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Podcast: Joachim Zelter über »Die Verabschiebung« – Wir alle suchen einen Platz

Joachim Zelter mit seinem Roman »Die Verabschiebung« (Foto: Tischer)
Joachim Zelter mit seinem Roman »Die Verabschiebung« (Foto: Tischer)

Ein Mann wird ins Ausland abgeschoben, obwohl er mit einer Deutschen verheiratet ist. In »Die Verabschiebung« verarbeitet Joachim Zelter die Geschichte seiner Schwester und seines Schwagers, und im Podcast des literaturcafe.de erzählt er von der Entstehung des Romans. Wie wirklich ist Literatur?

Man kennt diesen Satz aus Kinofilmen: »Basierend auf einer wahren Begebenheit«.

Dieser Roman ist eine Fiktion. Darin liegt seine Wahrheit. Es handelt sich um eine literarische, menschliche und gesellschaftliche Wahrheit, nicht um die faktengetreue Wiedergabe tatsächlicher Ereignisse.

So ist es in einer knappen Vorbemerkung zu Joachim Zelters Roman »Die Verabschiebung« zu lesen.

Sie kamen abends, um ihn zu holen. Er musste seine Sachen packen, innerhalb von Minuten. Von seiner Frau, die gerade ihren Vater besuchte, konnte er sich nicht mehr verabschieden. Er wurde nach Frankfurt in ein Sammellager gebracht und abgeschoben, obwohl er in Deutschland verheiratet war. Der grundrechtlich garantierte Schutz der Ehe schien nicht zu gelten.

So schildert Joachim Zelter eine Abschiebung. Er schildert zuvor auch die Inspektion der gemeinsamen Wohnung durch einen Beamten des Ausländeramtes. Alles wird sprachlich umgedreht.

Zelter, schon immer ein Meister des Repetitiven und der dichten Dialoge, zeigt die beklemmende Absurdität. Doch »Die Verabschiebung« ist ernster und in der Grundstimmung trauriger als seine bisherigen Romane. Ist der Beamte Zöllner eine Karikatur? Oder ist er, wie Zelter sagt, »bis zur Kenntlichkeit entstellt«?

Joachim Zelter: Die Verabschiebung

Der reale Fall, der diesem Roman zugrund liegt, sorgte im letzten Jahr in Tübingen für viel Aufsehen. Es gab eine Berichterstattung, es gab Leserbriefe, es gab Demos. Es ist der Ehemann von Zelters Schwester, der abgeschoben wurde. Auch im Buch gibt es einen Bruder, der der Schwester helfen will.

Zelter bezeichnet »Die Verabschiebung« als Diskursroman. Zelter will die Diskussion anregen, aber nicht eindeutig lenken. So lässt der Roman Vieles offen und Raum für unterschiedliche Positionen. Er selbst, sagt Joachim Zelter im Gespräch, könne sich sogar in den Beamten Zöllner versetzen. Auch in dieser Figur stecke ein Teil von ihm.

Der Roman ist Fiktion und setzt unterschiedliche Fälle zusammen. Er stehe exemplarisch nicht nur für einen pakistanischen Staatsbürger, der unbedingt in Deutschland leben möchte, sondern er steht am Ende für uns alle, die wir sehr verzweifelt – oder auch nicht so verzweifelt – nach einem Platz suchen, sagt Zelter im Podcast.

»Die Verabschiebung« ist ohne Frage seit langem Zelters bester und bewegendster Roman.

Wolfgang Tischer sprach mit Joachim Zelter. Beide waren Sie Mitte April 2021 vor Ort in Stuttgart, als die neue Edition Klöpfer im Krömer Verlag vorgestellt wurde, in der auch Zelters Roman erschienen ist. Es war eine Live-Bühnenveranstaltung im Stuttgarter Hospitalhof, die jedoch ohne Publikum stattfinden musste und gestreamt wurde.

Hören Sie das ausführliche Gespräch mit Joachim Zelter im Podcast des literaturcafe.de. Darin liest Joachim Zelter auch einen Ausschnitt aus seinem Buch.

Nutzen Sie den Player unten auf dieser Seite. Der Podcast des literaturcafe.de ist zudem auf allen Portalen wie Apple iTunesSpotify oder Deezer zu hören und zu abonnieren. Viel Spaß beim Hören!

Joachim Zelter: Die Verabschiebung: Roman (Edition Klöpfer). Gebundene Ausgabe. 2021. Alfred Kröner Verlag. ISBN/EAN: 9783520752017. 18,00 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Joachim Zelter: Die Verabschiebung: Roman. Kindle Ausgabe. 2021. Alfred Kröner Verlag. 14,99 €  » Herunterladen bei amazon.de Anzeige

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