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»Freiheit« ist zur Floskel des Jahres 2022 verkommen

Logo zur »Floskel des Jahres 2022« (Quelle: floskelwolke.de)
Logo zur »Floskel des Jahres 2022« (Quelle: floskelwolke.de)

Der Begriff »Freiheit« wurde von den beiden Journalisten und Sprachkritikern Udo Stiehl und Sebastian Pertsch zur Floskel des Jahres 2022 gekürt. »Der Freiheitsbegriff wird entwürdigt von Egoman*innen, die rücksichtslos demokratische Gesellschaftsstrukturen unterwandern«, heißt es in der Begründung.

Wie in den Vorjahren haben die beiden Macher hinter der sprach- und medienkritischen floskelwolke.de, aus Vorschlägen der überwiegend journalistischen Leserschaft und eigenen Beobachtungen fünf Kandidaten ausgewählt, die im abgelaufenen Jahr besonders für Stirnrunzeln und Kopfschütteln gesorgt haben, und sie zu »Floskeln des Jahres 2022« gekürt.

Bedenklich sei, dass zweifelhaft verwendete Begriffe von den Medien ohne Einordnung weiterverbreitet werden. So sagt Sebastian Pertsch: »Dass rechtskonservative bis rechtsextreme Kreise Begriffe und Formulierungen kapern und zweckentfremden, ist sicherlich nichts Neues. Die Mechanismen dahinter, die auch zu einer gewissen Verrohung in der Gesellschaft führen, sind schließlich bekannt. Verblüffend und erschreckend zugleich ist allerdings, wie schnell journalistische Medien diese Begriffskaperungen und Framings ohne nötige Einordnung verbreiten und wie effizient diese toxische Gesinnungen in die Gesellschaft einmassiert werden können.«

Hier die Plätze 1 bis 5 der »Floskel des Jahres 2022« mit der jeweiligen Begründung:

Platz 1: Freiheit

Ich, ich, ich! Der Freiheitsbegriff wird entwürdigt von Egoman*innen, die rücksichtslos demokratische Gesellschaftsstrukturen unterwandern. Im Namen der Freiheit verkehren sie selbstgerecht und unsolidarisch die essenziellen Werte eines Sozialstaates ins Gegenteil – alles für den eigenen Vorteil.

Platz 2: Sozialtourismus

Der Begriff suggeriert, dass Einwander*innen vor allem wegen Sozialleistungen kämen. Rechtslastiger Populismus in der Union hat Tradition. Schließlich war sie es vor zehn Jahren, die dem „Sozialtourismus“ zum „Unwort des Jahres“ verhalf – und die zynische Wortwahl auch im vergangenen Jahr pflegte.

Platz 3: technologieoffen

Auf altbackene Techniken beharren und unwirtschaftliche Ideen aus der Glaskugel anpreisen. Nach allen Seiten offen und modern zu erscheinen, ist sprachlicher Nebelkerzenweitwurf bei marktwirtschaftlicher Sturheit. Wissenschaftlich valide Konzepte verblassen im Dunst dieser scheinbaren Offenheit.

Platz 4: Klimakleber

Einprägsame Alliteration, die an Verächtlichkeit kaum zu überbieten ist. Ein knappes Sprachetikett für Menschen, die ungeachtet ihrer Ziele auf die Protestform reduziert werden. Auch die Etikettierer*innen aus Boulevard und Politik schreien nach Aufmerksamkeit, haben aber nur selten Gegenargumente.

Platz 5: Doppel-Wumms

Die zweite Auflage der „Bazooka“ liegt auf dem Tisch, doppelt munitioniert mit Subventionen für Energiekonzerne und Verbraucher*innen. Der „Wumms“ aus dem Doppellauf der Büchse kostet so viel, dass er wohl nur noch lautmalerisch vermittelbar ist. Wir erwarten weitere „Piff-, Paff- und Puff“-Gesetze!

»Besonderes Augenmerk verdienten dabei erneut jene zur Pandemie und zur Klimapolitik, aber auch zur Energiekrise, die gelegentlich wenig durchdacht waren, mit denen teils distanzlos berichtet wurde oder die gezielt in den medialen Umlauf gebracht wurden. Die Wortwahl hat an Schärfe zugelegt – analog zum Diskurs, der zunehmend von schwarz-weiß-Argumentationen geprägt ist. Framing und Begriffskaperungen blieben alltäglich und wurden gezielt eingesetzt«, schreiben Udo Stiehl und Sebastian Pertsch.

Vor acht Jahren haben die beiden Journalisten die »Floskelwolke« gegründet, die unter anderem für den Grimme Online Award nominiert war.

Die Gewinnerfloskeln des Vorjahrs (2021) waren »Eigenverantwortung«, »klimaneutral«, »links-gelb«, »unvorhersehbar« und »Instrumentenkasten« (siehe Bericht vom Vorjahr).

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