Anzeige
0
StartseiteLiterarisches LebenBye-bye Buchreport! – Nachruf auf ein Branchenmagazin

Bye-bye Buchreport! – Nachruf auf ein Branchenmagazin

Der Buchreport sagt am 2. Januar 2024 Tschüss
Der Buchreport sagt am 2. Januar 2024 Tschüss

Den Buchreport gibt es nicht mehr. Nach über 50 Jahren wurde das unabhängige Branchenmagazin gestern (03.01.2024) eingestellt. Der Öffentlichkeit ist es durch die Ermittlung der SPIEGEL-Bestsellerlisten bekannt. Ein Blick und Nachruf auf ein Magazin, das so gut wie vor 10 Jahren nie wieder wurde.

Drei Magazine bestimm(t)en die Branche

Jede Branche hat ihre Fachmagazine, die der Allgemeinheit oft verborgen bleiben. Für Verlage und Buchhandlungen waren es drei, die es schon immer zu geben schien und die es für immer geben würde. So dachte man.

Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel

Da ist das Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. Man könnte es salopp als »Vereinszeitung« der Buchbranche bezeichnen, da es vom Börsenverein herausgeben wird, dem Branchenverband von Verlagen, Buchhandlungen und Zwischenbuchhandel. Insbesondere unter der Chefredaktion von Torsten Casimir, entwickelte sich das Börsenblatt zu einem der eigenen Branche gegenüber durchaus kritischen Magazin, fernab einer »Vereinspostille«. Im letzten Jahr wechselte Torsten Casimir als Sprecher zur Frankfurter Buchmesse.

BuchMarkt

Da gibt es den 1966 gegründeten BuchMarkt, ein unabhängiges Branchenmagazin, das eng mit seinem Gründer Christian von Zittwitz – Kürzel CvZ – verbunden war. Zittwitz hatte sein Ohr an der Branche, Neuigkeiten und wichtige Personalien wurden hier oftmals zuerst verkündet.

Im vergangenen Jahr 2023 verstarb der 1943 geborene von Zittwitz. Bereits 2022 hatte Christian von Zittwitz den BuchMarkt an eBuch verkauft, eine Genossenschaft aus ca. 850 unabhängigen Buchhandlungen. Zittwitz war es wichtig, dass der BuchMarkt weiterhin ein redaktionell unabhängiges Magazin bleibt – gedruckt und online.

Buchreport

Und dann war da das Magazin Buchreport, 1970 vom Dortmunder Verleger Bodo Harenberg gegründet. Im Verlag erschienen seinerzeit auch Kalender und Lexika. Diese Sparte wurde 2004 ans Bibliografische Institut verkauft. Der Buchreport erschien on- und offline bis zu seinem jetzigen Ende im Harenberg Verlag, allerdings wechselte dieser im Laufe der Zeit den Besitzer. 2007 erwarb der SPIEGEL den Verlag, was als konsequenter Schritt erschien, denn schließlich erstellte der Buchreport sei 1971 die bekannten »SPIEGEL Bestsellerlisten«, die wöchentlich im Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL abgedruckt wurden. Die orangenen Aufkleber jedweder Form (SPIEGEL Bestseller, SPIEGEL Bestsellerautor …) sind heute omnipräsent.

Bestsellerlisten für den SPIEGEL

1961 erschien im SPIEGEL erstmals eine damals »Bücherspiegel« genannte Liste der meistverkauften Bücher. Heinrich Böll belegte seinerzeit den Spitzenplatz. Damals wurde die Liste vom Allensbacher Institut erstellt. 100 Buchhandlungen wurden nach ihren meistverkauften Titeln befragt.

1971 übernahm der Buchreport die Befragung und Erstellung der Liste, bis in die 1990er Jahren hinein per Papier-Fragebogen. Nicht selten gab man bei den rund 250 beteiligten Buchhandlungen das an, was man gerne verkauft hätte. Man musste keine tatsächlichen Verkaufszahlen angeben, sondern nur ein Ranking von 15 bis 1 erstellen.

