Buchmesse 2005: »Ein Fest der leisen Höhepunkte«
Buchmesse 2005? Alles schon wieder vergessen? Gerade noch Medienrummel scheinbar ohne Ende und nun schon wieder lange vorbei. Damit nicht alles vergessen wird, fasst Barbara Fellgiebel auch in diesem Jahr ihre wichtigsten Eindrücke von fünf Messetagen hier zusammen.

Buchmesse Eingang

Noch mehr Messe für Ihren MP3-Player: Über 30 ungekürzte Autoren-Interviews
Das Literatur-Café war für Sie an allen Messetage auf der Messe unterwegs und sprach mit bekannten und unbekannten Autoren, Verlagen und Lesern. Unter anderem mit: Roger Willemsen, Elke Heidenreich, den 7 Todsünden, Robert Gernhardt, Jess Jochimsen, Klaus Bednarz, Hans-Ulrich Treichel, Kirsten Fuchs, Harald Welzer, Manuel Andrack und viele mehr. Ein ungewöhnlicher akustischer Eindruck, wie Sie ihn so nicht im Radio hören oder Fernsehen sehen werden.

In diesem Jahr ist manches anders. Die Buchmesse findet so spät statt, dass die eklatante Bekanntgabe des diesjährigen Nobelpreisträgers bereits Tage zuvor erfolgt ist. Der Theaterstückeschreiber Harry Potter, äh, ich meine Harold Pinter hat literarisch nicht den Stellenwert eines Günter Grass oder einer Elfriede Jelinek. Von vielen wird die Stockholmer Entscheidung als abstrus, hilflos, unnachvollziehbar angesehen. Nun sei die Akademie endgültig bei der Avantgarde von vorgestern angekommen und habe die Erwartungshaltung für die Zukunft souverän heruntergedimmt.

Meine Buchmesse 2005 beginnt am Mittwoch um 14.00 Uhr im Lesezelt. Es wird immer morscher, unansehnlicher, betagter und dabei immer liebenswerter, nostalgischer, lässt es doch bei jedem neuen Betreten Glanzstunden aus früheren Jahren aufleuchten. Diesmal stellt Langenscheidt sein neuestes Lexikon vor: Mann-Deutsch, Deutsch-Mann. Die durch Moppel-Ich, frisch gepresst und – der Name ist Programm – ewig fröhliche Susanne Fröhlich, sowie die weniger bekannte Co-Autorin Constanze Kleis zeichnen begeistert für die teilweise originellen, überwiegend ausgeleierten Klischees Typ »was Mann meint wenn er sagt...«, »was Frau besser nicht sagen sollte...« etc.

