Sie schloss eine Banklehre ab und studierte dann Literaturwissenschaften und mittelalterliche Geschichte. Ihr Ziel: Schriftstellerin werden. Aber die Verlagssuche gestaltete sich nicht einfach.
Rebecca Gablé schrieb zunächst Krimis, doch der große Durchbruch gelang ihr 1997 mit dem historischen Roman »Das Lächeln der Fortuna«. Seither gilt Rebecca Gablé als erfolgreichste und bekannteste Autorin von Historienromanen. Ihre Bücher sind regelmäßig auf den Bestsellerlisten zu finden.
Im Interview erläutert die erfolgreiche Schriftstellerin, warum die Bezeichnung »Bestsellerautorin« ziemlich relativ ist und welche Macht sowohl im Mittelalter als auch heute die Welt regiert. Außerdem wollten wir wissen, wie Rebecca Gablé den Erfolg von E-Books bewertet und welche Rolle für sie die digitalen Selbstverleger spielen werden.
Bestsellerlisten sind absurde Erfolgsmaßstäbe
literaturcafe.de: Frau Gablé, Sie haben eines Tages beschlossen, Ihren Brotberuf als Bankkauffrau aufzugeben und Ihr Glück ausgerechnet mit einem Literaturstudium zu versuchen. Ziemlich mutige Entscheidung. Gab es einen Plan B, oder haben Sie bildlich gesprochen damals »alle Brücken hinter sich abgebrannt«?
Rebecca Gablé: Ich habe das Literaturstudium mit dem Berufsziel »Schriftstellerin« begonnen, aber natürlich war mir klar, dass das ziemlich unrealistisch war, zumal ich zu dem Zeitpunkt schon drei Jahre erfolgloser Verlagssuche für meinen ersten Roman hinter mir hatte. Plan B war, notfalls nach dem Examen in meinen alten Beruf zurückzukehren. Während des Studiums entwickelte sich dann aber glücklicherweise Plan C, der auch zur Anwendung kam: Ich habe neben dem Schreiben einige Jahre als Literaturübersetzerin gearbeitet.
literaturcafe.de: Wie viele Buchverkäufe braucht es eigentlich, bevor man sich mit Fug und Recht im Printbereich »Bestsellerautorin« nennen darf?
Rebecca Gablé: Fragen Sie drei Leute, bekommen Sie drei verschiedene Antworten. Irgendwo las ich kürzlich, ein Bestseller sei ein Buch, das 20.000 Exemplare verkauft habe. Das kommt mir ziemlich willkürlich vor. Es ist letztlich eine Frage der Definition. Ist ein Buch ein Bestseller, das es auf Platz 50 der Buchreport-Bestsellerliste (deren Plätze 1 bis 20 wöchentlich im SPIEGEL stehen) geschafft hat? Dann können 10.000 oder 15.000 verkaufte Exemplare durchaus reichen. Oder ist ein »richtiger« Bestseller nur ein Titel, der es in die Top 10 geschafft hat? Dann müsste man die Zahlen in etwa verdreifachen, schätze ich. Es hängt natürlich auch von der Jahreszeit ab: Im Sommerloch, wenn wenige Hardcover erscheinen, reichen vielleicht schon 20.000 für die Top 10. Im September und Oktober, wenn die Novitäten gleich dutzendweise ins Weihnachtsgeschäft fluten, kommt man damit kaum über Platz 30. Sie können mit einem gut vermarkteten Titel mal kurz in die Top 10 hochschießen, aber insgesamt die 30.000-Marke niemals knacken, aber Sie können einen langsam dahinschleichenden Longseller 200.000 Mal verkaufen, ohne je auf einer Bestsellerliste zu stehen. Woran man sehen kann, wie absurd diese Listen als Erfolgsmesser eigentlich sind.
literaturcafe.de: Immerhin gibt es mittlerweile Indie-Autoren, die behaupten, ihre Bücher mehrere Zehntausend Mal verkauft zu haben. Jonas Winner hat sogar die 100.000er Marke mit seiner Berlin-Gothic-Serie geknackt.
