Wellers Wahre Worte am Café Tisch
November 2001 - Die monatliche Kolumne von Wilhelm Weller


Des Ottos neue Kleider
Otto Schily, stets adretter Anzug- und Krawattenträger, präsentiert sich in ungewohntem Outfit
Wilhelm Weller


Am neuen OTTO - Katalog scheiden sich bekanntlich die Geister: viel zu umfangreich sei er, beklagen die einen, ohne wirklich gute Ideen, beklagen die anderen.
     Am meisten schmerzt Otto Schily der Vorwurf, er habe nur einen Haufen Papier produziert - gut genug, um es einem erkannten Terroristen um die Ohren zu hauen, aber völlig ungeeignet, um damit tatsächlich unerkannte Terroristen aufzuspüren und ihrer habhaft zu werden.
     Wie ein Rückzugsgefecht muten Fantasien an, die der Minister in einem SPIEGEL-Interview hinsichtlich alternativer Verwendungsmöglichkeiten seiner »Haus-Arbeit« entwickelte:

»Dafür trage ich keine Verantwortung ... ob sich das [OTTO - Katalog] einer unter sein Kopfkissen zu legen versteht oder nicht«.

Wie eine Entschuldigung klingt auch sein Hinweis, der Katalog sei ja »zunächst einmal [nur] eine Ideensammlung«.
     Verwirrend schließlich seine Ankündigung, den Katalog in ein »Säurebad« zu tunken, um daraus alchemistisch ein »goldenes Schmuckstück« zu gewinnen.
     So wirbt man eigentlich für die SKL-Klassenlotterie aber nicht für den OTTO - Katalog.
     Ob die Konzernzentrale über eine solche PR ihres Inland-Gebietsleiters glücklich sein kann?

Doch damit genug der Wortspiele. Jeder Leser, der etwas Verstand besitzt, weiß natürlich, dass Otto Schily außer seinem Vornamen mit dem nämlichen Versandhaus nichts gemein hat.
     »Wir machen keinen Basarhandel« - mit dieser klaren Feststellung tritt der früher militante Verteidiger der anarchistischen Royal Air Force (RAF) allen Spekulationen, Vermutungen und Verwechslungen entgegen.
     Otto Schily ist Innenminister und produziert in seinem Haus für den Mann auf der Straße Sicherheit von der Stange, wobei das jüngst geschnürte Anti-Terror-Paket gewissermaßen die Winterkollektion darstellt.
     Eisige Zeiten sind es fürwahr, wir alle müssen uns warm anziehen und auf der Hut sein.
     Vor allem der Schlapphut, essenzielles Accessoire des neuen OTTO-Katalogs, wird eine Renaissance erleben, in allen üblichen Farben: aschgrau , mausgrau, staubgrau.
     Modische Zielgruppe können und dürfen nicht allein das BKA, der BND, der MAD sein.

Bei den gegenwärtigen Gefahren, vor allem solchen, die von oben drohen, Schauer über Schauer, empfiehlt sich ein effektiver Kopfschutz auch für die breite Bevölkerung. Zudem kann jeder, der gegen den Terror kämpfen will, damit Flagge zeigen - keine amerikanische zwar, aber dafür eine fast universell einsetzbare. Als Dresscode dient der Schlapphut schließlich auch zur klaren Abgrenzung von allen Kopftuch- und TurbanträgerInnen: Hier die Fahnder, dort die Gefahndeten.
     
Für den arrivierten Herren, der eine männlich-sportive Note demonstrieren will, kommt auch ein etwas abgewandelter Motorradhelm in Frage. Chic vor allem der hoheitlich wirkende Adler auf der Stirnseite.
     
Ein Schirm wird durch Hut oder Helm nicht überflüssig. Er kann eine Sicherheitszone schaffen, in welcher im Gefahrenfall der Gentleman generös auch Mitmenschen Schutz gewährt. Der Knirps von Anno Dazumal ist heute allerdings ein HighTech - Produkt, der in seinem schlanken, edlen Design eher an einen Polizeiknüppel erinnert. Tatsächlich ist er als solcher auch einsetzbar und wirkungsmächtiger als ein Baseballschläger, dem mittlerweile ohnehin das Prolo-Image anhaftet. Dezenter Anzug, pastellfarbenes Hemd, dunkle Krawatte, schicker Helm und als modisches i-Tüpfelchen der spielerisch geschwungene Knüppelknirps: bei einer so umwerfenden Kombination hat der Herr von Heute gut lachen, er wird seine Wirkung weder im Kollegenkreis noch in der Damenwelt verfehlen.

In seiner Karriere als Dressman hat Otto Schily immer wieder markante Modesignale ausgesandt, ob als »Baader-Meinhof-Sympathisant« im klassischen Dreireiher, oder später als grüner Bauarbeiter im Trenchcoat. Auch sein neues, martialisch scheinendes Outfit könnte wieder stilprägend werden.
     Über Otto und seinen neuen Katalog ist also das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Wilhelm Weller

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