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Mut zur einfachen Form: Die neue Website der Frankfurter Buchmesse

Die neue Website der Frankfurter BuchmesseSeit Anfang Mai 2008 hat die Frankfurter Buchmesse eine neue Website, und es erstaunt zunächst, was da seit letzter Woche unter www.buchmesse.de zu sehen ist.

Wir haben einen Blick auf die neue Website der Messe geworfen und uns mit Marifé Boix-García unterhalten, die als Leiterin der Abteilung eServices der Frankfurter Buchmesse für den neuen Webauftritt verantwortlich ist.

Eine internationale Wirtschafts- und Kulturveranstaltung wie die Frankfurter Buchmesse im Internet abzubilden ist keine leichte Aufgabe. Zielgruppen wie Aussteller, Fachbesucher und Journalisten haben unterschiedliche Anforderungen an eine solche Site. Zahlreiche Kataloge und Datenbanken – vom Ausstellerverzeichnis bis zum Veranstaltungskalender – müssen abrufbar sein. Darüber hinaus ist die Frankfurter Buchmesse ein Service-Unternehmen, das nicht »nur« für fünf Messetage im Oktober zuständig, sondern ganzjährig aktiv ist und die deutsche Buchbranche auf zahlreichen Buchmessen weltweit repräsentiert.

Aus solch einer Vielfalt an Themen, Daten und Zielgruppen resultieren häufig Internet-Angebote, die wie der Autobus im Ostfriesenwitz gestaltet sind: zwei Meter lang und 20 Meter breit, weil alle vorne sitzen wollen. Im Netz – so meint man oft – muss gleich auf der Einstiegsseite alles gezeigt werden, was man zu bieten hat. Da konkurieren Links und Bilder, Eingabefelder und mehr oder weniger sinnvoll strukturierte Menüpunkte um die Aufmerksamkeit des Besuchers. Für Nachrichtenportale mag das OK sein, aber reine Infosites werden so schnell unübersichtlich.

Die Einstiegsseite präsentiert sich spartanisch und fast ohne Text

Anders die neue Website der Frankfurter Buchmesse: Sie präsentiert sich auf der Startseite spartanisch und fast ohne Text. Drei große Flächen repräsentieren die drei Bereiche Messe, Verzeichnisse und weltweite Aktivitäten. Das Logo der Messe selbst ist klassisch oben links platziert. Die Fußzeile weist die üblichen Punkte wie Impressum, Kontakt oder Datenschutz auf. Mit Pfeilen gekennzeichnete Links führen am oberen Rand zu Login oder Registrierung für spezielle Dienste und zur englischen Sprachversion.

Sonst nichts. Keine Marketingphrasen, nicht die üblichen Bilder von lachenden Menschen oder gefüllten Messehallen. Die Buchmesse widersetzt sich diesen Website-Klischees und beweist einen wohltuenden Mut zur einfachen Form. Was zu Beginn erstaunt, überrascht, weil es funktioniert.

Klickt man auf die prägnanteste und daher in rot gehaltene Fläche »Frankfurter Buchmesse 2008«, so präsentieren sich die Unterseiten beinahe schon in einem weblog-artigen Design. Nichts wirkt gedrängt oder gequetscht, Freiräume und Flächen schaffen Ruhe und stehen für kompetente Sachlichkeit. Texte dominieren. Das ist nicht nur gut für die Suchmaschinen, sondern auch für die Besucher. Untersuchungen zeigen, dass insbesondere Überschriften und andere exponierte Texte ein wichtiges Orientierungselement darstellen.

Bildergalerie: So präsentiert sich die neue Website der Frankfurter Buchmesse

Auch inhaltlich hat man ganze Arbeit geleistet. Denn wenn auf einer solchen Site Texte im Mittelpunkt stehen, dann zählen Informationen. Die Website verzichtet auf das oft eingesetzte, unnötige und abschreckende Marketingblabla, sondern bringt Informationen kurz auf den Punkt. Klar erkennbare Absätze, Aufzählungen und deutlich hervorgehobene Links strukturieren den Text vorbildlich.

Die drei durch Flächen symbolisierten Bereiche der Einstiegsseite finden sich zur Orientierung auch auf den Unterseiten wieder. Da es Querverweise zwischen den Bereichen gibt, wird so deutlich, wo man sich gerade befindet. Darunter findet sich eine horizontale Navigation, die sich im wesentlichen an den Zielgruppen orientiert.