Andererseits wird immer wieder behauptet, dass man vom Beruf des Autors nicht leben könne. Hellen solche Verkaufszahlen im Independent-Bereich die Aussichten für Nachwuchsautoren generell nicht doch etwas auf?
Die wirtschaftliche Situation für junge Autorinnen und Autoren unverändert schwierig
Rebecca Gablé: Ich finde es sehr spannend, wie die Autoren- und die Bücherlandschaft sich durch das Netz und das E-Book verändern. Aber so märchenhafte Erfolgsstorys wie Amanda Hocking oder E.L. James können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die wirtschaftliche Situation für junge Autorinnen und Autoren unverändert schwierig ist. Als Newcomer einen Printverlag zu finden, war noch nie so schwer wie heute, weil viele Verlage ihre Programme verkleinern. Die Selbstvermarktung im Netz bietet natürlich neue Chancen, aber in einem so großen Meer mit so vielen Fischen darin wahrgenommen zu werden, ist bestimmt nicht einfach. Andererseits: Schreiben war immer schon ziemlich brotlos. Wenn man damit anfängt, kann man unmöglich wissen, ob es einen jemals ernähren wird, und die Chancen sind eher gering. Darum ist Schreiben etwas, das man eigentlich nur aus Leidenschaft machen kann. Wenn man sehr hart arbeitet und sehr viel Glück hat, kann man möglicherweise eines Tages davon leben. Wenn nicht, muss man sich einen anderen Job suchen, aber es bleibt immer noch die Schreib-Leidenschaft. So war das schon bei den Minnesängern, und so ist es auch im digitalen Zeitalter 😉
literaturcafe.de: Sie sind einer der Kollegen, die konsequent das Internet für sich nutzen. Sie betreiben eine gut sortierte Webseite und sind bei Facebook mit einer Fanseite vertreten. Welchen Fehler sollten Kollegen Ihrer Meinung nach bei der Kommunikation mit ihren Lesern im Internet unbedingt vermeiden?
Facebook und Co: ein gesundes Maß an Zurückhaltung ist angebracht
Rebecca Gablé: Kollegen-Bashing und andere Indiskretionen, die einem irgendwann mal um die Ohren fliegen könnten. Junge KollegInnen der Digital-Natives-Generation wissen das ja bestimmt viel besser als ich, aber ich habe manchmal das Gefühl, man kann nicht oft genug darauf hinweisen: Das Netz hat ein ewig währendes Gedächtnis. Also ganz egal, wie kuschelig sich der Umgang mit treuen Lesern auf Facebook oder sonstwo irgendwann anfühlt, ein gesundes Maß an Zurückhaltung ist immer angebracht.
literaturcafe.de: Wie sehen Sie den E-Book Markt als Verlagsautor? Ist da finanziell bisher wirklich etwas für Sie »zu holen gewesen«? Oder ist das aktuell immer noch eher ein Nebengeschäft für Sie?
Rebecca Gablé: Es ist ein Nebengeschäft, das in den letzten Monaten aber angezogen hat. Ich glaube, wir erleben gerade, wie der Schneeball ins Rollen gerät, der jetzt ziemlich schnell größer und größer werden wird.
literaturcafe.de: Es existiert in der gesamten Buchbranche ja eine Debatte darüber, wie schädlich es für den Markt sei, wenn bei den großen Plattformen wie Amazon.de die Charts immer mehr von Titeln zu 99 Cent bzw. 2,99 Euro dominiert werden. Wie stehen Sie dazu? Ist es bald an der Zeit, da irgendwie eine Reißleine zu ziehen?
