Gegen ein Uhr stand er entnervt auf und suchte im Badezimmerschränkchen ohne Erfolg nach Schlaftabletten. Danach wälzte er sich von rechts nach links und probierte klassische Methoden des Einschlafens.
Ralzinger betrachtete seine gepflegten Fingernägel. »Ich habe dir die Perücke immerhin geschenkt. Ist es zuviel verlangt, wenn du sie für mich aufsetzt?« Ralzinger gurrte die Frage auf eine Weise, als dulde sie keine Absage.
Stefan schwitzte wie an der Kasse, bevor Bichler ihn dort aufgegriffen hatte. Direktor Ralzinger entschied immerhin über die Diebstahlsanzeige. Sollte er ihm den Gefallen tun? Eine Kleinigkeit, oder?
Ralzinger öffnete den flachen Karton auf dem Schreibtisch und schlug das Seidenpapier zur Seite. »Es wird dir zauberhatf stehen.« Ralzinger hob das pinkfarbene Kostüm aus dem Karton. »Bitte.«
Stefan schnappte nach Luft. Das pinkfarbene Kostüm schlang sich eng um seinen Körper. Ralzinger näherte sich bis auf Scheckkartendistanz. »Ich heiße Dietmar«, sagte er und legte sein Hand auf Stefans pinkfarbenes Gesäß.
Bichler stürzte ins Zimmer. Sein Kopf war viereckig und aus den Schläfen wuchsen ihm Anschlusskabel. Unter dem Arm trug er eine nackte Schaufensterpuppe. »Ein Dieb!« schrie er und zeigte auf Stefan. »Er hat das pinkfarbene Kostüm und die Perücke geklaut.« Der Zeigefinger von Bichlers freier Hand fuhr durch den Raum und landete auf Stefans Brust.
»Die ist ja echt!« rief Bichler entgeistert.
»Eine Frau?« fragte Ralzinger konsterniert und probierte selbst. Leise schrie er auf.
Stefan schaute an sich herunter. Seine Brüste lagen fest im Kleid. Von den Pumps sah er nur die Spitzen.
Stefan atmete schwer in die stickige Luft, rollte sich aus dem Bett und öffnete das Fenster. Aus dem Schrank holte er sich ein frisches Nachthemd. Gott sei Dank besaß Stefanie keine Negligés; in die Baumwoll-Nachthemden ließen sich die Alpträume besser einschwitzen.
Bis drei Uhr zählte er zwölf Autos, die durch die Gottfried-Keller-Straße fuhren. Vier hielten für einige Minuten mit surrendem Motor. Bevor die Wagen weiterfuhren, schlug eine Autotür. Abschiedsszenen, stellte er sich vor, Mädchen, die nicht über Nacht ausbleiben durften, in leidenschaftlicher Umarmung, die Hoffnung auf ein Wiedersehen schürt. Oder Frauen, die nicht jede Bekanntschaft gleich in ihre Wohnung schleppten und bei der Verabschiedung erst die Situation klarstellen müssen. Denen ordnete er die Autos zu, die mit höherer Drehzahl die Weiterfahrt begonnen hatten. Später störten zwei Halbwüchsige, die betrunken und in wohlgesetzten Abständen den Namen eines heimischen Fußballvereins grölten.
Als die erste Straßenbahn im jungen Tag in die Gottfried-Keller-Straße einbog, stand er auf.