Weiter zum 3sat-Stand wo Gabriele Madeja und Ernst Grandits von der sehenswerten Sendung Kulturzeit abwechselnd moderieren. Zunächst Lea Singer, alias Eva Gesine Baur. Die blonde sympathische Frau ist mir als Letztere bekannt (Dessous), klar der U-Literatur zugehörig, als Lea Singer begibt sie sich auf das schwerwiegende Parkett der E-Literatur. Diesmal mit einem Buch über Constanze Mozart (Das nackte Leben). Auf meine Frage, warum die Schizophrenie, warum das Doppelleben erklärt sie unumwunden: Eva finanziert Lea. Was an Anne Chaplet alias Cora Stephan und einige andere erinnert.
Uwe Timm, ernst, unspektakulär schreibt ein interessantes Buch nach dem anderen: war es vor zwei Jahren die Schilderung seines Bruders, der sich der SS angeschlossen hat (Am Beispiel meines Bruders), so ist es in diesem Jahr die Beschreibung seines Freunds Benno Ohnesorg, mit dem er gemeinsam die Schulbank in Braunschweig drückte (Der Freund und der Fremde).
     Jochen Jung und Michael Krüger, Autoren, die mir bis dahin unbekannt waren, als Verleger sollte man sie eher kennen (Jung und Jung bzw. Hanser). Gabriela Madeja schwärmt so überschwänglich von Jungs neuem Buch Venezuela, dass ich es mir gleich besorge.
     Als nächstes Ingo Schulze, unbestritten einer der beiden Stars der diesjährigen Buchmesse: Sein von der Literaturwelt seit sieben Jahren ungeduldig erwarteter Roman Neue Leben ist ein 800 Seiten starker »Ziegelstein« der als ultimativer Wenderoman gehandelt wird. Ich überreiche ihm, wie vielen anderen Autoren meine Information zu ALFA und lade ihn nach Portugal ein: »Portugal? Das fehlt mir noch auf meiner Europakarte der Erfahrungen!« meint er interessiert und erfreut.
     Mit Peter Henisch (Die schwarze Madonna) und dem Lyriker Robert Schindel (Wundwurzel) treten die ersten von erstaunlich vielen österreichischen Autoren auf. Sie stellen die anlässlich des 60 Jahre Republik Österreich Jubiläums erschienene Anthologie Landvermessung vor: 139 österreichische Schriftsteller präsentieren auf 8.000 Seiten in 21 Bänden die 12 kg wiegen die Nachkriegsliteratur Österreichs, wobei namhafte Vertreter wie Ilse Aichinger, Ingeborg Bachmann, Elfriede Jelinek, Marlene Streeruwitz fehlen. Das ganze Projekt war ein Politikum ungeheuren Ausmaßes, was darin resultierte, dass die einmalige Auflage von 6 000 Exemplaren im Handumdrehen vergriffen war. Unschön, Zeuge dieses Politgemetzels zu werden. Sinnlos, eine Edition vorzustellen, die, weil sie aus urheberrechtlichen Gründen nicht mehr nachgedruckt werden darf, bereits zur antiquarischen Literatur gehört.
     Welch Lichtblick hingegen Robert Gernhardt (Zum Interview mit Eileen Stiller), der Barde de Nation. Eloquent trägt er ein Gedicht vor, das ausschließlich aus Inselnamen besteht und die Zuschauer Tränen lachen lässt. Dichten, meint er, sei 5% Inspiration und 95% Transpiration.
     Er hat in 50 Jahren 1.200 Gedichte verfasst (die der Fischer Verlag in einer goethemäßig dünnpapierigen Gesamtausgabe herausgebracht hat). »Das sind 24 Gedichte pro Jahr, also alle 14 Tage hat die Muse mich geküsst und gesagt, los Robert, nun mach mal!« Ich überreiche ihm ALFAs Literaturwettbewerb und frage, ob er nicht zum Thema »Rote Schuhe« ein Gedicht verfassen könnte: »Tja – ich überleg’s mir mal. Manchmal bin ich für Themen dieser Art ganz dankbar, die geben mir den nötigen Kick!« Ach, wär’ das schön...

Donnerstag
Verstehen es, mit Kilischees Kohle zu machen: Constanze Kleis und Susanne FröhlichHeute fehlt mir zunächst die Euphorie von gestern. Verlagsgespräche der verschiedensten Art folgen: von aufgeschlossen-reizend bis abweisend-arrogant. Ich bewundere am Brigitte-Stand Elke Heidenreichs neue Edition und sage ihr eine glänzende Verkaufsperspektive voraus – schon weil sie sich im weißen oder Glas- oder Edelstahlregal als Blickfang so gut macht...! Bei Rowohlt laufe ich Petra Hammesfahr in die Arme und habe ein ähnlich anregendes Gespräch mit ihr wie im Vorjahr. Warum wird die Frau nie zu einer Lesung in den Römer geladen? Weil sie »nur« Krimis schreibt?!