Die Vorstellung von Werbebannern auf der Titelseite meiner E-Books macht mich nicht gerade glücklich
Rebecca Gablé: Die würde ich gerne mal sehen, diese Reißleine ;-). Natürlich sind E-Books zu Schleuderpreisen ein Problem. Raubkopierte kostenlose E-Books sind erst recht ein Problem, und am anderen Ende des Spektrums haben wir das Problem, dass E-Books aktueller Print-Bestseller viel zu teuer sind. Aber Regulative sind nicht die richtige Lösung, glaube ich. Auf dem E-Book-Markt herrscht derzeit Goldgräberstimmung, und im Moment bin ich erst mal dafür abzuwarten und locker zu bleiben und zu sehen, wohin dieser Markt sich entwickelt. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis (hab ich in der Banklehre gelernt ;-), und wenn die Schleuderpreise für E-Books sich dauerhaft etablieren, müssen wir uns etwas einfallen lassen. Die Vorstellung von Werbebannern auf der Titelseite meiner E-Books macht mich nicht gerade glücklich, aber es gibt schlimmere Zukunftsszenarien.
literaturcafe.de: Stichwort Urheberrechtsdebatte. Da wird verbal zunehmend schärfer geschossen. Haben Sie in dieser Sache schon eine Petition unterzeichnet? Und falls ja – welche und weshalb? Oder halten Sie Ihren Namen von solchen Dokumenten grundsätzlich lieber fern?
Das Urheberrecht wird sich ändern müssen, um nicht aus der Zeit zu fallen
Rebecca Gablé: Ich habe im Mai 2012 die »Wir sind die Urheber«-Petition unterschrieben, weil sie sich mit meiner Ansicht zu diesem Thema deckte. Ich habe mir auch Sven Regeners Wutrede zwei- oder dreimal angehört, weil sie mir so aus der Seele sprach. Inzwischen glaube ich aber, dass wir die Debatte mit weniger Emotionen führen und beide Seiten mal aus ihren Schützengräben kommen müssen. Der Schutz des geistigen Eigentums ist eine große Errungenschaft der Zivilisation, die wir nicht leichtfertig in die Tonne treten sollten. Und das Urheberrecht ist Grundlage meiner wirtschaftlichen Existenz. Es bringt ja nichts, immer wieder zu behaupten, nur die bösen Verwerter-Konzernriesen profitierten davon, das ist ja unwahr. Aber es bringt auch nichts, diejenigen zu kriminalisieren, die ohne jedes Unrechtsbewusstsein gegen das Urheberrecht verstoßen und sich kostenlose Musik, E-Books oder Hörbücher herunterladen. Das Urheberrecht wird sich einfach ändern müssen, um nicht aus der Zeit zu fallen. Es muss den Bedürfnissen der Urheber ebenso Rechnung tragen wie den technischen Entwicklungen des digitalen Zeitalters. Ich habe offen gestanden keine klare Vorstellung, wie so ein neues Urheberrecht aussehen müsste, um einen fairen Interessenausgleich herzustellen. Aber ich bin ja auch Schriftstellerin und keine Juristin. Ich werde die Debatte weiter verfolgen und mich einmischen, aber eingraben werde ich mich nicht mehr.
literaturcafe.de: Unter vielen Autoren herrscht die Ansicht, dass es gefährlich sein könnte, seine Werke selbst als E-Books zu publizieren, da dies womöglich von den Verlagen als anrüchig betrachtet würde und daher einen Verlagsvertrag von vornherein ausschließt. Ist da Ihrer Meinung nach etwas dran?
Rebecca Gablé: Ja. Vielleicht nicht »anrüchig« in dem Sinne wie Selbstverlag oder Zuschussverlage im Printbereich, aber durch diese neue Form der Selbstvermarktung ist ein Teil des Marktes schon abgeschöpft, und damit ist der Titel für einen Printverlag weniger attraktiv. Hat das selbstvermarktete E-Book aber einen bescheidenen Erfolg erzielt und man bietet einem Verlag ein neues, unveröffentlichtes Buch an, sieht die Sache schon wieder anders aus, denke ich.
literaturcafe.de: Würden Sie selbst sich in nächster Zeit mit einem Text als Selbstpubliziererin versuchen? Falls dem so ist, weshalb?
Rebecca Gablé: Nein, momentan nicht. Ich fände es zwar spannend zu sehen, wie sich solch ein Experiment entwickeln würde, aber ich habe einfach keine Zeit, meine eigene Verlegerin zu sein. Ich will ja eigentlich nur Bücher schreiben …
literaturcafe.de: Viele Experten sehen mittelfristig die Zukunft des stationären Buchhandels in einem düsteren Licht. Sie ebenfalls?
