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»Alpha-Kevin« ist Jugendwort des Jahres – aber nur bei Jugendlichen

Die Stimme des Jugendvolkes? Kommentar auf jugendwort.de
Die Stimme des Jugendvolkes? Kommentar auf jugendwort.de

»Alpha-Kevin« ist das Jugendwort des Jahres 2015. Bei der jährlichen Abstimmung des Langenscheidt Verlags auf jugendwort.de belegte es Platz 1. Alpha-Kevin bedeutet so viel wie »der Dümmste unter den Dummen«.

Doch die jungen Alpha-Kevins bei Langenscheidt fanden das superdoof! »Wenn jemand durch unsere bescheuerte Wahl beleidigt werden soll, dann gefälligst die tranige Bundeskanzlerin. Aber doch nicht die Kevins!«, hat man sich scheinbar gesagt.

Flugs wurde die Wahl manipuliert und der Alpha-Kevin noch vor Abstimmungsende von der Liste der 30 Nominierten gestrichen – sozusagen auf den Ehrenplatz verschoben.

Tatsächlich ist auf der Website des Langenscheidt Verlags zu lesen:

Wir bei Langenscheidt sehen es als unsere Aufgabe, ein Spiegel der Sprache zu sein – ohne Wertung. Zum ersten Mal nehmen wir einen Begriff aus der Liste der Top 30 Jugendwörter des Jahres. Wir haben viel von euch gehört und spüren die persönliche Betroffenheit über die Auswahl von „Alpha-Kevin“. Es lag uns fern, konkrete Personen zu diskriminieren.

Man ist demnach also eher so eine Art Schneewittchen-Spiegel, der dann doch nicht das tatsächliche Abbild zeigt, sondern wertend eingreift.

Natürlich ist Alpha-Kevin politisch unkorrekt und diskriminierend. Aber ist nicht eher die Jugend politisch unkorrekt und diskriminierend? Die Schwächeren wurden immer diskriminiert. Und jetzt ist Chantal zum Lehrer gerannt und hat gepetzt.

Alpha-Kevin auf Platz 1 ist hart. Man kann sich förmlich vorstellen, wie der Begriff mit bösem Lächeln an den Smartphones nach oben geklickt wurde. Vielleicht war also zum ersten Mal ein Begriff bei dieser Online-Wahl vorn, der am ehrlichsten das Lebensgefühl der Jugend wiedergegeben hat?

Die Wahl ist eine aufgeblasene Marketingaktion

Denn diese Wahl war ohnehin nie ernst zu nehmen. Sie ist eine aufgeblasene Marketingaktion – mehr nicht. Durch die Streichung des »Alpha-Kevin« von Platz 1 tritt nicht unbewusst der Streisand-Effekt ein, sondern er wird sogar bewusst provoziert. Natürlich ist man einer noch größeren Aufregung aus dem Weg gegangen, indem man den Begriff gestrichen hat. Gleichzeitig ist nun schon während der Wahl die höchste Aufmerksamkeit garantiert, indem die Medien – so wie hier – über die Streichung berichten. Wäre man bei Langenscheidt tatsächlich feinfühlig und aufrichtig gewesen, hätte man das Wort gar nicht auf die Liste der nominierten Begriffe gesetzt. So aber muss dem Verlag Absicht unterstellt werden.

Doch die Wahl zum jugendwort.de ist ohnehin Kokolores. Schon vor Jahren haben wir gezeigt, wie man Online-Wahlen fälscht und manipuliert. Bei der Wahl des Langenscheidt Verlags wird nichts getan, um Manipulationen auch nur im Ansatz zu unterbinden. Es wird nicht mal geprüft, ob die Abstimmenden überhaupt Jugendliche sind. Abstimmen kann dort jede und jeder. Jede Porno-Seite, die die Abfrage stellt, ob man über 18 sei, scheint da geschützt wie ein Tresor. Lediglich ein CAPTCHA muss bestätigt werden, um Klick-Scripts auszuschließen.