Daniel Kehlmann, der zweite Star der Buchmesse im Gespräch mit einer im Gegensatz zu anderen Moderatoren hervorragend vorbereiteten Elisabeth von Thadden über Die Vermessung der Zeit, in der die gealterten Herren Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß fiktiv aufeinander treffen. Der 30jährige Kehlmann, der aussieht wie ein 22jähriger Schwiegermuttertraum spricht druckreif und hoch intellektuell, wirkt durchgeistigt und sympathisch und lässt sich nicht ablenken von der blondierten miniberockten Zuhörerin, die sich im Schneidersitz auf dem Boden vor ihm drapiert und ungerührt ein Joghurt löffelt, was der ansonsten durch und durch vergeistigten Atmosphäre einen bodenständigen leicht vulgären Touch gibt.
     Ein bisschen sorgt man sich um diesen sympathischen Jungen: Er lebt so stark so präsent in diesem Buch im 19. Jahrhundert, wirkt total abgehoben. Metaphysik, Philosophie, Mythologie, Philologie, Mathematik – es gibt kaum eine Wissenschaft, in die sich dieser junge Mensch nicht hineingestürzt hat und hochdetailliert auszukennen scheint. Man kann nicht umhin, ihn hinunterholen zu wollen aus diesem Olymp in realistische Sphären. Ich befrage ihn nach seiner Recherchezeit: eher kurz, meint er. "Zu Gauß gibt es kaum etwas, zu Humboldt etwa 40 Bücher! Wissen Sie, ich lese sehr schnell«, vertraut er mir an. Er ist überrascht und natürlich hoch erfreut, einen solchen Bestseller gelandet zu haben. Und sein nächstes Projekt? »Kein Wort dazu, da bin ich abergläubisch!«

Désirée Nick, Busenfreundin von Berlin-OB Wowereit lehnt beim Lübbeverlag lasziv vor einem langen Regal ihrer Neuerscheinung (Gibt es ein Leben nach 40) und hält der Reporterin vom Stern einen detaillierten Vortrag über die für sie idealen Schreibbedingungen.

  • So haben Sie also ‚Gibt es ein Leben nach 40’ geschrieben?
  • Nein hab’ ich nicht. Das ist nachts entstanden, zwischen zwölf und fünf! Und das Hörbuch hab’ ich auch in Handarbeit gemacht. Andere nehmen sich dafür ja ausgebildete Schauspieler, aber nicht bei mir. Ich mach’ noch alles selbst!

Sagt’s und entschwebt zum nächsten Termin. Die Stern-Reporterin ist so perplex, dass ich neugierig auf ihren Artikel bin.

Hannelore Hoger signiert. Sehr zugänglich. Sehr kontaktfreudig. Gibt mir gleich ihre Handynummer. Die ihrer Tochter Nina ebenfalls. Je weiter sie von einer Rolle entfernt ist, desto glaubwürdiger kann sie sie spielen.

  • Dann müssen Sie aber sehr weit von Bella Block entfernt sein?
  • Ja, bin ich ja auch. Ich bin doch keine Kriminalkommissarin
  • Hängt Ihnen diese Rolle besonders an?
  • Nö, nicht mehr und nicht weniger als andere auch. Sie haben mich offensichtlich noch nicht im Theater gesehen. Da verwechseln mich die Leute auch mit meinen Rollenfiguren.
  • Und wie ist es, mit der eigenen Tochter zu spielen?
  • Wunderbar. Leider machen wir das viel zu selten. Ich glaube eher, dass es für meine Tochter schwieriger ist.

Das Blaue SofaBirgit Vanderbeke auf dem Blauen Sofa. 1990 erhielt sie den Ingeborg-Bachmann-Preis, seitdem hat sie 13 Bücher veröffentlicht. In diesem Jahr Sweet 16. Die Anregung kam vor vier Jahren durch den damals 16-jährigen Sohn, zu dem sie immer weniger Zugang hatte, egal ob er physisch präsent war oder nicht. In ihrem Buch teilen die Jugendlichen Erwachsene in Regressos und Depressos ein; sie prägt Begriffe wie das Kartell des psychischen Schwachsinns, Meksomanie und meint, die Jugendlichen von heute seien komplett unterfordert. Was sie erschütterte:
     In Deutschland gibt es täglich 40 Selbstmordversuche von Jugendlichen unter 18, drei davon gelingen. Das sind 1.000 pro Jahr!