Rebecca Gablé: Ja, so wehmütig mich das auch stimmt. Aber wir erleben ja jetzt schon, dass selbst große Buchhandelsketten ihre Verkaufsflächen verkleinern. Also nicht nur der kleine Buchladen um die Ecke tut sich zunehmend schwer. Ich glaube allerdings nicht, dass das große Buchhandlungs-Sterben so schnell um sich greifen wird, wie manche befürchten. Die Leserinnen und Leser, die, sagen wir mal, jetzt so um die Vierzig und älter sind (also die Bevölkerungsmehrheit), werden dem gedruckten Buch noch lange die Treue halten, und für viele gehört das Stöbern in der Buchhandlung dazu.
literaturcafe.de: Sie sind ja als Spezialistin fürs Mittelalter bekannt, das ist die Ära, in der die Mehrzahl Ihrer Romane angesiedelt ist. Gemeinhin gilt das Mittelalter ja als düster, brutal und borniert. Ich weiß, dass Sie selbst diese Ansichten gerne etwas relativeren möchten. Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – hier die Frage: Worin besteht Ihrer Meinung nach, die augenfälligste Parallele zwischen dem 21 Jahrhundert und dem Mittelalter?
Rebecca Gablé: In der Macht des Geldes. Mitte des 14. Jahrhunderts musste ein englischer König seine Königin als Pfand bei seinen Gläubigern in den reichen Niederlanden zurücklassen und seine Krone bei einem Erzbischof gegen Bares verpfänden, weil er sich um jeden Preis neues Geld beschaffen musste. Ein Krieg (den er schon aus rein wirtschaftlichen Interessen begonnen hatte) hatte ihn völlig ruiniert, und ohne neues Kapital konnte er ihn nicht fortführen und wäre politisch am Ende gewesen. In der Folge gewann sein Bankier immer größeren Einfluss auf seine Politik, so wie das berühmte Handels- und Bankhaus der Fugger mit seinem Geld jahrhundertelang die deutschen Kaiser lenkte und beherrschte. Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor?
literaturcafe.de: Was wirft Sie bei der Arbeit an einem neuen Roman eigentlich garantiert »aus der Bahn«?
Rebecca Gablé: Ich arbeite zwei Jahre an einem Roman. In so einer langen Zeit passieren einfach Dinge, die einen von der Arbeit ablenken: Der Rummel rund um das Erscheinen des zuletzt fertiggestellten Buchs (für den Rummel bin ich allerdings dankbar), andere wichtige Projekte wie etwa die Zusammenarbeit mit meinen Übersetzern oder auch größere und kleinere Katastrophe im privaten Umfeld. Das nennt man das Leben, glaube ich, und damit muss schließlich jeder klar kommen. Künstler haben kein Grundrecht darauf, im Elfenbeinturm zu sitzen und davon verschont zu werden.
literaturcafe.de: Was ist das absolute »No-Go« für Autoren im Umgang mit ihren Lesern?
Die Leser sollten sich darauf verlassen können, dass der Autor das Bestmögliche getan hat
Rebecca Gablé: Schluderige Arbeit. Nicht jedes Buch gelingt gleich gut, nicht jedes Buch kann allen Lesern gefallen, aber sie sollten sich darauf verlassen können, dass der Autor oder die Autorin ihr Bestmögliches getan hat.
literaturcafe.de: Und ganz zum Schluss: Welche Frage wollten Sie schon immer einmal von einem Journalisten gestellt bekommen; und weshalb gerade diese?
Rebecca Gablé: Keine. Mein Sendungsbewusstsein – falls ich denn überhaupt eines habe – hat in meinen Romanen reichlich Platz, sich Ausdruck zu verschaffen.
literaturcafe.de: Frau Gablé, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!
Die Fragen stellte David Gray
Ich finde dieses Interview sehr interessant und habe deshalb von meinem Blog aus auf diese Seite verwiesen …
http://www.andreas-schneider-web.de/2012/08/06/bestsellerautorin-im-gespr%C3%A4ch/