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Warum immer Oderbruch? – Die Romane von Björn Kern

Kern-Land: Autor Björn Kern schreibt über den Oderbruch - diesmal apokalyptisch
Kern-Land: Autor Björn Kern schreibt über den Oderbruch – diesmal apokalyptisch

Wieso schreibt Björn Kern immer wieder über den Oderbruch? Was ist an dieser Gegend so spannend, dass der Autor in kürzester Zeit vier Bücher bei drei unterschiedlichen Verlagen veröffentlicht, die alle das Thema Flucht aufs Land behandeln?

Der Autor Björn Kern ist selbst vom Land in die Stadt geflüchtet. Aus dem heimeligen Schwarzwald in den Schmelztiegel Berlin. Dort muss es ihm irgendwann zu eng, zu laut, zu stickig geworden sein. Zurück in den Schwarzwald, zurück zu den Wurzeln, wollte er lieber nicht. Also ist er in diese Gegend gezogen, nach der man erst mal googeln muss. »Das Oderbruch ist ein ehemaliges Binnendelta der Oder im Landkreis Märkisch-Oderland«, erklärt mir Wikipedia. Ziemlich weit draußen, an der deutsch-polnischen Grenze.

Was hat Björn Kern dort gefunden, dass er über nichts mehr anderes schreibt als über den Oderbruch?

Obwohl wir beide aus derselben Gegend im Südschwarzwald stammen, war mir Björn Kern bislang kein Begriff. Immerhin hat er einige Auszeichnungen erhalten, unter anderem den Brüder-Grimm-Preis, einer seiner Romane wurde vom ZDF verfilmt.

2019 las ich sein Buch »Im Freien – Abenteuer vor der Tür«. Damals kam das mit den Mikroabenteuern in Deutschland auf. Damit sind Unternehmungen gemeint, die einen kleinen Expeditionscharakter beinhalten, aber statt im Amazonas eben in der heimischen Umgebung durchgeführt werden, wie zum Beispiel im Freien übernachten.

Schon damals klang aus Björn Kerns Schreibe eine so derart romantisch-verliebte Beschreibung seiner neuen Heimat durch, dass ich meinte, meinen nächsten Urlaub dort verbringen zu müssen.

Dann folgte »Solikante Solo«, ein Beziehungsroman, welcher ein ungleiches Paar beschreibt, das seine Hoffnung auf einen Neuanfang in ein altes Gutsschloss in eben jener Gegend setzt. Auch hier rücken die Protagonisten in den Hintergrund, Bühne auf für die verlassenen Weiten und die schrägen Charaktere der Einheimischen. Warum es eine Liebeserklärung des Autors an seine neue Wahlheimat war, habe ich im literataurcafe.de besprochen.

In »Wo die wilden Väter wohnen – Eine Stadtfamilie wag sich aufs Land« verarbeitet Björn Kern seine Erlebnisse aus den Anfängen seiner Landflucht. Witzig, schräg und komisch. Eine augenzwinkernde Hommage an das Leben auf dem Land, das doch nicht ganz so romantisch erscheint, wie in den Vorstellungen mancher Stadtväter.

Besonders amüsant für Leserinnen und Leser, die wie ich auf dem Land wohnen. Zwischen meinem Bergdorf im Schwarzwald konnte ich sogar Parallelen zu den Flachlandbewohnern im Oderbruch entdecken.

Und dann der Roman »Kein Vater, kein Land«, der etwas aus der Rolle fällt. Wieder geht es um eine Flucht von der Stadt aufs Land. Doch dieses Mal ist das Land nicht romantisch verklärt dargestellt. Es ist verseucht, feindlich, voller toter Tiere und verwesender Kadaver. Was ist passiert? Hat Björn Kern den Oderbruch auf einmal über? Denn hier schildert er eine apokalyptisch anmutende Wanderschaft von Vater und Sohn durch zerstörte Naturlandschaften auf der Suche nach einer neuen Heimat.

Kern-Land: Autor Björn Kern schreibt über den Oderbruch - diesmal apokalyptisch

Roadmovie, Endzeit-Fiktion und Beziehungsdrama. Björn Kerns neuer Roman füllt die Seiten mit wortgewaltigen Bildern, in der eine nicht näher bestimmte Landschaft im Osten die Bühne bildet. Eine Grenzregion, eine einstige Auenlandschaft, verseucht der Fluss durch die Abwässer einer Fabrik. Auf dem Weg dorthin Lee, ein Vater mit seinem fünfjährigen Sohn, der namenlos bleibt und nur als »das Kind« bezeichnet wird.

Björn Kerns Geschichte entwickelt einen eigenartigen Sog. Es ist seine eindrückliche Beschreibung der Landschaft, das Erleben der Natur, die er bis ins kleinste Detail skizziert, während bei seinen Protagonisten vieles nur angedeutet wird. Lee muss sich eingestehen, dass die intakte Natur seiner Kindheit längst verseucht ist und es kein Land ist, wo er seinem Sohn eine Heimat geben kann. Die Wälder sind voller toter Tierkadaver, der Fluss vergiftet, die Landschaft mehr tot als lebendig. Auch das Zusammentreffen mit seinem Vater wirft ungelöste Fragen auf. War er der Tierschützer, als den er sich darstellt, oder hat er gewildert und die Felle über die Grenze verkauft?

Das Ende bleibt offen, Lee will weiter, über die Grenze, zur zweiten Oma seines Kindes. Vielleicht findet er dort ja das Land, in dem er seinem Kind ein guter Vater sein wird.

Für uns als Leserinnen und Leser bleibt offen, wovon Björn Kerns nächstes Buch handeln wird. Ob er eine neue Heimat gefunden hat, von der er uns berichten wird?

Birgit-Cathrin Duval

Kern; Björn: Kein Vater, kein Land: Roman. Gebundene Ausgabe. 2021. Secession Verlag Berlin. ISBN/EAN: 9783966390415. 18,00 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Björn Kern: Wo die wilden Väter wohnen: Eine Stadtfamilie wagt sich aufs Land. Taschenbuch. 2021. Knaur TB. ISBN/EAN: 9783426791318. 12,99 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel

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