In seiner Wohnung empfing ihn vollkommene Leere. Das ist nur äußerlich, dachte er und betäubte den Schmerz mit einer Flasche Rotwein und einer Schlaftablette.
Die Nacht blieb traumlos. Als er aufwachte und durch das Fenster schaute, hatte sich der Himmel bezogen und es nieselte. Der Schlaf hatte ihm gut getan, das Wetter in seiner Seele war heute weniger grau als gestern, mehr heiter bis wolkig. Für den heiteren Anteil sorgte die Freude auf die bevorstehende Woche in den Bergen. Einen Dämpfer gab es beim Packen der Tasche. Er benötigte mehr Wäsche. Seine Kasse war nicht üppig und er konnte nur hoffen, dass die laufenden Ausgaben für die Wohnung von Stefanie bezahlt wurden.
Beim Einkauf mied er R&C. Die hundertfünfzig Euro, die er für Hemden, Unterwäsche, Strümpfe und zwei Pyjamas ausgab, motivierten ihn zum Geldverdienen. Zügig fahren, freundlich und aufgeschlossen für ein Gespräch mit der Kundschaft sein, für jeden Stau eine plausible Erklärung haben, das brachte Trinkgeld. Traudel sagte etwas Freundliches über seine schnelle Genesung und verschenkte ein Lächeln, zu dem Stefan einfiel, dass man damit Herzen einpacken könne. Er entschied sich, Traudels Lächeln nicht persönlich zu nehmen.
Am nächsten Tag stellte er einen Hüttenspeiseplan als Einkaufshilfe auf. Es machte keinen Sinn, wahllos Lebensmittel mitzunehmen. Ohne feste Planung fehlten entweder Zutaten oder Restbestände ließen sich nicht schmackhaft verwerten. Was kocht man aus Kartoffeln, Mehl und einer Dose Thunfisch? Für Bratkartoffeln fehlten die Zwiebeln, für Pfannkuchen Milch und Eier und zum Thunfisch der frische Salat. Eine Einkaufsfahrt von der Hütte aus nach Josephskirch dauerte zwei Stunden. Da überlegte er sich schon, ob er statt Kleinigkeiten einzukaufen im Dorf lieber zu einer Frittatensuppe oder einem Kaiserschmarrn einkehren sollte.
Bis auf einen Schlafsack im Kleiderschrank fand er nichts Mitnehmenswertes. Bettwäsche, Wanderkleidung und Bergschuhe waren schon oben auf der Hütte, die Grundausstattung brachte er in jedem Frühsommer hinauf, sobald die Schneeschmelze an den Wochenenden um Pfingsten und Christi Himmelfahrt den Weg nach oben freigab.
Bevor er zu Moosbauer fuhr, packte er den Wagen. So konnte er sofort nach der Schicht aufbrechen, ohne erst zurück zur Wohnung zu müssen. Zuletzt nahm er die Hüttenschlüssel aus der Schreibtischschublade. Nachdenklich wog er das Holzklötzchen mit dem groben Bindfaden und den anhängenden Schlüsseln in der Hand. Obere Walln-Hütte war in kantigen Buchstaben auf dem Klötzchen eingebrannt. Berta, die Nachbarin, hatte ihm erzählt, wie gerne Stefanie auf die Alm fuhr. In bestimmten Dingen unterschied er sich nicht von Stefanie. Obwohl er einsam war, freute er sich auf das Alleinsein. Ob Stefanie auch einsam gewesen war? An ihrer Konfektionsgröße könnten Bekanntschaften nicht gescheitert sein, im Gegenteil; aus dem was er in der Wohnung vorgefunden hatte, schloss er auf eine interessante Frau. Ihr Aussehen war im nicht wichtig; Stefanie hätte er zur Hütte mitgenommen und sie hätte seine Einsamkeit bereichert, davon war er überzeugt.
Beim abschließenden Blick durch das Wohnzimmer bemerkte er auf dem Schreibtisch die angebrochene Packung mit den Schlaftabletten. Auf der Alm schlief er immer wie ein Murmeltier. Kurz entschlossen steckte er die Packung ein, als würde er der Höhenluft nicht mehr trauen.