Die zahlreichen Besprechungen des neuen Romans »Der Circle« von Dave Eggers wecken allerlei Fantasien: Man meint Szenen der schönen neuen Welt von Huxley bis hin zu George Orwell wiederzuerkennen. So habe ich lange mit mir gerungen, ob ich das Buch nun lesen soll oder nicht.
Wider Erwarten zeigt Eggers erneut sein Talent, reale Gegenwartsbefindlichkeiten zu einer entsprechenden Geschichte zu verarbeiten. Wir alle kennen Amazon, Facebook, Microsoft, Google und andere Netzentwickler, um uns vorstellen zu können, was uns in der Zukunft blühen könnte. Auch die neuen Gesundheitskarten lassen alles erkennen, was über die Krankheiten des einzelnen wissenswert ist.
Amazon berechnet mit schwer zu durchschauenden Algorithmen, welche Bücher aufgrund der bisher gelesenen für uns auch noch in Frage kämen. Man fordert die Rezensenten durch ebenfalls schwer zu durchschauende Methoden zu einem Kampf um das beste Ranking heraus. Bei Google muss man sehr darum kämpfen, auffindbare Details aus dem eigenen Leben löschen zu lassen. Und die NSA tut ihr Übriges, uns den Glauben an die Wahrung von Individualität und Geheimnis zu nehmen.
Naive Technikgläubigkeit
Alles das erlebt Mae Holland, die Protagonistin in diesem Thriller, an ihrer neuen Stelle bei dem »Circle«, einer Firma mit Werbeeffekten und Rankingstrukturen. Man erbringt Leistungen, die unentwegt bewertet werden. Das eigene Leben wird transparent, bis rein gar nichts mehr verborgen bleibt. Das lässt sich an Hand weitverbreiteter Kleinstkameras, elektronischer Fingerabdrücke, der unentwegten Überwachung jeder Bewegung und Regung und Ähnlichem erforschen.
Mae ist von naiver Gläubigkeit diesen neuen Technologien gegenüber. Das macht sie verletzlich und angreifbar.
In einer überwältigenden Szene erlebt Mae den Kontrast zu ihrem neuen Leben, als sie eine Kajakfahrt unternimmt und die Schönheiten des Meeres und der Natur um sich herum wahrnimmt. Ihr kommen Zweifel, ob sie wirklich jetzt das richtige Leben lebt.
Doch unaufhaltsam gerät sie in die perfiden Fänge dieses sektenähnlichen Unternehmens »Circle«. Alle Details ihres Lebens müssen zu jeder Stunde und jeder Minute offengelegt werden – und das zahlreicher anderer Menschen dazu! Rundum versorgt, doch total den Verpflichtungen des »Circle« unterworfen, gieren die eingeweihten Mitglieder nach Anerkennung und Zustimmung im Internet, dem Medium, dem sich keiner mehr entziehen kann. Da gibt es keine Geheimnisse in den entsprechenden Institutionen mehr, und wirtschaftliche Vorhaben sowie militärische Planungen können weitestgehend vorausgesagt werden.
Denkt man beim Lesen zunächst noch an Science-Fiction, wird bald schon klar, dass wir bereits mitten drin leben in diesen Kontrollmechanismen von allgegenwärtiger körperlicher und geistiger Durchschaubarkeit.
Voller Spannung und mit Gruseln folgt man diesem Bild einer vollkommenen Durchdringung unseres Lebens durch Medien, Behörden, Datenräubern und andere Erfolgs- und Verkaufsstreber. Wahrlich: Man könnte paranoid werden!
Es lohnt sich, mit Mae Holland ihren Weg zu gehen und möglicherweise Vorkehrungen für sich selbst zu treffen, um diesem Circle-Zirkus zu entgehen!
Ich war zuletzt gebannt wie selten und bereue nicht, den Roman gelesen zu haben!
Dave Eggers kann schreiben! Und er bleibt wie in allen seinen Büchern immer nahe an der Realität.
Claudine Borries
Dave Eggers; Ulrike Wasel (Übersetzung); Klaus Timmermann (Übersetzung): Der Circle: Roman. Gebundene Ausgabe. 2014. Kiepenheuer&Witsch. ISBN/EAN: 9783462046755. 22,99 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Dave Eggers; Ulrike Wasel (Übersetzung); Klaus Timmermann (Übersetzung): Der Circle: Roman. Taschenbuch. 2015. KiWi-Taschenbuch. ISBN/EAN: 9783462048544. 12,00 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Dave Eggers; Ulrike Wasel (Übersetzung); Klaus Timmermann (Übersetzung): Der Circle: Roman. Kindle Ausgabe. 2014. Kiepenheuer & Witsch GmbH. 9,99 € » Herunterladen bei amazon.de Anzeige
Das ist bestimmt ein wichtiges Buch. Eggers hat vieles konsequent weiter gedacht und es ist erschreckend, wohin Technik führen könnte. Vieles davon ist ja heute schon möglich, vieles wird schon umgesetzt. Aber trotzdem war das Buch nur lesbar wie ein mittelmässiger Krimi. Es gibt keine schöne Sprache und es ist auch kein Vergnügen, manche lang gezogenen Passagen zu lesen. Auch die Beschreibung der Kajak- Fahrt gefiel mir nicht. Ich empfehle das Buch allen, die sich mit Social Media auskennen. Sachbuch in Romanform.