch gegriffen, wie ein Blick auf die Abrufzähler der Video-Hoster belegt. So hat das Video der zweiten Web-Folge bei sevenload.de 16.622 Klicks (Stand: 5. Januar 2009). Hinzu kommen noch 4.855 Klicks auf eine hochauflösende Version bei vimeo.com. Die beiden Werte zusammenzuzählen wäre nur bedingt richtig, denn viele dürften beide Versionen angeklickt haben.

Wohlwollend können so rund 20.000 Klicks auf die zweite Folge geschätzt werden. Und selbst diese Zahl weist Doppelt- und Mehrfachaufrufe nicht aus.

Die Gretchenfrage: Wie viele haben sich die komplette Sendung angesehen? Realistisch geschätzt dürften es nicht mehr als 10% sein. Das wären 2.000 Zuschauer. Und geht man mehr als wohlwollend von einem Viertel aus, die die Sendung ganz gesehen haben, so bewegt sich die Zahl bei 5.000 Zuschauern.

Bleibt die Berichterstattung anderer Medien aus, so dürfte die Abrufzahl der für den 11. Januar angekündigten 3. Internet-Sendung noch weiter abfallen. Selbst nach dem gestrigen SPIEGEL-Bericht über die geringen Zuschauerzahlen erlebten die Klickzahlen nur ein kurzes Wochenhoch.

Ein großes Manko der Heidenreichschen Web-Videos ist eine fehlende Abo-Möglichkeit als Podcast. Selbst ein Heidenreich-Fan wird so nicht immer von der neuesten Folge erfahren. Hätte man aus den 83.700 Abrufklicks der ersten Folge ein Viertel als Podcast-Abonnenten gewinnen können, so wäre das eine besser gesicherte Zuschauerbasis als derzeit.

Freilich bleibt der Vorteil der Webvideos, dass selbst ältere Folgen jederzeit noch abgerufen werden können und sich somit auch die Zahl der Zuschauer weiter erhöht. Dennoch darf und sollte man sich keine Illusionen über die verlorene Reichweite machen.

Im übrigen ist die zweite Folge »lesen!« im Web (und die 39. Folge nach absoluter Zählung) durchaus sehenswert, was am Gast Richard David Precht liegt (»Wer bin ich – und wenn ja wie viele?«), der Interessantes und Kluges zu erzählen hat und den Heidenreich – im Gegensatz zu Campino – auch einmal ausreden lässt.

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10 Kommentare

  1. Dass die Heidenreich im Web in Zukunft wohl noch weniger Zuschauer haben wird (nachdem ihr Promi-Bonus verblasst ist), mag wohl auch daran liegen, dass die User, die im Web dezidiert nach hochwertigem und kritischem Kulturjournalismus suchen, sich im Gegensatz zu vielen TV-Nutzern nicht mit Elkes Plapper-Niveau zufrieden geben – die “Kulturflucht” ins Web hat ja gute Gründe…

  2. Vorweg @fabe: diese selbstdisqualifizierende Klugescheißerei ist leider Symptom im Internet, in diesem unseren Lande –

    Eine Renaissance des Literarischen Quartetts wird es wohl nicht mehr geben, da es einfach viel zu wenig Menschen gibt, die sich an der Literatur erfreuen. Den Nobelpreisträger 2008 Le Clézio kannt ich (und auch Marcel) bisher nicht, bin aber begeistert von ihm und habe seine erhältlichen Werke, einschließlich der frühen existentialistischen, einfach nur genossen.
    Ob Heidenreich im Internet ‘Klicks’ bekommt oder nicht – was soll das schon zeigen? 10% aller Deutschen haben nur in ihrem Leben eine Buchhandlung besucht – ich bin froh, dass es trotzdem weiterhin Autoren gibt, die schreiben, ohne Feedback der Allgemeinheit, welches wohl nie kommen wird. Augenblicklich habe ich John Branville für mich entdeckt, der einfach nur hervorragend ist!

  3. Frau Heidenreich ist sicherlich das Gegenteil einer Bücherfrau, die Lesbares zutage fördert, ob im Fernsehen oder nun im Internet. Labern, quasseln – über Literatur, es fehlt eben an grundlegenden Kenntnissen, so drängt es sich einem auf. Das z. B. Buchtitel selten etwas Inhaltliches zutage fördern, dass das Herunterplappern einer “Inhaltsangabe” nicht nur schülerhaft, vielmehr peinlich wirkt. Sie bringt das Kunststück fertig, so über ein Buch zu schwätzen, das es fast alles sein könnte: Apokalypse, Roman einer versunkenen Liebe, zivilisationskritischer Essay usw…ja, was denn nun ist “Der Knacks” denn? Ich habe meinen Knacks nun weg, mit dieser Sendung, pardon mit diesem videocast.

  4. die alten, das heidenreich-publikum, sind kaum im netz zu finden.
    und die jungen interessiert LESEN nicht die bohne.
    also götterdämmerung für die plappertante, deren muntre selbstüberschätzung kaum zu toppen ist. fand diese büchersendung schon immer eine bessere klappentext-aufsage ! das beste sind die gäste, wenn man sie denn zu wort kommen ließe…

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