In den 2000er-Jahren übernahm wiederum die Datenfirma MediaControl im Auftrag des Buchreport die Ermittlung der Daten, ab sofort basierte die Liste nicht mehr auf Umfragen, sondern auf den Zahlen der Warenwirtschaftssysteme von aktuell 9.000 Buchhandlungen, Buchverkaufsstellen und Onlineshops.

Buy-and-Burn? Vom SPIEGEL zur Busch Glatz-Gruppe

2021 verkaufte der SPIEGEL Verlag im Rahmen einer Restrukturierung den Harenberg Verlag samt Buchreport. Übernommen wurde er von der Busch Glatz-Gruppe, die Titel wie Blickpunkt:Film, MusikWoche oder MEEDIA im Portfolio hatte, die ebenfalls von anderen Verlagen übernommen wurden. Verleger Timo Busch agierte nicht immer glücklich. Die Süddeutsche Zeitung zitiert in einem Beitrag ehemalige Mitarbeitende, die die Strategie der Aufkäufe als »Buy-and-Burn« bezeichnen.

Ende 2023 geriet die ganze Verlagsgruppe ins Rutschen, Insolvenzanträge wurden gestellt und so traf es auch den Buchreport, der am 3. Januar 2024 auf der Website das sofortige Ende verkündete. Der langjährige Chefredakteur Thomas Wilking bedankt sich für »Ihr Interesse und Ihre Wertschätzung«. Es wird der Insolvenzverwalter Stefan Conrads mit den Worten zitiert: »Eine Fortführung des Betriebs ist aufgrund der finanziellen Lage nicht möglich.« Die komplette Harenberg GmbH stellt den Geschäftsbetrieb ein.

Neue Perspektive wird weiterhin geprüft

Dennoch, so ist in einer weiteren Meldung vom 3. Januar 2024 zu lesen, wird weiterhin ein Käufer für den Buchreport gesucht. Mehr als die etablierte Marke und das Archiv dürften jedoch nicht mehr übrig sein, viele Mitarbeitende waren schon vor dem Aus nicht mehr dabei.

Kurz zuvor wurde eine neue operative Lösung für die SPIEGEL-Bestsellerlisten gefunden: Diese erstellt nun der BuchMarkt für den SPIEGEL, die Datenbasis liefert weiterhin MediaControl.

Ein Nachruf

Dass der Buchhandel mit dem Buchreport ein unabhängiges Magazin verliert, ist mehr als bedauerlich. Von den oben genannten drei Magazinen war der Buchreport immer das faktenbasierteste gewesen. Neben den Branchennachrichten wurden regelmäßig Datenanalysen und Rankings über »Die 100 größten Buchverlage« oder »Die größten Buchhandlungen« erstellt, die einen aufschlussreichen Überblick über die Entwicklung der Branche boten.

Die Hochzeit des Buchreport war um das Jahr 2010 herum, als das Magazin zum SPIEGEL gehörte. Der Buchreport thematisierte als erster die lange schwelende Disruption der Branche. Er ließ meinungsstarke Stimmen der alternativen Buchszene zu Wort kommen und versuchte sich u. a. in Videoformaten. Auch die Szene der Self-Publisher wurde hier ernst- und wahrgenommen. Im Sonderformat »indie.publishing« standen unabhängige Verlage im Fokus. Viel wurde in dieser Zeit unter dem stellvertretenden Chefredakteur Daniel Lenz ausprobiert, und Beiträge des Buchreport wurden vielfach in den Sozialen Medien diskutiert und sorgten für Aufmerksamkeit.

Zum Ende der 2010er-Jahre wurde der Buchreport wieder ruhiger. Viel Aufmerksamkeit bedeutete nicht unbedingt viele neue Umsätze. Daniel Lenz war nicht mehr dabei, und die meisten der Online-Artikel wanderten hinter die Paywall.

»2023 sollten dann die Aktivitäten der Marketing- und Medienunternehmen der Busch Glatz-Gruppe zusammengeführt werden. Stattdessen wurden für die verschiedenen Gesellschaften Anträge auf die Eröffnung von Insolvenzverfahren gestellt«, heißt es in der letzten Meldung auf buchreport.de

Wolfgang Tischer

Weitere Beiträge zum Thema

Schreiben Sie einen Kommentar

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein.
Bitte geben Sie Ihren Namen ein