
Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat »KI-Ära« zum Wort des Jahres 2025 gekürt. Vor der heutigen Ankündigung lässt sich der Begriff im öffentlichen Sprachgebrauch jedoch kaum nachweisen. Was soll dieses Wort?
Ein Wort erscheint zur Preisverleihung
»KI-Ära« soll das Jahr 2025 sprachlich repräsentieren. So hat es die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) heute entschieden. Der Begriff stehe für einen »epochalen Wandel, vergleichbar mit der Industriellen Revolution«, teilte die Jury in Wiesbaden mit. Andrea Ewels, Geschäftsführerin der GfdS, lobte das Wort als »kurz, verständlich und emotional aufgeladen«.
Eine kurze Recherche in deutschsprachigen Medien, Zeitungen und Online-Publikationen zeigt: Der Begriff existierte vor der heutigen Bekanntgabe praktisch nicht.
Ein einziger Beleg in neun Monaten
Das Googeln nach Verwendungsbeispielen fördert genau einen authentischen Beleg zutage: Jonas Andrulis, Gründer von Aleph Alpha, schrieb am 25. Februar 2025 in einem Gastkommentar für das Handelsblatt: »Die KI-Ära kann souverän werden.« Ein einzelner Satz in einem Fachbeitrag über KI-Geschäftsmodelle.
Alle anderen Treffer stammen logischerweise vom heutigen Tag und beziehen sich auf die Wahl zum Wort des Jahres. Der Begriff tauchte davor weder in politischen Debatten auf noch in Talkshows oder Leitartikeln.
Gebräuchlich sind andere Begriffe
Wer 2025 leicht euphorisch über künstliche Intelligenz schreibt, verwendet andere Formulierungen: »KI-Boom«, »KI-Hype«, »KI-Revolution« oder schlicht »Künstliche Intelligenz«. Die GfdS betont zwar, dass »nicht die Häufigkeit eines Ausdrucks für die Auswahl entscheidend« sei, »sondern seine Signifikanz und Popularität«. Doch wie kann ein Begriff auch nur annähernd populär sein, wenn ihn niemand verwendet?
Die Jury erfindet einen Begriff
Die Jury der GfdS dokumentiert hier keinen Sprachgebrauch – sie erfindet ihn. Frühere Wörter wie »Ampel-Aus« (2024), »Zeitenwende« (2022) oder »Wellenbrecher« (2021) prägten tatsächlich Medien und öffentliche Debatten. »KI-Ära« hingegen ist ein Kunstprodukt aus der Wiesbadener Zentrale. Statt »Wort des Jahres« ist es eher ein erfundenes »Wort für das Jahr«.
Dabei wäre die Auswahl an Alternativen nicht schwer gewesen. »KI-Boom« stand bereits 2023 auf der Auswahlliste, »generative Wende« 2024 – beide Begriffe wurden tatsächlich verwendet. Auch das banale »Künstliche Intelligenz« hätte echte Debatten abgebildet.
Wort des Jahres als Eigenwerbung
Die Wahl zum Wort des Jahres soll den Sprachgebrauch reflektieren und dokumentieren, was Menschen bewegt. »KI-Ära« erfüllt dieses Kriterium nicht. Ab heute werden Medien pflichtschuldig davon berichten – schließlich ist es nun das offizielle Wort des Jahres 2025. Ob es sich danach im Sprachgebrauch etabliert, bleibt abzuwarten.
Auf Platz zwei landete übrigens »Deal« – eines der Lieblingswörter von Donald Trump. Man kann es täglich auch hierzulande hören und lesen. Vielleicht hätte die Jury besser dieses Wort gewählt. Es wäre ein Deal gewesen.
Wolfgang Tischer