Das während der Wahl einsehbare Zwischenergebnis fordert das Nach-oben-Wählen der vermeintlich witzigsten Begriffe geradezu heraus. Ob die  tatsächlich der Jugendsprache entstammen ist eh wurscht. Aber sie machen sich gut in der Pressemeldung und den Vermischtes-Spalten der Tageszeitungen. Mehr ist es nicht. Am Ende entscheidet ohnhin eine Jury, welches der Wörter gewinnt, die bei der Publikumsabstimmung vorne liegen. Spätestesn da hätte man den Alpha-Kevin geräuschlos in die Ecke stellen können.

Die Diskriminierung der Kevins wird die Streichung nicht stoppen, sondern verstärken und offensichtlicher machen.

Noch am 26. Juli 2015 ist auf der Website ein Kommentar eines Nutzers »Affenmensch« zu lesen, der in von uns nicht korrigierter Rechtschreibung meint:

Kevin
Dieses Wort beschreibt eine Person, welche meisdtens blöd ist und nicht ganz der deutschen Sprache mächtig ist

Der Begriff »Kevinismus« hat sogar in der Wikipedia Einzug gehalten. Laut Wikipedia führte seinerzeit der Erfolg des Fußballers Kevin Keegan und der Film »Kevin – Allein zu Haus« dazu, dass der Vorname bis 2004 zu den beliebtesten Jungennamen in Deutschland zählte. Jedoch wird auch immer wieder kolportiert, dass besonders Eltern der Unterschicht ihren Kindern Namen aus dem englischen und französischen Sprachraum geben, weil diese in ihren Ohren interessanter klingen. Dies hat dazu geführt, dass in Deutschland Kindern mit Namen wie Kevin oder Chantal eher der Unterschicht zugerechnet werden und ihnen eine gewisse Intelligenz abgesprochen wird.

Satirische Erklärungen wie die der Uncyclopedia

Als Kevinismus (auch: Chantalismus) bezeichnet man die krankhafte Unfähigkeit, menschlichem Nachwuchs menschliche Namen zu geben. Kevinismus führt bei den Erkrankten und vor allem bei deren Nachwuchs zur sozialen Isolation. Die Betroffenen entwickeln eine Psychose gegen gesunde Menschen und verkehren nur mit Personen, die ebenfalls an Kevinismus leiden.

landen dann auch schon mal in der Überschrift von vermeintlich ironischen Artikeln seriöser Zeitungen, die Kevinismus als »vermeidbare Kinderkrankheit« titulieren.

Eine durchaus Ernst zu nehmende Studie der Uni Oldenburg will sogar herausgefunden haben, dass die Kevins, Justins, Mandys, Chantals und Jaquelines tatsächlich in der Grundschule schlechtere Noten bekämen als Alexander, Maximilian, Charlotte oder Katherine. Die Forscher zeigten, dass dies jedoch nicht an der sozialen Herkunft liege, sondern an den Vorurteilen der Lehrer. Auch Buchtitel wie »Schantall, tu ma die Omma winken! Aus dem Alltag eines unerschrockenen Sozialarbeiters« dürften die Vorurteile stärken.

»Es lag uns fern, konkrete Personen zu diskriminieren«, schreibt der Langenscheidt Verlag und streicht den Alpha-Kevin, den man doch eigentlich passender mit korrektem Deppenleerzeichen als »Alpha Kevin« schreiben sollte.

Stattdessen liegt am 26. Juli 2015 mit 36% der Stimmen deutlich vorne:

merkeln
Nichtstun, keine Entscheidungen treffen, keine Äußerungen von sich geben, Bezug auf Angela Merkel.

Ok, das beleidigt niemanden und ist tatsächlich ein Wort, dass man bei Jugendlichen ständig hört. Erst neulich wieder morgens an der Bushaltestelle:

»Hey, du Alpha-Kevin, jetzt merkel hier mal nich’ so rum!«

Wolfgang Tischer

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4 Kommentare

  1. Im Prinzip ist das ein schöner und gut formulierter Artikel – aber Leute, ihr habt einen sprachlichen Bock geschossen. Ausgerechnet im Literaturcafé!