Franzobel bei 3sat. Wieder ein Österreicher der mit der Sprache spielt, von rauschhaften Ambitionen für sein Schreiben spricht und exemplarische Stellen vorträgt. Die Gesichter der zwischen entsetzt über leer bis hingerissen reagierenden Zuschauer hätte man auf  einem Foto verewigen sollen (Hören Sie auch: Franzobel und Eileen Stiller auf der Suche nach den 7 Todsünden auf der Messe).

Plötzlich bin ich auf der Polenparty beim Kehrer Verlag. Das Polnische daran ist der Wodka und das Bier, die Chapatta-Häppchen dazu echt deutsch-italienisch. Jessica Backhaus, 35-jährige Fotografin stellt ihren Bildband Jesus and the Cherries vor, ein in typisch polnische Plastikspitze gewandetes Fotobuch mit Fotos aus der polnischen Provinz Pomorskie. Sie beweist, dass es doch noch möglich ist, als Noname zur richtigen Zeit mit der richtigen Idee beim richtigen Verlag zu reüssieren: Vor einem Jahr war sie mit einem dicken Prototyp ihres Buches am Kehrer-Stand vorstellig geworden, hatte die richtige Ansprechpartnerin erwischt und weiß sich ein Jahr später vor Stolz und Freude über das gelungene Werk kaum einzukriegen. Glückwunsch! Erfolgstorys dieser Art sind selten aber ermutigend.

Abends habe ich eine Presseeinladung zur Lesung von Irene Dische im Frankfurter Hof. Irene Dische ist mir im Hinterkopf, seit sie mit ihrem Debuterzählband Fromme Lügen von  Reich-Ranicki in den Literaturhimmel gelobt wurde. Nun hat sie ihrer Großmutter gelauscht und aufgeschrieben, was diese unerschrockene deutsche Katholikin der amerikanischen jüdischen Enkeltochter erzählt. Dabei ist eine Autobiografie der besonderen Art entstanden: Großmutter packt aus. Ihre großartige Erzählweise wird von Übersetzer Reinhard Kaiser meisterlich getroffen und stilrichtig ins Deutsche zurücktransportiert. Der festliche Rahmen, die stimmige Einführung des Verlagsleiters Günter Berg und die illustren Gäste (u.a. Michael Naumann, Vito von Eichborn) lassen die Veranstaltung zu einem gern erinnerten Highlight werden. Da im Frankfurter Hof Salon an Salon liegt, stolpert man beim Verlassen der Hofmann&Campe Veranstaltung unwillkürlich in den Festsaal zu einer Cocktailparty ganz großen Ausmaßes. Belustigt wandere ich zwischen Gruppen und Grüppchen umher auf der verzweifelten Suche nach einem mir bekannten Gesicht, amüsiere mich über die Kellner, die vergebliche Anstrengungen machen ihre Mini-Buletten mit Ketchup an den Mann oder die Frau zu bringen (die zuvor gereichten Thai-Mini-Frühlingsrollen gingen hingegen weg wie die bekannten warmen Semmeln), und komme schließlich zu dem Schluss: Smalltalk ist nicht mein Ding.
     Ich überlege mich aufzuraffen zum gar nicht weit entfernten Römer und mir wenigstens eine der legendären Lesungen anzuhören und mehr oder weniger bitterbös zu kommentieren. Die im Vorfeld angekündigten Autoren reißen mich jedoch nicht vom Hocker. Am nächsten Tag entdecke ich verärgert, dass die tatsächliche Autorenliste eine ganz andere war und Namen wie Daniel Kehlmann, Ingo Schulze und Arno Geiger beinhaltete – für die hätte es sich gelohnt.

