StartseiteAlmtraumFolge 114 vom 24. Juli 2007

Folge 114 vom 24. Juli 2007

»Sie sind also ins Blue Moon gegangen, um den Fahrpreis zu kassieren?«

»Bin ich lebensmüde? Ich habe drei Wochen abgewartet, ob John sich bei mir meldet. Nichts. Mehr und mehr setzte sich dann bei mir die Einsicht durch, dass ich eine Prämie verdient hätte.«

»Geld …«

»Zu der Zeit drückte ich das Haushaltsgeld auf zehn Euro die Woche. Tütensuppen, Brot, Streichwurst, die lange vorhält.«

»Als Taxifahrer muss man doch nicht verhungern«

»Ich arbeitete nur die halbe Zeit, die andere habe ich beschriebenes Papier produziert. Die Miete, das Auto – ich stotterte an einer Reparatur, anstatt den Wagen abzumelden. Dieses Auto war für mich zum Symbol im Überlebenskampf geworden, es abzugeben hätte bedeutet, die Schwelle zur Armut zu übertreten, das Absinken auf die unterste Stufe. Ich wollte mir beweisen, dass ich auch ohne die regelmäßigen monatlichen Überweisungen auskomme, und ich wollte die Zeit zum Schreiben nicht dem Broterwerb opfern. Dann hätte ich bei der Nachrichtentechnik bleiben können. Ich ging also mit einem genialen Plan ins Blue Moon, um meine Haushaltskasse aufzubessern. Dem Barkeeper sagte ich, das bestellte Taxi für John sei da. Er schaute mich seltsam an und winkte mich dann in einen Gang neben der Theke. Das schummrige Licht behagte mir nicht, war aber genau so, wie ich es vorausgedacht hatte. Ehe ich mich richtig versah, stand ich mit dem Rücken zur Wand und der Barkeeper hatte mich am Kragen.

Wo ist John? fragte er und schlug meinen Hinterkopf mehrfach gegen die Wand, damit es mir schneller einfallen sollte.

Ich weiß es nicht, japste ich. Das Dröhnen verstärkte sich, weil der Barkeeper noch heftiger anklopfte. Mehr als ein Ich suche ihn brachte ich nicht heraus.

Am Ende des Ganges öffnete sich eine Tür. Was ist los? fragte eine Stimme ungehalten. Ich wagte nicht, den Kopf zu bewegen.

Der Kerl will was von John, antwortete der Barkeeper und stieß mich in den Gang. Ich stolperte und lief voll gegen eine Faust in meiner Magengrube.

Du kannst wieder nach vorn gehen, wies der Mann den Barkeeper an.

Ich krümmte mich auf dem Fußboden vor Schmerzen.

Keine Kinderstube, sagte der Mann und trat mir heftig in die Seite, dass ich aufschrie. Wenn ich schon unangemeldet zu Besuch käme, belehrte er mich, sollte ich wenigstens aufstehen und Guten Abend, Leo sagen. Ich weiß nicht, wie ich hochkam, aber ich war oben und stöhnte: Guten Abend, Leo.

Keine Vertraulichkeiten, tadelte Leo und verpasste mir eine Ohrfeige, die mich endgültig umwarf. Er schleifte mich in ein kleines fensterloses Büro und lud mich im Sessel vor dem Schreibtisch ab. Mit einem einzigen Ruck drehte er den Sessel in seine Richtung.

Ich schmeckte Blut auf den Lippen und wischte es mit dem Handrücken weg.

Erzähle dem lieben Leo, was du mit John gemacht hast, forderte er mich auf. Hinter ihm trat eine blonde Frau in mein Blickfeld. Sie steckte vollkommen faltenfrei in einem rosa Kostüm mit kurzer Jacke und kurzem Rock, eine perfekte Besetzung für das Kleidungsstück.«

»Der Barkeeper hatte wohl nicht fest genug angeklopft, dass Sie in der Lage noch wohlproportionierte Formen wahrgenommem haben.«

»Ich denke, das ist ein Schutzmechanismus«, sagte Stefan. »Man verdrängt die Gefahr, damit die Angst nicht die Kontrolle übernimmt.« Er gab Bettina keine Zeit zum Antworten. »Ich stammelte das Erlebnis aus der Pritzelstraße. Für meine blutenden Lippen hätte ich ein Taschentuch gebraucht, traute mich aber nicht, den Bericht zu unterbrechen und in die Hosentasche zu greifen. Das Blut tropfte mir auf Jacke und Hose.

Leo hörte wortlos zu. Nachdem ich geendet hatte, holte er eine Pistole aus der Schreibtischschublade, entsicherte sie und setzte sie mir auf die Stirn. Erzähle, was mit John passiert ist, wiederholte er, und zwar die Wahrheit, sonst war das die letzte Lüge, die du dir ausgedacht hast.

Ich sank tiefer in den Sessel, konnte aber der Berührung durch das schwarze Metall nicht entgehen. Ich warf einen Hilfe suchenden Blick zu der blonden Frau. Mir kam gar nicht der Gedanke, dass sie bei Leo vermutlich ebenso wenig ausrichten konnte wie ich. Sie hatte ängstlich geweitete Augen.

Leo, flehte sie.«

»Leo!« imitierte Bettina. »Das klingt verdammt nach Kino. Sie müssen mir Ihren letzten Drehbuch-Entwurf nicht als wahre Geschichte verkaufen.«

»Es gibt keinen Grund, Ihnen Ammenmärchen aufzutischen«, protestierte Stefan. Dann war Stille und er ärgerte sich über diesen Misston. »Ich schau mal nach dem Ofen«, sagte er, um überhaupt etwas zu sagen. Er legte Holz nach und blies in die Glut, bis ihm die Funken ins Gesicht stoben. Schnell schloss er die Ofenklappe. Diese Hütte wollte er auf keinen Fall in Brand setzen.