»Fremdwörter gehen als solche, und wenn sie hunderttausend Mal eingebürgert heißen, nie in Gut und Blut über. Ein Fremdwort bleibt immer ein Blendling ohne Zeugungskraft.«
Wer mag das gesagt haben? Goethe? Bastian Sick? Oder doch Adolf Hitler?
Nein, es war der als »Turnvater« bekannte Friedrich Ludwig Jahn, der sich hier für die Reinhaltung der »teutschen Sprache« stark machte. Auch er gehörte zu denen, die sämtliche Fremdwörter aus dem Deutschen tilgen wollte. Er erfand sogar eigene Wörter: Titel soll künftig Nenne, Champagne Lauseland und Familie Hungerleidenschaft heißen.
Von noch mehr solcher abstrusen Bemühungen einer Sprachreinigung erzählte die Sendung SWR2 Essay am vergangenen Dienstagabend. Sie ging den Bemühungen der vermeintlichen Sprachpfleger nach, von den Anfangszeiten bis hin zu den aktuellen Aktivitäten des Vereins Deutsche Sprache (VDS), zu dessen Mitgliedern auch Reinhard May, Hape Kerkeling und Bastian Sick zählen. Nicht zufällig rekrutieren sich die Reinsprachler von heute aus den Reihen jener pensionierten Studienräte und autoritären Sprachfeldwebel, die schon die Rechtschreibreform für den Untergang der abendländischen Sprachkultur hielten.
Der überaus hörenswerte Radiobeitrag von Martin Halter zeigt auch, dass die Nazis, von denen man die größte Sprachreinigung erwartet hätte, davon gar nicht begeistert waren: »Der Führer wünscht nicht derartige gewaltsame Eindeutschungen und billigt nicht die künstliche Ersetzung längst ins Deutsche eingebürgerter Fremdworte durch nicht aus dem Geist der deutschen Sprache geborene und den Sinn der Fremdworte meist nur unvollkommen wiedergebende Wörter.« Klingt fast schon erschreckend liberal und vernüftig, hat aber andere Hintergründe, die der Beitrag aufzeigt.
Leider steht die Sendung nicht als Podcast oder MP3-Datei zum Download bereit. Allerdings – und das ist fast noch besser – kann man sich das vollständige 13-seitige Sendemanuskript für private Zwecke kostenlos auf der Website des SWR2 herunterladen.
Sprache ist immer auch gelebte Gegenwart und Spiegel der Zeit. Fremdworte bürgern sich ein, wenn neue Technik oder Mode von “außen” kommt. Oder wenn Bürger ihre eigene Sprache als rückständig und weniger modern empfinden. Im Moment gilt alles aus dem Englischen abgeleitete als besonders attraktiv, selbst wenn wir im Deutschen bessere Ausdrücke dafür hätten. Vieles ist lächerlich, weil selbst im Englischen falsch, doch noch lächerlicher ist es, dagegen ankämpfen zu wollen, im schlimmsten Fall mit Verboten. Die Gesellschaft ist keine Schulklasse, der man von oben Denkmuster vorschreibt. Gottseidank ist es so. Wir sollten uns lieber fragen, warum so viele englische Ausdrücke verwendet werden, und viele Deutsch als eher unattraktiv empfinden. Kaum ein Land ist wohl so von Selbstzweifeln durchdrungen wie unseres, das muss sich natürlich in der Sprache niederschlagen. Immer noch treffe ich Freunde, die mir stolz berichten, ihr Urlaub wäre ganz toll gewesen, weil sie dort nirgends Deutsche getroffen hätten. Gerne würde ich ihnen dann einen Spiegel reichen.
Nicht unsere Sprache ist bedroht, sondern unser Selbstbewusstsein schwach. Das Ausland freut es, denn dort glauben viele noch immer, wir könnten als Nation rückfällig werden. Das glaube ich nicht. Gefährlicher sind eher jene, die zu keiner echten eigenen Sprache mehr finden, da sie hier leben, sich aber kaum integrieren, sprachlich also draußen bleiben, heimatlos in gewissem Sinne. Mit ihrem kulturellen Mischmasch machen sie sich zu Außenseitern, ohne das wirklich sein zu wollen. Statt Anglizismen zu bekämpfen, sollten wir lieber jene fördern und fordern, die gleich nebenan wohnen. Langfristig erweisen wir unserer Sprache damit den größten Dienst.
FREMDWORTE und Gastarbeiter sind notwendige und hilfreiche Tatsachen, über die wir eine Verbindung zu anderen Menschen herstellen. Der Kampf mit den Worten, der eigenen Sprache und der anderer Nationen stellt nicht nur sich selbst in den Schatten der eigenen Fremdheit, sondern sorgt auch dafür Grenzen zu überwinden, die unseren eigenen Horizont einengen wolllen.
Mit dem Problem der Fremdheit, sind wir nicht nur im Ausland konfrontiert, sondern auch im eigenen Land, in dem das Reden und Sprechen, sich gewohnheitsmässig an den eigenen Denkstrukturen festmacht.
Das Überwinden von Grenzen, drückt sich nicht nur im Benutzen fremder Sprachen aus, sondern auch in der Akzeptierten Anleihe von fremden Worten, die etwas meinen, was die eigenen Staatsangehörigen nicht mehr verstehen.