»Meistens fühle ich mich wie ein Hochstapler« Ein Interview mit dem Autor Titus Müller über den Alltag des Schriftstellers, die Faszination des Schreibens, den Erwartungsdruck und den Umgang mit dem Erfolg. Ein weiteres Interview mit dem Autor finden Sie auch hier als Podcast. Mit 21 Jahren schrieb Titus Müller »einfach so« einen Roman. Drei Jahre später wird sein Erstling veröffentlicht und prompt ein Erfolg. Mit erst 28 Jahren ist Titus Müller ein erfolgreicher Autor historischer Unterhaltungsromane. Im November 2005 erschien sein vierter Roman »Die Todgeweihte«, der bereits kurz nach Erscheinen zum Bestseller avancierte. Für das Literatur-Café hat sich Birgit-Cathrin Duval in Basel mit dem Autor getroffen.
Titus Müller: Bis ich 17 war, habe ich nur gelesen. Ich war eine richtige Leseratte. Dann gab mir mein Bruder eine Geschichte, die er selbst geschrieben hatte. Das hat mich völlig fasziniert, weil sie so gut war. Ich wollte es daraufhin selbst mit dem Schreiben versuchen. Nachdem kleinere Geschichten gelangen, habe ich ausprobiert, ob ich es durchhalten würde, einen ganzen Roman zu schreiben. Das Literatur-Café: Und ab da wollten Sie Schriftsteller werden? Titus Müller: Noch nicht ganz. Eigentlich habe ich studiert, um Lehrer für Deutsch und Geschichte zu werden. Auch das war schon traumhaft, denn ich bin in der DDR aufgewachsen und hätte niemals studieren dürfen. Meine Eltern wurden als aktive Christen vom Staatssicherheitsdienst überwacht. Wir waren selbst vom Abitur ausgeschlossen. Ich hatte mich schon darauf eingestellt, eine Bäckerlehre zu machen. Nun also das Lehrerstudium, und dann zu meiner Überraschung die Veröffentlichung meines ersten Romans »Der Kalligraph des Bischofs«. Als der Roman 2002 erschien und ein Erfolg wurde, habe ich erstaunt festgestellt, dass ich mit dem Schreiben meinen Lebensunterhalt verdienen kann. Bald wollte ich nur noch schreiben und nicht mehr Lehrer werden. Nach einigen mahnenden Worten meines Vaters habe ich trotzdem einen Magister in neuerer deutscher Literatur, Publizistik und Mittelalterlicher Geschichte gemacht. Das Literatur-Café: Wie sieht der Arbeitsalltag eines Schriftstellers aus? Titus Müller: Nicht immer habe ich morgens nach dem Aufstehen Lust zu schreiben. Oft muss ich mir erst Anregungen holen. Dazu lese ich ein Stück in einem Roman, der mir gefällt und den ich bewundere, oder ich höre Filmmusik. Wenn ich am Verzweifeln bin – auch das kommt vor –, dann stelle ich ein Stück ein, das der CD-Player immer wieder abspielt. Das versetzt mich in eine Art Selbsthypnose (lacht). Mindestens hilft es mir, nicht die Mauer vor mir zu sehen, sondern einfach loszuschreiben. Mein Arbeitspensum beträgt sechs bis acht Romanseiten pro Tag. Bin ich morgens fit und kann zeitig beginnen, dann bin ich bereits gegen Mittag fertig. Manchmal arbeite ich aber auch bis Mitternacht. Ich schreibe mit dem Notebook, kann also gut in einer Bibliothek oder im Zug arbeiten. Meistens bin ich allerdings zu Hause. Das Literatur-Café: Was fasziniert Sie am Schreiben? Titus Müller: Es ist faszinierend, sich in andere Personen hineinzuversetzen. Zu fragen, wie es ist, jemand anderes zu sein. Das ist der Reiz des Romanschreibens. Mitunter muss ich Dinge ausprobieren: Ich bin auf Pferden geritten, habe mit einem Schwert gekämpft, für ein paar Stunden ein Kettenhemd getragen. Das kann ich in einem Roman so besser erlebbar machen. Das Literatur-Café: Ihr neuer Roman »Die Todgeweihte« ist schon jetzt ein Bestseller. Wie hoch ist der Erwartungsdruck, der auf Ihnen lastet? Titus Müller: Naja, Bestseller, das ist relativ. Zum Erwartungsdruck: Ich habe eigentlich jeden Tag Angst, dass das, was ich schreibe, nicht gut genug ist. Meistens fühle ich mich wie ein Hochstapler. Aber wenn ich es mir recht überlege, bin ich selbst für diesen Druck verantwortlich. Es zwingt mich ja niemand, Romane zu schreiben. Das Literatur-Café: Sie haben mittelalterliche Geschichte studiert. Schreiben