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Zu Gast bei Paulo Coelho in Paris – Ein Bericht in zwei Teilen – Teil 2

Paulo Coelho mit einem seiner weiblichen GästeFortsetzung von Teil1: Aus meiner Tasche krame ich nochmals den Plan heraus, den mir Paulo Coelhos Assistentin Paula geschickt hat, um den Namen des Bootes herauszufinden, auf dem die Party des brasilianischen Autors stattfinden soll. Es legen hier an diesem Abend einige Boote zu privaten Festen ab. Es sind die typischen länglichen Ausflugsboote, flach genug, um unter den Brücken der französischen Hauptstadt hindurchzupassen.

Ich erreiche die »Zouave«. Es hat erneut zu regnen begonnen, und vor der Gangway zum Boot stehen zwei Mädels. Die eine mit Gästeliste, die andere hält einen Regenschirm. Die mit der Liste ist Paula, die mich herzlich begrüßt.

Ich betrete das Boot. Der Eingangsbereich ist mit rotem Teppich ausgelegt. An der verglasten Bugfront laden bequeme Sessel zum Verweilen ein. Rechts die Garderobe. Ein schwimmender Veranstaltungssaal.

Beim Anblick der ersten Gäste bin reichlich erstaunt. So sehen die Leser aus, die Paulo Coelho über das Internet eingeladen hat? Ich hätte ein Durchschnittsalter von 25 erwartet, doch die hier sind mindestens doppelt so alt. Und alle sind vornehm in Abendgarderobe gekleidet. Auch das habe ich mir anders vorgestellt. »From night gown to t-shirt«, hieß es auf der Einladung, vom Nachthemd bis T-Shirt sei alles erlaubt. Ich trage Bluejeans und glücklicherweise ein schwarzes Hemd, das mich einigermaßen rettet. Bin ich auf dem falschen Boot? Nein, das kann nicht sein. Viele der Leute scheinen sich zu kennen, sie stehen in Gruppen zusammen und unterhalten sich bereits angeregt.

Und da ist auch der Gastgeber Paulo Coelho im schwarzen Anzug und mit T-Shirt. Er schüttelt mir die Hand, begrüßt mich sehr herzlich. Ich danke ihm für die Einladung und drücke meine Verwunderung darüber aus, dass hier offenbar bereits jeder jeden kennt. Kein Problem, meint Coelho, ein Glas Champagner hilft.

Galerie: Paulo Coelhos St. Josephs Party 2008

Die runden Tische, an denen jeweils etwa zehn rot gepolsterte Stühle stehen, sind vornehm eingedeckt, vorn im Boot auf einer kleinen freien Fläche sind die Instrumente einer Band aufgebaut.

Ein junger Mann mit Schottenrock und Turnschuhen steht ebenfalls unschlüssig herum. So lerne ich Mike kennen. Er ist seit Kurzem selbstständig. Mit einem Modellflugzeug macht er Fotos und Filme aus der Luft. Seine ersten Kunden stammen aus der Immobilienbranche. Per Funk bekommt er die Bilder direkt aus dem Cockpit auf eine spezielle Video-Brille geliefert.

Auch Mike hat Coelho aufgrund seines Blog-Eintrags angeschrieben und gehört wie ich zu den glücklichen Auserwählten. Coelho finde er gut, wenngleich er kein eingefleischter Fan von ihm sei.

Die anderen Gäste, so erfahren wir nach und nach, sind Freunde, Bekannte, Nachbarn und Geschäftspartner Coelhos. Mit allen unterhält er sich freundlich und verbindlich und diese Art macht den Autor sehr sympathisch. So um die 30 Leute, erzählte er mir später, hat er über Plattformen wie MySpace und Facebook eingeladen. Und zur Sankt-Josefs-Party, die er zu Ehren seines Schutzheiligen feiert, lädt Coelho Freunde und Bekannte schon seit einigen Jahren immer am 19. März ein.

Coelho hat ein bewegtes Leben hinter sich, wurde in seiner Jugend in eine psychiatrische Klinik eingeliefert, verbrachte Jahre als Hippy, arbeitete für die Musikindustrie und fand auf einer Pilgerreise nach Santiago de Compostela zum katholischen Glauben (zurück).

So wird auch auf der Bootsfahrt vor dem Essen in fünf Sprachen der Heilige Josef um seinen Beistand gebeten.

Das Boot schippert ruhig und fast unmerklich die Seine entlang, das Essen (Pastete, Fisch und die zweite Crème brulée des Tages) ist lecker, die Gespräche gut und die Band verpasst selbst Beatles-Liedern einen Hauch Südamerika. Zwischen den Tischreihen wird getanzt, auch der Gastgeber ist dabei.

Coelho ist freundlich, ohne dass es künstlich oder aufgesetzt wirkt. Den ganzen Abend über sieht man ihn mal hier, mal dort am Tisch sitzen, immer im Gespräch mit seinen Gästen, deren Namen er alle zu kennen scheint. Er packt Geschenke aus, signiert von seinen Gästen mitgebrachte Bücher in allen Sprachen der Welt und lässt sich immer wieder von und mit seinen Gästen fotografieren. Er stellt diese untereinander vor, berichtet, woher er sie kennt und gibt jeder und jedem ein bisschen das Gefühl, einer der wichtigsten Gäste des Abends zu sein.

Dass Musik, die Gänge des Essens und der Tanz etwas unkoordiniert ineinander übergehen, spielt keine Rolle.

Coelho lässt für zwei Gäste, die heute Geburtstag haben, ein Happy-Birthday singen und später dann »das zweite Lied, das weltweit jeder kennt«: Frère Jacques. Backbord singt gegen Steuerbord im Kanon. Coelho dirigiert begeistert.

Fast unbemerkt ist es 23 Uhr 30 geworden. Das Schiff hat schon längst wieder am Quai angelegt, die Party klingt aus.

Als ich kurz nach Mitternacht das Boot verlasse und mich beim Gastgeber verabschiede, bin ich sehr erstaunt, dass er noch meinen Namen weiß.

Ein letztes Mal stelle ich an diesem Abend den beiden weiblichen Gästen, die sich mit mir zusammen auf den Weg zum nächsten Taxistand machen, die Frage, wie ihre Verbindung zu Paulo Coelho ist. Und siehe da, auch sie kennen ihn über MySpace.

Da soll also nochmal jemand sagen, Promi-Freundschaften auf MySpace seien nur Makulatur.

Wolfgang Tischer

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