Ein guter Freund legte mir dieses Buch auf den Tisch. Ich vertraue seinem Urteil, er vertraut meinem – und ich war hingerissen: Sabine Peters war mir bislang entgangen (weitaus die meisten Schriftsteller entgehen mir): Wie die mit der Sprache umgeht, ist einfach phänomenal!
Worum geht es bei einer Erzählung mit diesem Titel? Klar: um den Tod einer geliebten Person, hier des Vaters, des Doktor Phil, wie er gerne genannt werden will von allen, auch von seinen Töchtern Eins, Zwei, Drei und Vier.
So nennt er sie. Die haben selbstredend richtige Namen, unterschiedliche Berufe, unterschiedliche Leben; und für jede Tochter hat er eine spezielle Frage, mit der er sie jedes Mal wieder quält, wenn sie kommt, um der Mutter beizustehen.
Denn »Eltern bestehen aus Vater und Mutter«. Aber Doktor Phil ist dement. Und er ist Herr des Wortes. Das wissen sie. Das fürchten sie. Zu Recht: Denn die Frage kommt! Und dann folgt der Streit, den Doktor Phil genießt, den er zelebriert, denn er lässt nicht locker. Er weiß alles besser.
Von den Töchtern Eins, Zwei, Drei und Vier hat nur eine vor ihm tendenziell Bestand, die Schriftstellerin Marie: Denn die hat was mit Bildung und Worten zu tun. Bei ihr lästert er über die anderen drei, beklagt sich, als könne Marie etwas für deren Leben.
Niemand kann so gut quälen wie Doktor Phil! Zum Beispiel mit dem »Redenbogen«: Marie hilft im Haus, und ihr Vater verfolgt sie mit seinem Wortschwall überall hin, fünf lange Seiten ohne Punkt, alles indirekte Rede. Es schaudert einen beim Lesen: Wie kann ein Mensch solchen Wortschwall nur ertragen, ohne zu ertrinken?
Aus manchem verschwindet der Mensch, wenn er alt ist und krank.
Drastisch, aber auch sehr subtil wird entwickelt, wie sich die Familie angesichts des Verfalls von Doktor Phil verhält, verändert, aber auch sich gleich bleibt.
Wir Leser leben den Verfall mit, bleiben dank Sabine Peters’ Sprachgewalt nicht nur unbeteiligte Voyeure wie in anderen Büchern. Die Erzählung bietet auch keine Hilfe für diejenigen, die solches selbst erleben oder erlebt haben.
Sie zeigt uns nur, was gewesen sein könnte. Gewesen ist es so nicht, denn das Motto der Erzählung lautet:
So ist übers Jahr das Wetter gewesen.
Alles andere war anders.
Nach Abschied habe ich alle anderen Werke von Sabine Peters gelesen: Da gibt es Personen, die immer wieder auftauchen, Ereignisse, die erst in einem anderen Buch ausgeführt werden, z. B. Maries in »Abschied« erwähnter Aufenthalt in Israel.
Empfehlen kann ich alle ihre Bücher: Sie bieten literarisches Erlebnis.
Malte Bremer
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