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Schreibzeug: Die 11 besten Texte eines großen Sommers

Schreibzeug-Pdocast mit Diana Hillebrand und Wolfgang Tischer
Schreibzeug-Pdocast mit Diana Hillebrand und Wolfgang Tischer

»Schreibe eine Geschichte mit maximal 2.000 Zeichen, die mit dem Satz ›Der Sommer war sehr groß.‹ aus Rainer Maria Rilkes Gedicht ›Herbsttag‹ beginnt . So lautete vor der Sommerpause die Schreibaufgabe des Schreibzeug-Podcasts. Jetzt ist Herbst. Nachdem Diana Hillebrand und Wolfgang Tischer allgemein über den Wettbewerb gesprochen haben, küren Sie jetzt die 11 besten Beiträge. Die prämierten Texte können hier nachgelesen werden.

Werkstatt und Präteritum

Sommerlandschaft mit SOMMER
Sommerlandschaft mit SOMMER

Traditionell gibt es vor der Sommer- und Winterpause des Schreibzeug-Podcasts eine Schreibaufgabe. Mit 227 Einsendungen wurde diesmal ein neuer Rekord erzielt. Bereits in der ersten Podcast-Folge nach der Sommerpause haben die beiden Podcaster Diana Hillebrand und Wolfgang Tischer die Einsendungen in einem Werkstattgespräch analysiert und einen Überblick gegeben, wie die Aufgabe umgesetzt wurde. Es galt, den Satz »Der Sommer war sehr groß« aus einem Gedicht an den Anfang eines Prosa-Textes zu stellen. Dabei kam unter anderem die Frage nach dem erzählerischen Präteritum auf, dem sich hier im literaturcafe.de ein eigener Beitrag widmet.

»Herbsttag« von Rainer Maria Rilke – hier klicken und das Gedicht lesen

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Die »Analysefolge« über den Wettbewerb (Schreibzeug-Podcast Folge 95)

Gläserne Jury: Die Gewinnertexte zum Hören und Lesen

In der Podcast-Folge 96 sprechen Diana Hillebrand und Wolfgang Tischer nun über die 11 Gewinnertexte und sie begründen als »gläserne Jury« ihre Auswahl. Sieben Texte werde ausführlich im Podcast besprochen und vorgelesen, vier weitere Geschichten werden ebenfalls ausgezeichnet. Die Gewinnerinnen und Gewinner werden in den nächsten Tagen persönlich von den beiden Podcastern benachrichtigt. Herzlichen Glückwunsch!

›Der Sommer war sehr groß‹ in 11 Texten

7 der 11 prämierten Texte zum Thema »Der Sommer war sehr groß« sind in der Podcast-Folge 96 zu hören, alle 11 Texte können hier nachgelesen werden. Die Reihenfolge stellt keine Platzierung dar. Die 7 und die 4 Texte stehen gleichrangig auf Platz 1 der Siegertreppe.

Viel Spaß beim Anhören und beim Lesen!

Die Folge mit allen vertonten Gewinnertexten (Schreibzeug-Podcast Folge 96)

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Jetzt aber zu den elf prämierten Texten. Die Reihenfolge stellt keine Platzierung dar. Über die Zahlen unten kann zwischen den Beiträgen geblättert werden.

Glückssommer

von Marleen Rapelli

Der Sommer war sehr groß.

Du liegst wie ein trockenes Blatt, das der Herbststurm schon lange vom Baum gerissen hat. Dein Körper schmiegt sich in die Ackerfurche, fast wie von selbst, deine Wange ruht auf feuchter Erde, um deinen Kopf ein heller Kranz aus gelöstem Haar. Über dir der weite Himmel.

Der Sommer war sehr groß.

Jener Himbeersommer. Tagelang standst du in der Küche, verschluckt von schwersüßem Dampf, das zartpfotige Schnurrtier zusammengerollt auf der Eckbank.
Es war ein Glückssommer, ein Tanz auf Messers Schneide, ihr wart dem Abgrund so nah und habt es gespürt und fülltet den Sommer randvoll. Bis zum Kesselrand, wie die blutrot blubbernde Marmelade, die dir auf die Mädchenhände spritzte. Du wuschst sie dir nicht von der Haut, denn er küsste sie weg, abends im Heu, wenn er vom Feld kam.

Und der Krieg schäumte, weit weg, dachtet ihr, dabei war er schon längst angekommen im Dorf und hatte Männer gestohlen und Männer gebracht. Hatte deinen Vater gestohlen und eben jenen gebracht.
Den mit fremder Melodie und ferner Heimat im Herzen und weichem Bartflaum am Kinn. Der helfen musste auf dem Hof und den du liebtest, seit er heimlich an den mütterlichen Kuhbauch gelehnt geweint hatte. Den der Krieg geschlagen und gepeitscht und ausgespien hatte, direkt in deine Arme, in deinen Schoß.
Trotzig verlangtet ihr nach Glück in jenen Tagen, die dunkel und grau und hohl waren und doch noch nicht so finster, wie es werden sollte.

Still begann es in deinem Leib, wuchs mit den Äpfeln. Als diese sich rot färbten, wurde es sichtbar, erst nur für dich und dann für ihn. Als der Winter kam, sahen es alle, trotz weiter Kleider, trotz dickem Mantel im bleichen Schnee.
So erschossen sie ihn. Warme Spritzer auf kaltweiß beschneitem Acker, blutrote Masse und der Himmel in offenen Augen.

Der Sommer war sehr groß.

Deine Wange ruht auf feuchter Erde, die die Schlachten längst verwunden hat.
»Die Alte liegt schon wieder auf dem Acker!«, ruft jemand, doch du hörst es nicht mehr.

Herr: es ist Zeit.

© by Marleen Rapelli. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe – gleich welcher Art – nicht gestattet.

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