Freitag
Markus LüngenMein Tag beginnt im Filmzentrum, wo abgesehen von ein paar in den Vorführungsraum strömenden Teenies nicht viel los ist.
     Markus Lüngen erhält den Brigitte Romanpreis für seinen Roman 18. Bei 2.000 Einsendungen von wahrscheinlich 95% Frauen musste ein Mann den mit einem Garantiehonorar von 10.000 Euro dotierten Preis gewinnen. Der etwas unbedarft aussehende Erstautor ist so in seinen Text verliebt, dass er gar nicht mehr aufhört zu lesen. Ich schaue mich um in diesem natürlich wieder überwiegend aus Frauen bestehenden Publikum der Altersstufe 30+ und frage mich, wer dieses Werk, das von der Entstehung der Band Pretty Paracetamol handelt, mit wahrem Interesse lesen wird.

Weiter zur Pressekonferenz der Redneragentur Ramsauer & Guillot , zwei ehemalige Econ-Verlagsmitarbeiter, die seit 10 Jahren Autoren als Redner vermitteln. Ab 3.000 Euro pro Auftritt. Trendbürobesitzer Matthias Horx und der ehemalige Pfarrer Werner Tiki Küstenmacher (Simplify your life) sind zwei der meistbeschäftigten der mehr als 2.000 vermittelbaren Redner. Matthias Horx gibt unumwunden zu, dass die Rednertätigkeit sein Trendbüro und seine literarischen Ambitionen finanziert. Meine Frage, ob sie auch Rednerinnen vermitteln beantwortet Frau Ramsauer mit

  • gelegentlich. Der Trend ist zunehmend aber insgesamt noch sehr konservativ. Die meisten der ca. 30.000 Firmengroßveranstaltungen pro Jahr, die namhafte Redner anfordern, werden mit männlichen Rednern versorgt.

Mädels, hier tut sich eine Marktlücke auf!

Hanns-Josef Ortheil auf dem blauen Sofa: Der Protagonist seines jüngsten Romans Die geheimen Stunden der Nacht hat Martin Walser zum Vorbild. Einer der wenigen Autoren, die bereits über ein noch nicht erschienenes ihrer Bücher sprechen, wobei Ortheil sich als passionierter Klavierspieler outet, der im kommenden Mozartjahr mit seinem im März erscheinenden »Vom Glück Mozart zu hören« auf Lesereisen multimedial auftreten wird.
     Nun war Gudrun Landgrebe angesagt, die mit Vom Aufgabeln und Anbeißen eines der sinnlichsten Bücher der Saison verfasst hat. Sie wird ersetzt von einem Herrn, der mich weniger interessiert. Genauso entfällt Ulrike Folkerts bedauerlicherweise. So lösen sich völlig überfrachtete Termingleichzeitigkeiten in vakuumleeres Nichts auf und bieten unverhoffte Enpassant-Eindrücke der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth, die jederzeit als »Modell älter« eine nicht politische Karriere starten könnte. Reich-Ranicki in polemischer Hochform – wann wird dieser Mensch denn eigentlich je senil? Joachim Kaiser nutzt Gesprächspausen effizientDas Alter dafür hat er längst. Frank Schirrmacher, FAZ-Herausgeber und seit der Veröffentlichung seines Methusalemkomplotts als legendär zu bezeichnen. Joachim Kaiser, seines Zeichens Chefkritiker der SZ, einst bekannter als Reich-Ranicki, nutzt die Gesprächspausen zu einem Nickerchen. Frau Reich-Ranicki, wie immer als Zuhörerin ihres Mannes in erster Reihe, versichert der Moderatorin, dass alles gut gelaufen ist.
     Beim Egmont Manga & Anime Verlag gerate ich in das erste große Gedränge dieser Buchmesse: Albert Uderzo, verehrter Asterix-Coautor wird erwartet und die Autogrammjagd ist enorm.
     SinC (Sisters in Crime) Präsentation: Ulla Lessmann moderiert professionell und fesselt mehr und mehr das Publikum. Mal sehen, wie viele neue Mitgliederinnen die Präsentation erzielt oder ob sie sich »nur« im steigenden Absatz der von uns empfohlenen Krimis niederschlägt. Auch das wäre als Erfolg zu verbuchen. Die Stimmung ist sistertypisch locker, wohlwollend, gelassen. So sind sie die Sisters – ein herrlicher Haufen.
     Abends habe ich die Qual der Wahl: gehe ich zur Verleihung des hessischen Filmpreises oder aufs Krimischiff der Theatergruppe Für Garderobe keine Haftung? Für oder wegen der Sisters siegt das Krimischiff. Der hessische Filmpreis wird auch im nächsten Jahr verliehen. Ob das Krimischiff dann gerade fährt ist fraglich.

