StartseiteAlmtraumFolge 11 vom 12. April 2007

Folge 11 vom 12. April 2007

Es war kein Zweifel möglich: Stefanie war ein Mann. Sie riss den Kleiderschrank auf: Kleider, Blusen, ein kleines Schwarzes, auffallend viele Kostüme, Jacken, Blazer und Röcke, wie sie von erfolgreichen Frauen im Beruf bevorzugt werden. Aus den Schubladen förderte sie Slips und Hemdchen in verschiedenen Farben und einen BH. Alles war reichlich vorhanden, aber nichts zu gebrauchen. Sie ließ die Dessous auf den Boden fallen und stürmte ins Wohnzimmer.

Nichts kam ihr fremd vor. Im Raum stand ein mächtiges Bücherregal, ein Computertisch, eine Couch mit Glastisch, zwei Sessel. Sie fuhr mit dem Finger die Reihen der Buchrücken entlang. Das waren ihre Bücher.

Der Computer! Sie schaltete das Gerät ein, tippte wie selbstverständlich das Passwort und startete die Textverarbeitung. Sie kontrollierte die zuletzt geöffneten Dateien – da war nur ein einziger Eintrag, eine Abkürzung, die sie nicht kannte. Hastig blätterte sie durch den Text – es war ein Manuskript. In der Fußzeile jeder Seite stand:(c) 2004 Stefan Bruhks. Und die Adresse.

Stefanie schrie erneut lang und ausdauernd.

Berta Böttcher dachte, wie ungerecht das Leben doch zu ihr war. So ein ausdauerndes Mannsbild war ihr nie über den Weg gelaufen. Dabei hatte der Tag so harmonisch angefangen, mit einem Frühstück zu zweit mit Fridolin, dem Wellensittich. Und nun diese Unruhe, die sie bisher nur von den späten Abendstunden kannte. Sie streichelte ihr Knie und das Bein oberhalb, fahrig, mit wütendem Übergang zu festem Druck, bis es schmerzte.

Bei mir versteifte sich die Vorstellung, Oma Käthe könnte an dieser Maschine nicht nur Märchen geschrieben haben. Das Schreiben an der Triumph entrückte mich mehr, als ich es vom Computer gewohnt war. Beinahe wäre ich rückfällig geworden und hätte den Computer eingeschaltet; wie gut, dass ich den Stecker herausgezogen hatte.

Ich nahm einen Bleistift aus der von Pia mit Folie beklebten Konservendose. Vorsichtig, damit die Bleistiftspitze nicht durch das Papier brechen konnte, strich ich den letzten Absatz des Manuskriptes.