Eine horizontale Navigation kann problematisch sein, denn die Nutzer haben sich daran gewöhnt, dass sich die Menüpunkte auf einer Website in den meisten Fällen links befinden. Eine horizontale Platzierung wird oft übersehen. Doch das schlichte und übersichtliche Layout lässt die Punkte gut hervortreten. Im Bereich »Messe« ist das Datum der Veranstaltung als Info- und Designelement in den Kopfbereich der Seite eingebaut. Am linken Rand findet sich auch hier die Unternavigation auf maximal zwei Ebenen. Mehr Struktur würde eher verwirren als nutzen. Unter der Navigation finden sich bei Bedarf auch Downloads, Themenboxen und andere kontextrelevante Zusatzinfos.

Der zweidimensionale Look der Seiten wurde auch bei den Eingabefeldern und Absende-Buttons der Formulare durchgehalten. Früher galt dies als problematisch. Web-Design Koryphäe Jakob Nielsen riet daher eindeutig dazu, Eingabefelder klar als solche zu gestalten, also das dreidimensionale Aussehen der Standardfelder beizubehalten. Doch auch hier hilft die klare Struktur der neuen Messeseiten, sodass die Felder, wie z. B. die zentrale Suchfunktion oben rechts, klar als solche zu erkennen sind, auch wenn sie nicht herkömmlich aussehen.

Überhaupt ist eine gute Suchfunktion elementar für eine Website. Auch hier zeigen Untersuchungen, dass die meisten Nutzer gar nicht erst versuchen, die Struktur der Navigation zu verstehen, sondern gleich die Suche nutzen.

Baustellen bei Suchfunktion und Suchmaschinenoptimierung

Hier wird jedoch offensichtlich, dass die Website noch ein paar Baustellen besitzt, denn die Suchfunktion steht derzeit nicht zur Verfügung, wie man nach einer Suchanfrage erfährt.

Ebenfalls zeigt sich, dass viele der Seiten noch keinen eindeutigen und aussagekräftigen Titel haben. Hier finden sich entweder noch technische Platzhalter wie »Page.HTML.Title.search.quick«, sie sind zu beliebig (»Aussteller«) oder es findet sich – wie auf der Einstiegsseite – gar kein Titel. Hier müssen die Techniker schleunigst nachbessern, denn die Begriffe im Seitentitel sind für Google und Co. einer der wichtigsten Faktoren bei der Ermittlung der Relevanz einer Seite. Zu lange sollte die Site also auf diesem Gebiet nicht »nackt« im Netz stehen, denn der Seitentitel ist gleichzeitig auch die Ãœberschrift jedes Google-Ergebnisses und der Namen der Browser-Lesezeichen, die sich ein Nutzer speichern kann.

Hier hat die neue Site gegenüber der alten einen klaren Vorteil, denn endlich können Unterseiten gezielt in die Bookmarks aufgenommen und wieder direkt angesprungen werden. Die alte Site erlaubte dies aufgrund der eingesetzten nur bedingt.

Ist man über Suchmaschine oder Bookmark direkt auf einer Unterseite der Website gelandet und will man zurück an den definierten Punkt der Einstiegsseite, so irritiert es, dass dies – wie fast auf allen Websites – nicht über das Logo oben links möglich ist. Dieses sollte unbedingt noch mit einem Link auf die Startseite versehen werden. Zudem besitzt es keinen beschreibenden Title-Tag und nur die rudimentäre Alt-Bezeichnung »Buchmesse Logo«. Da dies für die Suchmaschinen der erste erkennbare Text jeder Seite ist, sollten und müssen diese Texte noch optimiert werden.

Technisch ist die Website mit dem kommerziellen Content-Management-System Imperia realisiert. Die zeitgemäße Umsetzung mit CSS macht die einzelnen Seiten schlanker, sodass diese schneller und rascher angezeigt werden. Insbesondere beim Info-Ansturm kurz vor und während der Messe ist dies wichtig.

Bedauerlich ist, dass bislang nirgendwo auf der Website RSS-Feeds angeboten werden.