Buchpreis
Die Kritiker können sich nicht einigen ob Ingo Schulzes Neue Leben oder Daniel Kehlmanns Vermessung der Welt die Sensation und der beste Roman des Jahres ist. Daniel ist einer der 6 shortgelisteten (4 Männer, 2 Frauen, die Hälfte Österreicher), aber der Preis geht an den Österreicher Arno Geiger für seine Familiengeschichte Es geht uns gut.

Die Mode der Messe
Jahrzehntelang stellten die Pibs, die People in black oder Nadelstreifen die überwältigende Mehrheit. In diesem Jahr setzen erstmalig die vielen bunten Flatterröcke der diesjährigen Mode spritzige heitere Akzente, frei nach dem Motto »everything goes«  - erlaubt ist, was gefällt.

Gastland Korea
China-G... Äh, nein Korea-GirlsAufgrund der erlebten erstaunlichen Vorbereitungen auf sowohl Buchmesse 2003 als auch 2004 waren meine Erwartungen an dieses Gastland hoch. Zu hoch. Die alles durchsickernde Omnipräsenz der Koreaner stellte sich nicht ein, die betont schlichte, Feng-Shui beeinflusste weniger-ist-mehr Selbstdarstellung vermittelte nicht die Faszination, die dieses fleißige, experimentierfreudige Land mit seiner so lebhaften, aufgeschlossenen Bevölkerung auf heimischem Boden auszustrahlen vermag. Bis auf drei missionarisch auftretenden Geishaartige Damen wurde auf Folklore aller Art verzichtet – was das eine Gastland zu stark betont, vernachlässigt das andere zu sehr. Wie überall scheint auch hier der goldene Mittelweg der am schwersten zu findende zu sein.

Friedenspreis
Der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk ist der diesjährige Preisträger der begehrten Auszeichnung. Er besticht mit seiner Zivilcourage, die ihn in die Türkei zurückkehren und sich den dort gegen ihn erhobenen Anklagen wegen Verunglimpfung des Regimes stellen lässt. Er rechnet mit etwa sechs Monaten Gefängnis. Bei seiner Festrede erregt er jedoch Anstoß als er die europäische Türkenfeindlichkeit kritisiert.

Summasummarum:
Unspektakulär, skandal- und eklatlos ging das diesjährige Bücherfest über die Bühne. Eher ein Fest der leisen Höhepunkte. Erlebenswert war’s trotzdem.    

Barbara Fellgiebel
27.10.2005

Barbara Fellgiebel ist Autorin und Übersetzerin. Sie lebt in Portugal wo sie ALFA gegründet hat, die Assoziation der Literaturfreunde der Algarve. Auf monatlichen Literatursalons stellt sie lesenswerte Bücher vor und lädt Autoren zu Lesungen ein. Nähere Infos bei der Autorin.

Im Café: »Autoren sind wie Tiere im Freigehege« - Barbara Fellgiebels Betrachtungen zur Buchmesse 2004


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