Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hat eine viel beachtete Rede zum Urheberrecht gehalten. Besser als diese nichtssagende Phrase lässt sich der Inhalt ihrer Worte vor der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften eigentlich nicht zusammenfassen. »Buzzword-Bingo«-Spieler hätten ihre Freude gehabt.
In der Rede war so ziemlich alles drin, doch nichts gesagt und bloß nichts konkret festgelegt. Die vielfältigen Reaktionen auf die Rede zeigen, dass jeder das heraushören konnte, was ihm urheberrechtlich in den Kram passt.
Und trotz Leutheusser-Schnarrenbergers konkreter Feststellung: »Wir können nicht einfach die Mechanismen der analogen Welt eins zu eins auf die digitale Welt übertragen« wurde zwischen den Zeilen deutlich: »… aber wir werden es dennoch versuchen«.
Mehr verblüffte ein Detail am Rande: So ganz nebenbei definierte die Justizministerin den Begriff »Verlag« und machte deutlich, dass sie Zuschussverlage und Selbstzahlerverlage nicht als Verlage betrachtet.
Ja, aber: Alles drin und nichts konkret
Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger sprach sich für ein Leistungsschutzrecht für Zeitungsverlage aus, aber »Wie so ein Leistungsschutzrecht im Detail aussehen kann, ist offen«. Natürlich dürfe es den »Informationsfluss im Internet nicht beschneiden«. Es dürfe kein Verbot für das Setzen von Links geben. Allein das Frau Leutheusser-Schnarrenberger auf diesen zentralen und fundamentalen Web-Bestandteils hinweist, ist eher bedenklich.
Da wurde etwas Google-Kritik geübt, ohne den Namen Google zu erwähnen, da wurde aber in Richtung der Google-Kritiker auch gesagt, dass man den Eindruck gewinnt, es scheint bei »Appellen und Kampagnen vor allem darum zu gehen, dass einige Verwerter fremder Kreativität ihre lukrativen Geschäftsmodelle der Vergangenheit verteidigen wollen«.
Ãœber neue Instrumente, wie man der digitalen Wirklichkeit begegnen könnte, will die Justizministerin jedoch eindeutig nicht nachdenken. Die Kulturflatrate wird von ihr reichlich populistisch als »Internet-GEZ« abgetan, zumindest »stellen sich einige das offenbar so vor« – und offenbar auch die Justizministerin.
Wie soll man der Wirklichkeit der Tauschbörsen stattdessen begegnen? Mit einem »automatischen Hinweis auf seinem Bildschirm«, gemeint ist der Schirm des bösen Raubkopierers. Und da wird natürlich auch schon wieder ein »aaaaber« nachgeschoben: »Das Warnhinweis-Modell kann deshalb nur dann in Betracht kommen, wenn sich dies technisch ohne eine Inhaltskontrolle und Datenerfassung realisieren ließe«
Google und Hegemann-Kritik in einem Absatz
Neben Google wurde übrigens auch Helene Hegemann kritisiert, aber nicht erwähnt. Leutheusser-Schnarrenberger: »Es ist nicht fair, wenn die Bestseller-Autorin ihren Ruhm und Erfolg auf die Leistung des unbekannten Bloggers gründet und dies noch nicht einmal kennzeichnet.«
Hegemann und Google in einem Rede-Absatz? Darüber kann man denken, wie man will. Man kann sich auch die Frage stellen, ob es tatsächlich Hegemanns anonyme Quellenplünderung war, die sie zur »Bestseller-Autorin« machte, sofern sie das überhaupt ist.
Erstaunlich oft sprach Frau Leutheusser-Schnarrenberger von der Unterschicht der Kreativen, von denen, die das Urheberrecht eigentlich schützen soll und für die es gewährleisten soll, dass sie von ihrer geistigen Arbeit leben können – so sie es wollen oder müssen. Leutheusser-Schnarrenberger erwähnte »Autoren und Ãœbersetzer, Komponisten und Musiker, Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Softwareprogrammierer und Journalisten.« Ob sie mit »Kameraleuten« Fotografen meinte? Und kann die Arbeit eines Programmierers mit der eines Buchautors gleichgesetzt werden?
Doch auch das klingt zunächst gut, fängt die unterste Ebene der Kreativschaffenden mit einer direkter Ansprache ein, geht aber an der politischen Realität vorbei, bei der eine ernstzunehmende Lobby nur die Verwerter wie Musikindustrie und Verlage haben. Und die haben sich die Verwertungsrechte von den Urhebern vielleicht schon mit Total-Buy-Out-Verträgen gesichert. Ein Begriff übrigens, der in der Rede nicht vorkam – auch das ist bezeichnend.
