Näumanns NörgeleiEine Tasse Kaffee
Monatliches vom Café-Tisch - Juli 1998


Ganz privat

Näumann am Café-TischWorüber soll man bloß nörgeln? Vielleicht über Fußball, das bietet sich ja an. Aber solange die in Frankreich spielen und ich in Ruhe zuschauen darf, bin ich eigentlich völlig zufrieden. Jawoll. Also Hauser. Lohnt sich das? Er kommentiert die WM weder öffentlich noch privat-öffentlich, also was soll’s. Über ihn haben andere sicher schon viel Besseres geschrieben. Öffentlich war auch das Gelöbnis, das die Bundeswehr privat in Berlin feierte, denn die Öffentlichkeit konnte dem Spektakel überhaupt nicht zuschauen, höchstens privat am eigenen Fernseher. Gibt’s da wenigstens was zu nörgeln? Was die Leute privat so treiben kann mir ja egal sein, allerdings habe ich auch schon bessere Folklore gesehen. Folkloristisch wesentlich besser war z.B. der »Karneval der Kulturen«, der vor vierzehn Tagen durch die Kreuzberger Straßen zog. Hier gibt’s nun wirklich nichts zu nörgeln. Es war übrigens eine reine Privatveranstaltung. Das heißt, dafür dass die Veranstalter öffentlich für politische Ziele demonstrieren, müssen sie hinterher privat den Müll wegräumen. Die Loveparade ist da wesentlich pragmatischer, hier demonstrieren die Veranstalter für private politische Ziele, dafür muss die Öffentlichkeit hinterher den Müll beseitigen. Immerhin ist sie als »politische Demonstration« eine öffentliche Veranstaltung. Darüber gäbe es nun einiges zu nörgeln, aber auch dieser Kaffee ist mittlerweile so kalt wie der Urin, der den Tiergarten noch vom letzten Jahr verseucht. Glücklicherweise nur mit Stickstoff, der bekanntlich nicht radioaktiv ist. Arme Frau Merkel! Aber weil ja nach Frankreich nicht nur Castoren, sondern auch Bertis Buben geschickt wurden, ist sie erst mal aus dem Schneider. Und ich geh’ jetzt Fußball gucken. Ganz privat.

Johannes Näumann


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