Sie aus diesem Grund historische Romane? Titus Müller: Mich fasziniert, dass die Menschen früher so viel über den Sinn des Lebens, über Glaubensfragen nachgedacht haben. Wir leben heute in einer Ablenkungskultur. Unsere Fragen drehen sich um den nächsten Autokauf, wohin man in die Ferien fährt und darum, was im Fernsehen läuft. Dabei weichen wir den grundlegenden Fragen des Lebens aus. Die Menschen im Mittelalter, so habe ich oft den Eindruck, haben mehr nach den Zusammenhängen gefragt. Das Literatur-Café: Recherchieren Sie vor Ort oder fließt sehr viel Phantasie in Ihre Bücher mit ein? Titus Müller: Für »Die Todgeweihte« bin ich im Oktober 2004 nach Basel gereist, in der Stadt umhergewandert und mit der Fähre ein paar Mal über den Rhein gefahren. Zwar sehen die Häuser heute zumeist anders aus als zur Zeit des Romans. Ich war aber dennoch überrascht, wie viel Mittelalter Basel atmet. Der Besuch hat mir große Lust gemacht, mit dem Schreiben anzufangen. Über das Internet bin ich auf Roger Rebmann gestoßen, einen Basler Stadtführer und Hobbyhistoriker, der mir sehr bei meinen Recherchen geholfen hat. Auch Bruno Waldvogel-Frei, auf dessen Musical »Basileia« der Roman basiert, hat mich mit Material versorgt. Das Musical wird übrigens im Herbst 2006 in Basel aufgeführt. Wenn ich etwas Verlässliches habe, fließt das natürlich mit in den Roman ein. Die Judenverfolgung, die Insel auf dem Rhein, auf der die Juden verbrannt wurden, das Erdbeben, das ist alles historisch belegt. Das Literatur-Café: Sie ernten bereits als sehr junger Schriftsteller viel Lob für Ihre Arbeit. Kürzlich wurden Sie mit einem Literaturpreis der Poetikdozentur der Universität Tübingen ausgezeichnet. Steigt einem da der Erfolg nicht zu Kopf? Titus Müller: Es war nur der zweite Platz. Aber klar, Erfolg ist gefährlich für mich. Ich bin der Typ Mensch, der am liebsten von allen geliebt werden möchte. Wenn ich nicht aufpasse, kreisen meine Gedanken ständig um die Frage, wie ich noch bessere Bücher schreiben und noch mehr davon verkaufen kann. Dabei ist es viel wichtiger, sich mit dem Inhalt auseinanderzusetzen. Das Literatur-Café: Was ist das für ein Gefühl, wenn Sie Monate an einem Roman gearbeitet haben und Sie das Buch beenden? Titus Müller: So sehr ich dem Erfolg auch nachjage – darin, ihn zu feiern, bin ich schlecht. Statt mich über ein gelungenes Buch oder einen Verkaufserfolg zu freuen, beschäftige ich mich gleich bin mit dem nächsten Projekt. Es macht mir große Freude, etwas Neues zu starten. Aber wenn ein Buch fertig ist und man es in Händen hält, ist das natürlich ein tolles Gefühl. Dann kann es schon mal vorkommen, dass ich es dreimal am Tag in die Hand nehme, um den Geruch der frischen Seiten zu riechen. Das Literatur-Café: Welchem historischen Thema widmen Sie sich als nächstes? Titus Müller: Ich reise zur Abwechslung mal in die Zukunft. Im Augenblick schreibe ich einen Science-Fiction-Roman für die Heftromanserie »Perry Rhodan«. Dort spielt die Bibel eine Rolle, und natürlich Roboter, Außerirdische – was eben so zur Science-Fiction dazugehört. Das Literatur-Café: Auf Ihrer Website schreiben Sie, dass Sie nur gelesene Bücher ins Regal stellen. Wie viele ungelesene Bücher welcher Autoren stapeln sich bei Ihnen neben dem Bett? Titus Müller: Soll ich die etwa alle aufzählen? Das sind über sechzig Bücher! Es ist alles dabei: Sachbuch, Historischer Roman, Science-Fiction, Christliches, Klassiker. Als nächstes lese ich die »Chroniken von Narnia«. Ich habe alles von C.S. Lewis gelesen, nur die noch nicht. Bevor der Film in die Kinos kommt, will ich sie gelesen haben. Literatur-Café: Herr Müller, wir danken Ihnen für das Gespräch. 23.11.2005 Titus Müller; Norman Hothum (Illustration); Thomas Lachenmeier (Mitwirkende): Die Todgeweihte: Basileia und die letzten Tage des Mittelalters. Gebundene Ausgabe. 2006. Brunnen Verlag GmbH. ISBN/EAN: 9783765519307
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