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Wikipedia zerstört den gedruckten Brockhaus – 50 Mitarbeiter verlieren ihre Arbeitsplätze

Der BROCKHAUSDer 11. Februar 2008 ist ein historischer Tag, denn die Jahrhunderte alte Ära der gedruckten Lexika geht zu Ende. Das geduckte Nachschlagewerk schlechthin, die Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden, wird es künftig nicht mehr geben. Die aktuelle 21. Auflage ist die letzte, eine 22. erscheint nicht mehr. Zu groß ist die kostenlose digitale Konkurrenz im Internet. Die Herausgeber des Brockhaus’, das Bibliographisches Institut und die F. A. Brockhaus AG (Bifab), treten die Flucht nach vorne an und stellen die Inhalte ab Mai kostenlos und mit multimedialen Inhalten angereichert ins Netz. Finanziert werden soll das Angebot durch Werbung. Speziell für Schulen ist ein werbefreier Zugang geplant. Erste Erfahrungen hatte der Verlag bereits mit dem kleinen Bruder des Brockhaus’, dem Meyers-Lexikon, gemacht, das bereits seit einiger Zeit kostenlos im Netz verfügbar ist.

Immer wieder sind in den letzten Jahren das Online-Nachschlagewerk Wikipedia, an dem jede und jeder Mitschreiben kann, und der von einem professionellen Redaktionsteam zusammengestellte Brockhaus verglichen worden. Oft wurde die zweifelhafte Qualität der Wikipida bemängelt. Doch es war ein vielbeachteter Vergleich, den die Zeitschrift stern jüngst veröffentlichte und der die Wikipedia ganz klar vorne sah. Sie ist zudem aktueller als es ein gedrucktes Werk je sein kann.

Dass ein Blättern in einem Lexikon gefühlsmäßig etwas ganz Anderes und Schöneres sei als die Suche am Rechner, wurde von Papierliebhabern immer wieder angeführt. Doch am Ende entscheiden die Zahlen und die sahen beim Bibliographischen Institut und der F. A. Brockhaus AG für das letzte Jahr sehr schlecht aus. Laut SWR zeichnet sich ein Verlust von mehreren Millionen Euro ab. Auch eine Sonderedition, gestaltet vom Schauspieler und Maler Armin-Mueller Stahl, blieb mit den Verkaufszahlen weit hinter den Erwartungen des Verlags zurück. Das Unternehmen will 50 Mitarbeiter entlassen. Sozialverträglicher Stellenabbau. Ein Begriff, der im Brockhaus nicht zu finden ist.

Wer online nachschlägt, der tut das fast immer in der Wikipedia. Gewohnheiten sind schwer zu ändern, sodass es völlig offen ist, ob sich der Brockhaus-Online durchsetzen wird. Nicht immer entscheidet leider die Qualität.

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16 Kommentare

  1. Weshalb lässt sich das Literaturcafé dazu herab, eine so reißerische ‘BILD’-Überschrift anzubringen? Produktive Kollaboration ist noch lange kein ‘Zerstören’. Dass die Brockhaus Enzyklopädie nun einen schnellen Medienwechsel vollzieht, liegt, wenn überhaupt, in der Verantwortung des Verlags. So “sozialverträglich” wie der Stellenabbau laut SWR geplant ist, hätte der Gang ins ‘ach so böse’ Internet allmählich und ‘medienverträglich’ vollzogen werden können. Es ist nicht untypisch, dass erst dann die Reißleine gezogen wird, wenn die Bilanz schlecht ausfällt und womöglich die Aktionäre ihre Stimmen erheben. Dass sich die Verlags- und Druckbranche schon seit langem im Umbruch befindet, ist dem Bifab-Verlag sicherlich nicht erst gestern aufgefallen.
    Im Grunde ist die Entscheidung nicht überraschend, sondern vielmehr zu spät und mit der Werbeindustrie-Allianz womöglich ein gefährlicher Weg. Es wird hoffentlich noch gedruckte Ausgabe der BE22 geben, womöglich günstiger (im Ausland) oder teurer (für Bibliophile) hergestellt.

    Bevor man zur Panik aufruft und von einer “Zerstörung” spricht, sollte man immer die historische Dimension des Medienwandels im Hinterkopf haben, denn auch die Skriptoren, Illustratoren und Rubrikatoren des Mittelalters mussten irgendwann einmal umschulen.

  2. So viel Unsinn in vergleichsweise so wenig Text. Wenn man bei Brockhaus die Zeichen der Zeit verschlafen hat und nun Wikipedia indirekt den Schwarzen Peter für offensichtliches Mismanagement in die Schuhe schieben möchte ist das das erste Problem. Wenn das hier so übernommen wird ist das schon recht fragwürdig und kann sich an so manchem Bock, den man sowohl im Brockhaus als auch in der Wikipedia findet messen. Gipfel der Fragwürdigkeit ist die Behauptung

    ”Wer online nachschlägt, der tut das fast immer in der Wikipedia. Gewohnheiten sind schwer zu ändern, sodass es völlig offen ist, ob sich der Brockhaus-Online durchsetzen wird. Nicht immer entscheidet leider die Qualität.”

    Denn schon die Wikipedia hat bewiesen, wie schnell sich Gewohnheiten ändern können. Zudem hat der Qualitätstest des Sterns eine durchaus vorhandene Qualität der Wikipedia bewiesen. Klar gibt es dort Fehler. Wie auch im Brockhaus, im Meyers oder in der EB. Nur daß diese Fehler in der Wikipedia eben auch über den kurzen Dienstweg behoben werden können. Das ist ja offenkundig beim Brockhaus nicht geplant. und dann sollte man nicht vergessen, daß die Inhalte der Wikipedia frei sind. in einer Zeit, in der Bücher immer unerschwinglicher werden (ja was kostet denn die 21. Auflage des Brockhaus?) ist das einer der wenigen Punkte, die in diesem Land, das nahe vor einem Bildungssupergau steht, der einem noch Hoffnung macht. Und die Werbefinanzierung des Brockhaus sollte die Inhalte wirklich verlässlicher machen? Da fällt mir doch ein schönes altes Sprichwort ein: ”Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.”