    Schaut euch doch bitte mal den feinen, aber wesentlichen Unterschied zwischen “scheinbar” und “anscheinend” an.

    Danke!

    • Liebe Frau Gerdom,

      vielen Dank für das Lob zum Artikel und vielen Dank, dass Sie uns und mir anscheinend eine hohe sprachliche Kompetenz unterstellen.

      Doch im Artikel ist das Wort »scheinbar« mit Bedacht gewählt, da »anscheinend« das problematischere wäre. Für alle, die hier mitlesen und denen der Unterschied nicht bewusst ist: »scheinbar« bezeichnet einen Sachverhalt, der nur den Eindruck erweckt, in Wirklichkeit aber anders ist (»nur dem Schein nach«). Das Wort »anscheinend« drückt hingegen eine Vermutung aus, die mit höchstmöglicher Sicherheit der Wahrheit entspricht. Beispiel: »Er ist scheinbar zu Hause.« => Tatsächlich ist er weg, hat aber nur beim Verlassen der Wohnung vergessen, das Wohnzimmerlicht auszumachen. “Er ist anscheinend zu Hause.” => Man hört ihn laut in der Wohnung singen.

      Im Beitrag stelle ich mir – mit etwas ironisch deftigeren Formulierungen – vor, was man sich bei Langenscheidt gedacht haben könnte. Schreibe ich nun “hat man sich anscheinend gesagt”, würde ich vermuten, dass es wirklich so ist. Tatsächlich will ich hier aber nichts unterstellen, sodass ich sehr bewusst die Formulierung »hat man sich scheinbar gesagt« gewählt habe, um deutlich zu machen, dass es eine von mir überspitze und wahrscheinlich haltlose Vermutung ist. Damit nehme ich die Härte aus dem zuvor gesagten. Das “anscheinend” könnte eher eine Unterstellung sein, wovon ich mich aber distanzieren möchte.

      Oder um es mit dem Worten des Beitrag zu sagen: »Du bist anscheinend ein Alpha-Kevin!« ist härter formuliert als »Du bist scheinbar ein Alpha-Kevin!«

      Beste Grüße
      Wolfgang Tischer

  2. Ich heiße Kevin, habe Abitur und studiere. Ich finde diese dummen Witze und diese Hetze gegen meinen Namen widerlich, diskriminierend und primitiv. Hätte der Artikel auch die gleiche Meinung vertreten, wenn statt “Alpha- Kevin” “Alpha- Türke” mit der gleichen Bedeutung zur Auswahl gestanden hätte? Ich glaube nicht. Typische Doppelmoral. Es ist allerdings wirklich eine Frechheit, dass der Verlag den Begriff überhaupt erst aufgenommen hat. Vermutlich ein menschenverachtender Werbegag auf Kosten der Namensträger. Wie viele Kids mit diesem Namen werden jetzt wohl in der Schule gemobbt?!

  3. Lieber Wolfgang Tischer,
    ich unterstelle keine hohe sprachliche Kompetenz – ich weiß, dass sie hier gepflegt wird. ^^
    Irgendwie schmeckt mir das “scheinbar” nicht wirklich, obwohl Ihre Argumentation schwer zu widerlegen ist.
    Aber “scheinbar” impliziert einen Widerspruch: Scheinbar ist das so gewesen, aber in Wirklichkeit war es doch GANZ anders! Und genau das wollen Sie doch anscheinend nicht sagen. 🙂 “Anscheinend” ist aber wiederum deutlich eine Vermutung, keine Gewissheit, und das wiederum haben Sie ausdrücken wollen.
    Aber … gut. Das geht wahrscheinlich schon in stilistische Tiefetagen, die hier wirklich nicht angebracht sind. (Die wir aber gerne mal per PN diskutieren könnten. :-))
    Und ganz offensichtlich ist das ein feiner Artikel und eine schöne, spitzzüngige Satire. Nochmal danke dafür.

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