StartseiteAlmtraumFolge 9 vom 10. April 2007

Folge 9 vom 10. April 2007

Ich befand, dass einzig die Triumph würdig war, das geplante Werk zu vollbringen, ohne Rechtschreibprüfung und automatische Seitennummerierung, ohne zigmal überarbeitete Ausdrucke. Um sicherzugehen, dass ich nicht etwa durch einen gedankenlosen Druck auf den Einschaltknopf rückfällig wurde, zog ich den Netzstecker des Computers.

Vorsichtig hob ich die Maschine aus dem Regal und stellte sie auf den Schreibtisch. Das Farbband war nach so langer Zeit sicherlich eingetrocknet. Ich nahm einen Bogen Papier aus dem Drucker und spannte ihn ein. Das ratschende Geräusch der Walze kribbelte über meinen Rücken. Ich tippte meinen Namen – das Papier blieb ziemlich unbeeindruckt. Hastig zog ich die Schreibtischschubladen auf und suchte nach dem Ersatzfarbband. Ich war sicher, eines gekauft zu haben. Mit dem Klopapier halte ich es genauso, es ist immer eine Ersatzrolle im Haus.

Zehn Minuten später war das Farbband eingefädelt. Ich probierte die Buchstaben, sie waren sauber. Nur die Typenhebel waren nicht justiert. Das hüpfende r störte mich nicht weiter. Dadurch erhielt das Manuskript eine äußerliche Unverwechselbarkeit, die dem Inhalt voraussichtlich abgehen würde.

Mit einem Ruck zog ich den Probebogen aus der Maschine, knüllte ihn zu einem Ball zusammen und warf ihn über die Schulter. Sorgfältig spannte ich einen neuen Bogen ein, richtete ihn aus und stellte den Rand auf 10 Grad ein. Über welches Thema sollte ich schreiben?

Ratlos betrachtete ich mein Bücherregal. Auf den Platz der Schreibmaschine stellte ich die leere Flasche Aquavit. Ich könnte die Technik, mit geschlossenen Augen zuzugreifen, einsetzen. Dann abschreiben? Nicht wörtlich, sondern thematisch, fantasierend. Und sehen, was dabei herauskommt. Also griff ich blind zu, wenn auch zögernd und mit der verdrängten Erkenntnis, dass mein Standort vor dem Bücherregal dem Zufall ins Handwerk pfuschte.

Ich hielt ein dünnes Bändchen von Kafka in der Hand, schlug es auf und musste ein paar Seiten zurückblättern, um an den Anfang der Erzählung zu kommen. Die Verwandlung, lautete die Überschrift. Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt.

In diesem Augenblick überkam mich eine ungeheure Eingebung. Eine Verbindung zwischen Kafka und Amanda versprach reizvoll zu werden. Wenn ich es geschickt genug anstellte, musste es keine literarische Kakerlake werden. Der Größe des Kopierten würde es keinen Abbruch tun. Wahrscheinlich, so beruhigte ich mein Gewissen, waren sich seine Leser und meine zukünftigen so fremd wie Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen und würden sich niemals begegnen.

Der Titel? Ich entschied, mir darüber später Gedanken zu machen und einfach mit dem ersten Kapitel zu beginnen.