  3. Es war nicht die Wikipedia die den gedruckten Brockhaus ‘zerstört’ hat und jetzt 50 Mitarbeiter auf dem Gewissen hat …

    Es gab zu wenig kluge Leute im Verlagsmanagement und zu viele kluge Leute (für den Erfolg des Projekts) die auf diese Form der

    – kulturellen Identität
    – sinnlichen Schönheit und
    – attraktiven Einrichtungsgegenstand mit Statussymbol

    verzichten können …

    (nach Florian Langenscheidt bei der Vorstellung, warum die 300.000 Stichwörter, auf 24.500 seiten in 30 Bänden für schlappe 2.490 Euro zum Erfolg werden muss)

  4. Der Vorteil geben über Wikipedia sind ja auch die geprüften Inhalte. Bei Wikipedia kann ja eigentlich jeder schreiben.
    Die Brockhaus-Bücher waren auch einfach zu unaktuell. Im Internet kann man die immer gleich updaten. Ein riesen Vorteil.
    Trotzdem ist es schon etwas traurig, dass die Bücher ganz eingestellt werden. Eine kleine exklusive Auflage sollte man vielleicht aufrechterhalten. Von der Qualität her wird Brockhaus wohl besser al Wikipedia.

    • Dazu gibt es tatsächlich Studien mit dem Ergebnis: Nein, die Qualität ist im Brockhaus nachweislich nicht besser als Wikipedia. Und eine “kleine exklusive Auflage” wäre ja genau so viel Arbeit in der Erstellung, wie eine riesige. Nur mit dem Unterschied, dass die wenigen Exemplare dann ein unbezahlbares Vermögen kosten würden. Für ein wenig Nostalgie ist das wohl zu viel verlegt.

  5. Das Wichtigste an der Wikipedia ist, dass sie Wissen frei (= wie in Freiheit) zur Verfügung stellt. Dem die Liebe zum Papier gegen über zustellen ist ganz schön arm.

    (Nebenbei gibt es Teile der WP auch in Buchform.)

    Übrigens: Es wird behauptet die Wikipedia sei nicht vertrauenswürdig. Wie sieht es mit der Titelaussage dieses Artikels aus? Wo sind die fundierten Quellen dafür?

  6. > Es wird behauptet die Wikipedia sei nicht vertrauenswürdig.

    Tatsache ist zumindest, dass ein Autor, der einen Artikel erstellt oder ändert, seine Qualifikation nicht nachweisen muss. Ich persönlich bin gerne bereit, auf die allerletzte Aktualität zu verzichten, wenn ich im Gegenzug dafür den Artikeln ein größeres Maß an Vertrauen entgegenbringen kann.

  7. @ReNe: Ich meinte mit “Wie sieht es mit der Titelaussage dieses Artikels aus?” die Aussage “Wikipedia zerstört den gedruckten Brockhaus”

    Wo ist die Grundlage für diese Behauptung?

  8. @Robert Schuster

    > Wo ist die Grundlage für diese Behauptung?

    Ich fasse den – zugegebenermaßen reißerisch formulierten – Titel als pointierte Schlagzeile und nicht als Tatsachenbehauptung auf. Trotzdem ändert dies nichts an der Kernaussage des Artikels, dass online und kostenlos verfügbare Lexika der Hauptgrund dafür sind, dass sich der gedruckte Brockhaus nicht mehr gut verkauft.

  9. Wikipedia ist qualitativ minderwertiger als ein auf Sachlichkeit erarbeites Lexikon. Wenn die Gewohnheit die Menschen dazu bringt, in dem ideologisch durchtränkten Wikipedia ihr Wissen finden zu wollen, sind sie es selbst schuld.
    Aber das ist das Problem: Internet hat fast jeder, aber eine gut ausgestattete Privatbibliothek nicht. Die Leute geben Geld für alles mögliche aus, nur eben wenig für “Wissen”, was gute Bücher symbolisieren.

    Wie Wikipedia funktioniert, wie ideologisch die vor allem politischen und gesellschaftlichen Themen sind:

    http://sciencefiles.org/2012/07/29/feindliche-ideologische-ubernahme-deutsche-wikipedia-droht-im-desaster-zu-enden/

  10. Lieber Anarchist,

    die Leute haben nun mal kein Geld für Nachschlagewerke. Da geht es nicht darum, dass man es nicht ausgeben will, es ist am Ende des Monats einfach nicht (mehr) vorhanden.

    Aber Deutschland geht es gut!

    Was ist dann mit Dunkeldeutschland? Wie werden wir das braune Pack los?

    Oder wäre es nicht Aufgabe von Politik und Wirtschaft dafür zu sorgen, dass alle profitieren und sich etwas leisten können. Keinen Billigfraß und kein Chinazeug kaufen müssen. Warum ist man auf ehrenamtliche Helfer angewiesen, wenn es um Flüchtlinge geht? Warum kann der Staat hier nicht ausbilden und anstellen? Ist es letztlich doch nicht so wichtig, diesen Menschen zu helfen?

    Warum wird Altenpflege so schlecht bezahlt unter schlechten Arbeitsbedingungen?

    Sollte Bildung nicht für alle gleichermaßen verfügbar sein?

    Ich werde mich diesem Thema widmen: Krudo – Schrei nach Hieben, erscheint im Januar 2016

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