Dass eine Firma Werbeanzeigen storniert, weil ein Medium kritisch über das Unternehmen oder seine Produkte geschrieben hat, ist zwar schlechter Stil, aber an der Tagesordnung.
Weitaus dreister ist der folgende Fall: Der Spiele-Hersteller Atari mahnt das Online-Spielemagazin 4players.de ab, weil die Rezension des Spiels »Alone in the Dark« nur die Wertung »befriedigend« erhalten hat. In einem Anwaltsschreiben, das 4players.de in Auszügen dokumentiert, wirft man den Spiele-Kritikern vor, sie hätten für den Test Raubkopien eingesetzt und ihre Test würden nicht den Standards entsprechen, »die für Warentests gelten«. Angesetzter Streitwert: 50.000 Euro.
Warum erwähnen wir das hier im literaturcafe.de? Die Antwort gibt 4players-Chefredakteur Jörg Luibl:
Wir testen keine Staubsauger, keine Mikrowellen und auch keinen Grill – wir testen Spiele. Die gehören für uns als Magazin genau so wenig in den Bereich „Warentest“ wie Kritiken zu Büchern oder Filmen.
In der Tat: Man stelle sich vor, dass dieses dreiste Vorgehen von Atari Schule macht. Darüber, dass Abmahnungen zum modernen Zensur-Instrument werden, haben wir erst in dieser Woche berichtet.
Werden in nicht allzu ferner Zukunft auch die Buchverlage beginnen, Literaturkritiker abzumahnen, weil sie ein Buch schlecht besprochen haben? Oder weil der Kritiker eine Besprechung verfasst hat, obwohl ihm der Verlag kein Rezensionsexemplar geschickt hat? Ein Streitwert von mehreren Tausend Euro, weil die Buchkritik nicht sachlich genug erfolgte?
Im Bereich der Zuschussverlage gibt es bereits Unternehmen, die bei kritischen Berichten sofort Abmahnungen verschicken oder damit drohen.
Wehret den Anfängen!
Nachtrag:
Wie heise online am 25. Juni 2008 berichtete, zieht Atari die Anschuldigungen gegenüber 4players.de zurück. Einen Gefallen hat sich der Spielehersteller mit der Abmahnung nicht getan, denn zuletzt griff auch SPIEGEL Online den Fall auf und sorgte für weitere negative Publicity.
Das Abmahn-Wesen ist wirklich zu einem Unwesen verkommen, man erinnere sich an die Abmahnwelle im letzten Winter. Über 200 Antiquare bekamen solche Briefe, da sie angeblich jugendgefährdende Medien anböten (Das Börsenblatt informierte ausführlich). Man kann nur hoffen, dass solche für Anwälte lukrativen Geschäfte demnächst vom Gesetzgeber unterbunden werden.
ich habe mich köstlich amüsiert über diesen Bericht! Hatte heute auch noch das Vergnügen gehabt, dieses Spiel an zu testen und ich fand es beeindruckend. Sollte vielelicht geklärt werden bei dem Rechtsstreit, um welche Version es eigentlich gehe. Habe mich gewundert, dass es eine „abgespeckte“ Version für die PS2 gibt, und die könnte zur PS3 Version echt „nur“ befriedigend einbringen. Desweiteren ist meist, egal um was es geht, alles nur Betrachtungsweise und ich kenne auch Spiele, die als Toprenner eingestuft wurden, die hätte ich bestimmten Leuten am liebsten um die Ohren gehauen.
Nun, die PS2-Version darf nicht an den Maßstäben der PS3 bewertet werden, sondern nach denen der PS2. Im Vergleich zu anderen Spielen und den technischen Möglichkeiten der Konsole.
Das ändert aber bei keiner Version etwas an der Tatsache, dass „Alone In The Dark“ nicht mehr hält, was der Titel verspricht: Grusel. Denn der neue Teil ist eher unter Action als unter Survival Horror einzuordnen, was vielen Fans der Serie eben nicht gefallen wird.
Interessant aber, dass manche Print-Magazine sich doch ziemlich handzahm gegenüber den Publishern geben, und so manche Wertung schönigen. Da wurde wirklich schon einige mittelmäßige Spiele in den Olymp gehoben.
Die Geschichte des „Abmahnsports“ interessiert mich auch eine geraume Zeit. Immerhin sind es meine Standeskollegen, die sich so zu Geld verhelfen. Als Mit-Mensch könnte ich es nicht fertigbringen, mich an Leuten, die ihre MEINUNG preisgeben, zu bereichern. Aber als Jurist? Auch traurig. Da muß man nicht lange kramen, um auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu kommen: Jeder hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern.
(Um es „juristisch korrekt“ zu machen: Vorausgesetzt, daß dem objektiven Leser einer Webseite ohne weiteres klar wird, daß Privatpersonen ihre Meinung kundtun und nicht nach „Standards“ bewerten…)