Näumanns NörgeleiEine Tasse Kaffee
Monatliches vom Café-Tisch - Februar 1997


Degas in Posemuckel

Näumann am Café-TischDas waren noch Zeiten, als wir, zwar eigentlich reich und mächtig, in brenzligen Fragen immer schön den Mund halten mussten und uns brav nach außen in Bescheidenheit zu hüllen hatten. Deutschland war geteilt in zwei politische Zwergstaaten, die von ihren großen Brüdern stets zurückgepfiffen wurden, wenn sie sich zu weit aus dem Fenster lehnten. Keine Verbalkinkeleien, weltpolitische Rüheeier oder als Bismarckheringe getarnte Kohlrouladen. War das schön.
     Denn seit ein paar Jahren »sind wir wieder wer«!
     Wir dürfen wieder tun und lassen was wir wollen, wie alle anderen auch. Zum Beispiel: Forderungen stellen. Ein besonders schönes Beispiel an politischer Weitsicht und diplomatischer Klugheit lieferte daher kürzlich die Direktorin eines Wuppertaler Museums.
     Im Louvre hängt Beutekunst! Nicht nur »der Russe« hat sich also 1945 an heiligem deutschen Kulturgut schadlos gehalten sondern auch »der Franzose« in Wuppertal. Und nun fordert die eifrige Dame die Gemälde von Delacroix und Courbet wieder zurück. Sie seien nämlich zwischen 1940 und 1942 juristisch einwandfrei von ihrem damaligen Amtsvorgänger in Frankreich gekauft worden. »Recht« und »Gerechtigkeit« haben eigentlich wenig miteinander zu tun und in Verbindung mit »Krieg« schon gar nicht. Auch nach Ausschwitz ist niemand schwarz gefahren, die Reichsbahn rechnete penibel für jeden »Fahrgast« ein Ticket 3. Klasse ab.
     Halb Europa war von den Deutschen besetzt. Zunächst räumten die Parteibonzen ab, überwiegend aus konfisziertem jüdischem Besitz, Ölgemälde, Gobelins, Möbel für das weltmännische Interieur protziger Landsitze im Berliner Umland. Danach kamen die Geschäftemacher, Schnäppchenjäger und Kriegsgewinnler. Privatleute, skrupellose Jäger und Sammler, Vertreter von Galerien oder Museen. Wollten wir nicht schon immer einen Degas für unser Heimatmuseum in Posemuckel?
     Der Franc war per (deutschem) Dekret abgewertet, die Versorgungslage im besetzten Frankreich katastrophal. Natürlich wirkte sich das auch auf den »Kunstmarkt« aus: Die Preise für Gemälde standen unter Druck, weil Brot und Milch unbezahlbar waren.
     Hier sich auf Kaufverträge zu berufen, die nur deshalb juristisch einwandfrei gewesen sind, weil vorher Wehrmacht und Gestapo die Rechtsgrundlagen geschaffen haben, grenzt schon an eine gnadenlose Ignoranz und zeigt den völligen Verlust eines Gefühls für Moral und Anstand.
     Vielleicht setzt sich ja auch in unserer neuen »Wirsindwiederwerrepublik« irgendwann die Erkenntnis durch, dass Größe nicht aus Rechthaberei wächst, sondern aus Großzügigkeit. Aber das wird wohl noch eine Weile dauern.

Johannes Näumann


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