Keine Vorfinanzierung: Zuschussverlage sind für die Ministerin keine Verlage
Speziell die Kritiker der so genannten Zuschussverlage erfreut jedoch ein kleines Rede-Detail am Rande. Immer wieder kämpfen Initiativen wie Fairlag für eine faire Verlagsarbeit. Zuschussverlage, die mit wohlklingenden Namen und vollmundigen Versprechungen von Autoren bis zu fünfstellige Beträge für eine Buchveröffentlichung abknöpfen, gehören eindeutig nicht zu den seriösen Vertretern ihrer Zunft.
Der Begriff »Verlag« kommt von »vorlegen«, das Risiko der Veröffentlichung trägt bei seriösen Unternehmen der Verlag und nicht der Autor. Dieser Definition schließt sich auch Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger an, die in ihrer Rede den Verlagsbegriff eindeutig definierte:
Aber die große Masse dazwischen, die Künstler, die erst einmal einen finanziellen Vorschuss brauchen, damit sie überhaupt ein Buch schreiben oder ihre Musik komponieren können, sie alle sind auch in Zukunft auf Verlage oder Labels angewiesen, die ihr Werk vorfinanzieren.
Vorfinanzieren oder womöglich gar einen Zuschuss zahlen – genau das machen Zuschussverlage nicht. Und wenigstens hier entfällt bei der Ministerin einmal das »Ja, aber«.
Wolfgang Tischer
Zum letzten Abschnitt: hier muß deutlich zwischen Belletristik und Wissenschaft unterschieden werden. Leider ist es heute so, daß mit Dissertationen und Qualifikationsschriften für die Masse kein große Verkaufszahlen zu erwarten sind. Dies liegt u. a. an den speziellen Themen, für die es nur einen kleinen Leserkreis gibt. Daher ist es üblich, Druckkostenzuschuß zu verlangen – dies machen alle Wissenschaftsverlage. Wohin sich dies aber in den letzten Jahren hinentwickelte, ist nicht mehr richtig nachzuvollziehen: recht hohe Druckkosten, aber keine entsprechende Gegenleistung (Satz und Korrektorat liegen i. d. R. beim Autor). Daß dies Widerstand bei den Forschern hervorruft, liegt auf der Hand. Hier sei an die Open Access-Bewegung erinnert. Bis zu einem gewissen Grad kann ich die Notwendigkeit von Druckkosten nachvollziehen, wenn die Dissertation so speziell ist, daß nur eine handvoll Leser zu erwarten sind. Aber ich erwarte vom Verlag auch eine Gegenleistung: ein ordentlich gesetztes Buch, entsprechende Werbung, verlegerische Betreuung und einen akzeptablen Preis. Darüber nachzudenken wäre für Verlage nicht verkehrt.
Interessant. Ihr Artikel ist genauso aussagefähig wie der Vortrag Leutheusser-Schnarrenberger.
In Zeiten von SEO kann man diesen Artikel wenigstens als Content für Google verkaufen.
zum Thema DKZV spar ich mir den Kommentar. Der Artikel zeigt wieder sehr anschaulich, wie meinungsbildender und manipulativer “Journalismus” funktioniert.
Zwischen Vorschuss zahlen und Zuschuss verlangen liegen doch Welten.
Und viele Zwischenstufen. Ist ein Verlag schon kein Verlag mehr, wenn er “nur” Korrektorat, Lektorat, Marketing, Vertrieb finanziert und den Autor damit groß macht?
Oder andersrum: Ist ein Zuschussverlag schon ein Verlag, wenn er auf den Zuschuss verzichtet, der Autor aber nie den Hauch einer Chance hat, auf eine Bestsellerplatz zu kommen?
Zufrieden ist der Autor, wenn er sein Publikum erreicht und davon leben kann – ob nun mit Vorschuss oder ohne, im Extremfall auch mit Zuschuss.
@if: Ganz genau. Die Leute, die immer nur über DKZV meckern (eher: hetzen) sind, wenn man genauer hinsieht, Autoren, Verleger usw, die alle im Verlagsbusiness fest verwurzelt sind. Sie sehen den Wirtschaftszweig bedroht, nicht die Rechte der Autoren.
Wenn ein Autor lieber das Geld für den Druck investiert, anstatt die Kosten für Bewerbung und Marketing bei Verlagen, die nur noch Bestseller sehen wollen, zu investieren, kann ich das nur gut verstehen.
Zeiten ändern sich, Verlagsstrukturen passen sich der Zeit an oder gehen unter.
Dissertation? -> Druckerei.
Druckerei ist kein Verlag.
Wer kontrolliert eigentlich den Schund der Großverlage , der uns als
Bestseller angeboten wird , wenn Zuschussverlage keine sind ?