StartseiteLiterarisches LebenLyrik-Experte und Literaturkritiker Michael Braun ist tot

Lyrik-Experte und Literaturkritiker Michael Braun ist tot

Michael Braun im Oktober 2022 bei der Verleihung des Gerlinger Lyrikpreises (Foto: Tischer)
Michael Braun im Oktober 2022 bei der Verleihung des Gerlinger Lyrikpreises (Foto:Tischer)

Er war Deutschlands fundiertester Lyrik-Kenner. Er moderierte unzählige Veranstaltungen, wählte in Jurys die besten Gedichte aus, arbeitete als Poesie-Experte für den Deutschlandfunk und zahlreiche andere Medien. Am 23. Dezember 2022 verstarb Michael Braun völlig unerwartet im Alter von 64 Jahren.

Die deutschsprachige Lyrik-Szene verliert ihren profundesten Kenner. Niemand hatte sich über die Jahre einen solchen Ruf als Lyrik-Experte erarbeitet, als der 1958 in Hauenstein in der Pfalz geborene Michael Braun. Kein Lyrik-Festival war denkbar, ohne dass er nicht eine Veranstaltung moderierte. Braun über die Jahre in fast allen Jurys von Lyrik-Preisen. Viele Jahre gab er den Deutschlandfunk Lyrikkalender heraus. Überhaupt war er gern gesehener und gehörter Gast in Radiosendungen, wenn es um die Lyrik ging. 2018 erhielt der studierte Germanist und Philosoph den Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik verliehen.

Ich selbst durfte mehrfach mit ihm in der Jury des Gerlinger Lyrikpreises zusammenarbeiten und diskutieren. Ich erlebte einen Mann, der für die Poesie brannte, der seine Meinung über Gedichte – positiv wie negativ – fundiert und mit vielen Bezügen und sachlichen Argumenten begründete. Er sprach für die Sache, nie affektiert, fast zurückhaltend und ohne überbordendes Ego.

Noch am Montag, schreibt Beate Tröger in der FAZ, habe sie mit ihm Lyrikgespräche für den Deutschlandfunk aufgezeichnet. Markus Clauer berichtet in »Die Rheinpfalz«, dass Michael Braun noch am Donnerstagabend mit seinem Verleger zusammengesessen habe. In der Nacht zum 23. Dezember 2022, so Clauer, starb Michael Braun an einer Embolie.

Wolfgang Tischer

Weitere Nachrufe:

Hans Thill im Deutschlandfunk: »Der Schriftsteller Hans Thill würdigt ihn als bescheidenen Menschen ohne Allüren und mit einer großen Liebe für noch die abseitigste Stimme in der Dichtkunst.«

Ulrike Draesner in der ZEIT: »Er war unbestechlich und dezidiert, aber musste nicht recht haben. Die Literatur war ihm wichtiger als er selbst.«

Beate Tröger in der FAZ: »Er war ein kritischer Fixstern im so wilden und bunten Kosmos der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, ein enthusiastischer Vermittler der Dichtkunst des 21. Jahrhunderts.«

Gregor Dotzauer im Tagesspiegel: »Michael Braun wollte nur noch über Dinge schreiben, die ihm wichtig waren, und die fand er vor allem in der Poesie. Nicht nur durch die Ausdauer und Akribie, mit der er dies verfolgte, kann man behaupten, dass er Deutschlands wichtigster Lyrikkritiker war.«

Hauke Huckstädt im Börsenblatt: »Mit Michael Braun ist der wichtigste und weit und breit einzig universale Kenner der deutschsprachigen Lyrik des 21. Jahrhunderts gestorben. Mit ihm verschwindet eine turnschuhtragende Wissensbereitschaft, die unwiederbringlich scheint.«

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