StartseiteAlmtraumFolge 115 vom 25. Juli 2007

Folge 115 vom 25. Juli 2007

Unschlüssig warf er einen Blick vor die Tür.

Am tiefen Schwarz des Himmels funkelten Hunderte von Sternen. Ganz rechts lag der Gipfel des Kreuzecks in mildem Licht. Der Mond kündigte sich an.

»Es weht ein kalter Luftzug«, rief Bettina aus dem Wohnraum.

»Wir verpassen eine herrliche Sternennacht«, antwortete er mit hörbarer Begeisterung. »Schauen Sie sich diese Pracht an!«

Als sie kam, stand er noch wie festgenagelt auf der Türschwelle. »Ich habe Ihnen Ihre Jacke mitgebracht.«

Sie setzten sich auf die Bank neben der Tür und beobachteten, wie der Mond hinter dem Kreuzeck aufging.

Bettina stieß ihn an. »Sind Sie noch verärgert?«

»Nein«, rang er sich ab. Damit sie ihm glaubte, erzählte er weiter.

»Margot, die Blondine, kannte die Adresse, zu der ich John gefahren hatte, und dieser Umstand überzeugte Leo, dass ich die Wahrheit gesagt hatte. Mit einer Flasche Whisky unter dem Arm und der Ermahnung, mich ruhig zu verhalten, ansonsten könnten mich die Anderen aufstöbern, verließ ich das Blue Moon. Margot brachte mich zum Wagen und hauchte mir ein Danke, dass du John geholfen hast, auf die geschwollenen Lippen.

Ein halbes Jahr später tauchte John wieder auf. Wir begegneten uns zufällig, als ich einen Fahrgast aus einer Bar abholte. John steckte mir spontan vier Zweihundert-Euro-Scheine zu. Von da an fragte er nach mir, wenn er ein Taxi für sich oder Margot brauchte. Margot behandelte mich von Anfang an wie einen guten Freund. Wenn ich sie allein fuhr, plauderte sie meist über das, was sie im Moment bewegte, auf eine offenherzige und naive Art. John luf mich gelegentlich ins Blue Moon ein. Es machte ihm Spaß, seinen Freunden einen intellektuellen Bekannten vorzuführen, und er genoss die vermeintliche Aufwertung seines Ego, das ansonsten aus Prahlerei über das Geld und über die Frauen bestand, die er haben konnte und die ihm aufs Wort gehorchten, und dazu zählte auch Margot. Als ich ihm eines Tages nicht mehr nüchtern meinen Traum von der Sylvesterfeier auf der Hütte erzählte, war er sofort Feuer und Flamme. Das machen wir, sagte er, und Margot kommt mit. Von den vulgären Saufgelagen zu Sylvester mit den Schlampen habe er die Nase gestrichen voll.

Ich glaubte, bei John etwas bewegt zu haben und stimmte zu. John mietete uns einen Tag vor Sylvester im besten Hotel am Tauernpass ein. Offiziell hatte er hinterlassen, er sei zum Jahreswechsel mit Margot in Wintersport gefahren. Sylvester um zehn Uhr vormittags brachen wir auf. In unseren Rucksäcken steckte das Nötigste, ein Schlafsack, Brot, Wurst, Käse, Champagner für Mitternacht und eine Flasche achtzigprozentigen Rum, um Grog zu machen – eine Gewicht sparende Idee von mir, bei der wir auf einen ordentlichen Rausch nicht zu verzichten brauchten.

Bereits an der ersten Steigung merkten wir, dass Margot nicht genug Kondition besaß. Wir hatten drei Stunden bis zur Hütte veranschlagt, das war mit ihr nicht zu schaffen. Gegen zwei Uhr waren wir endlich angekommen, konnten aber die Hütte nicht ausmachen. Gleich hinter der Hütte steigt die Wiese hoch, und in dieser Mulde war die Hütte völlig eingeschneit.«

»Haben Sie nicht vorhin gesagt, die Tour sei ein Abenteuer, weil die Hütte im Winter oft eingeschneit ist? «

»Damals wusste ich das noch nicht. Wir stocherten also mit unseren Skiern im Schnee herum, ohne viel auszurichten. Der Schnee war unter der Oberfläche hart gefroren, und da hätte selbst mit einer Schaufel graben nur Sinn gemacht, wenn wir die Stelle genau gekannt hätten.«

»Dann hat sich der Himmel bezogen und es begann zu schneien?«

»Woher …«

»Nichts für ungut«, unterbrach Bettina schnell. »Es musste so sein, wegen der Dramaturgie.«