Interessant wird es sein, ob die Messe- und Website-Verantwortlichen den Stil der sinnvollen Reduktion bei Inhalt und Gestaltung auch während der Messe und im laufenden Betrieb konsequent durchhalten werden. Dann wird es spannend, wie weitere Angebote wie z. B. Bildergalerien ins Angebot integriert werden.

Nachtrag: Die Buchmesse hat schnell reagiert und bereits einige der oben erwähnten Punkte verbessert wir z. B. die Verlinkung des Logos mit der Einstiegsseite.

Interview mit Marifé Boix-García, die als Leiterin der Abteilung eServices der Frankfurter Buchmesse für den neuen Webauftritt verantwortlich ist

Die Neugestaltung einer Website wie die der Frankfurter Buchmesse verlangt einiges an Planung und Vorbereitung. Wir haben dazu die Leiterin der Abteilung eServices der Frankfurter Buchmesse, Marifé Boix-García, befragt.

literaturcafe.de: Frau Boix-García, wie lange wurde insgesamt am neuen Web-Auftritt der Frankfurter Buchmesse gearbeitet?

Boix-García: Inklusive aller Vorarbeiten ungefähr ein Jahr.

literaturcafe.de: Was waren denn die Hauptkritikpunkte an der alten Website gewesen?

Boix-García: Zum einen entsprach die Site nicht mehr den Standards. Als sie vor Jahren konzipiert wurde, war der wichtigste Anspruch zu zeigen, dass wir das gesamte Jahr – auch online – aktiv waren. Deswegen wurde damals eine Startseite gewählt, auf der sich täglich die Inhalte änderten.
Zum anderen ist das Angebot unseres Unternehmens in den vergangenen Jahren umfangreicher geworden. Neue Produkte oder Dienstleistungen gingen in der Informationsfülle unter.
Die User waren generell überrascht über die vielen Informationen, aber die Website wurde als überfrachtet wahrgenommen. Die Orientierung fiel schwer.

literaturcafe.de: Auf welcher Basis wurde die Struktur der neuen Website erarbeitet?

Boix-García: Wir haben die Agentur Iconstorm beauftragt, eine Usability-Studie durchzuführen. Es wurden videobasierte Experteninterviews gemacht, die im Anschluss analysiert worden sind. Vertreter aller Zielgruppen wurden befragt: vom Journalisten über den Aussteller bis zum Wochenendbesucher. Parallel dazu hat die Geschäftsleitung unseres Unternehmens in einem Workshop Stärken und Schwächen der Marke »Frankfurter Buchmesse« diskutiert sowie eine Positionierung erarbeitet.
Aus all diesen Erkenntnissen wurde von Iconstorm eine Empfehlung für die Websitestruktur erarbeitet.

Unternehmensintern haben wir eine Projektgruppe gegründet, in der Vertreter aus allen Abteilungen mitgearbeitet haben. Die Projektgruppe hat sich mit der Strukturempfehlung auseinandergesetzt und die endgültige Struktur definiert.
Die Abteilung eServices hat nach erfolgter Programmierung die Website mit Inhalten gefüllt und damit das Projekt Relaunch abgeschlossen.

literaturcafe.de: Welche Agenturen und Dienstleister waren noch an der Realisierung der neuen Website beteiligt?

Boix-García: Die Gestaltung stammt von der Brand Implementation Group. Die Agentur ist auch für die gesamte Programmierung der Bereiche verantwortlich, die redaktionellen Inhalt enthalten.
Die Firma Glück & Kanja Consulting AG programmiert die Datenbanken (Unternehmen, Personen, Titel, Pressemitteilungen – der Veranstaltungskalender folgt im Juli) sowie weitere Online-Tools, wie etwa die Terminfunktion für Verabredungen mit Geschäftspartnern während der Messetage oder die Möglichkeit, sich nach eigenen Interessen Unternehmen, Geschäftspartner oder Titel zusammenzustellen und sich damit die persönliche Messetour zu organisieren.
Für die Programmierung der Stand-Anmeldung zur Buchmesse sowie des interaktiven Hallenplans ist die Firma GCE verantwortlich.

literaturcafe.de: Frau Boix-García, vielen Dank, dass Sie trotz des Relauch-Stress’ Zeit für die Beantwortung der Fragen gefunden haben!

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