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Die Adresse von Taxi Moosbauer schlug Stefan im Telefonbuch nach. Ein Griff genügte. Alois Moosbauer pries seine Dienste hundertfach auf den Seitenrändern an.
Moosbauer gehörte eines der wenigen nicht mehrgeschossig bebauten Grundstücke in der Innenstadt, günstig in einer Nebenstraße in der Nähe des Bahnhofs zwischen einem kleinen Hotel und einem Bürohaus gelegen. Stefan erwischte den letzten Parkplatz am Ende des gedrungenen, grau verputzten Gebäudes. Fünf Garagen nahmen hier die halbe Grundfläche des Gebäudes in Anspruch. Auf dem Weg zur Eingangstür erkannte Stefan durch die Fenster ein Büro und einen Aufenthaltsraum mit Tisch und Stühlen. Er erinnerte sich nicht, jemals hier gewesen zu sein.
»Sakra, da ist ja der Dichter! Der Hallodri!« lachte ein kräftiger Mittfünfziger, eine Eiche mit kurzen Haaren und Schnurrbart, und zog Stefan durch die Tür ins Büro.
Das ist also der Moosbauer, vermutete Stefan.
»Hast dich lang nicht mehr hier sehen lassen. Hab ich zuviel gezahlt oder hast etwa ein Buch verkauft?« dröhnte Moosbauer und schlug Stefan auf den Rücken, dass er einknickte. »Du kannst sofort die nächste Schicht fahren. Anton Martha neun-neun-neun. Ein neuer Fünf-Achtundzwanziger. Dein Fünf-Fünfundzwanziger ist leider nicht mehr da. Die Vorfahrt in der Luisenstraße, Ecke Hedwigstraße. Offiziell habe ich den Wagen als Schrott nach Polen verkauft. Inoffiziell hat ihn der Hansi aufgearbeitet und wir haben ihn als Unfallwagen auch nach Polen verkauft. So hat alles seine Richtigkeit. Wenn du mal wieder flüssig werden willst – wie üblich zwanzig Prozent. Aber vorher fährst noch ein paar Touren.« Moosbauer zwinkerte ihm zu.
Stefan wich Moosbauers Blick aus. »Ist denn meine Steuerkarte noch bei euch?«
»Deinen Humor hast freilich nicht verlor’n«, lachte Moosbauer. »Willst die Traudel mit ihrer Ordnung beleidigen?«
Nein, das wollte er nicht und so traute er sich nicht, die für ihn wichtigste Frage überhaupt zu stellen. Vielleicht ließ sich später noch etwas aus Unterlagen oder Einsatzplänen in Erfahrung bringen. Drüben an der Wand hing einer. Die Spalten waren mit Bertl, Franz, Stepi, Mohammed, Jussuf, Charlie, Erdic überschrieben. Eine monotone Frauenstimme drang durch die Wand. Prinzregent dreizehn Dr. Achtermann, Prinzregent dreizehn Dr. Achtermann, das melodische Piepen eine Funksprechanlage, und wieder die Frauenstimme: Fürst Luitpold achtundneunzig, bei Siebert, zweiter Stock. Charlie, wo steckst du? Aus einem Lautsprecher klang Krächzen und eine verzerrte Stimme.
»Wann kann ich anfangen?«
»Sofort.«
»Eigentlich wollte ich am Samstag für ein paar Tage in die Berge. Eine Woche oder so.«
»Ausspannen? Ich dachte, ein Dichter ist ständig auf Urlaub. Wo er doch noch nicht einmal zur Arbeit fahren muss.« Moosbauer dröhnte vor Lachen.
Stefan fühlte sich unbehaglich.
»Du lässt dich drängen wie eine Diva.« Moosbauer stieß ihm in die Rippen.
»Gut. Ich nehme die Nachtschicht. Am Freitag mache ich früher Schluss, danach geht’s zur Hütte.«
»Traudel, gib mal die Papiere vom neuen Fünf-Achtundzwanzig«, rief Moosbauer in den Raum. Eine mollige Frau aus der Mitte des Lebens erschien in der offenen Tür und lächelte ihn wie ein verliebter schüchterner Teenager an. Meint sie mich persönlich? fragte sich Stefan. Er lächelte verlegen zurück und nahm die Autoschlüssel und die Mappe mit den Papieren.